Darmbakterien leiden mit
WARUM DIE PSYCHE AUF DEN DARM SCHLÄGT
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Wenn die Psyche leidet, schließt sich oft der Darm an und leidet mit. Das Gehirn und der Darm stehen in ständigem Austausch, und zwar in beide Richtungen. Forscher an der Icahn Medical School at Mount Sinai in New York und des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen sind der Sache mit der Psyche und dem Darm genau auf den Grund gegangen.
Sie fanden heraus, dass die Psyche über eine direkte Nervenverbindung Einfluss auf eine kleine Drüse im Darm nimmt. Das hat erstaunliche Auswirkungen und könnte der Ansatz für neue Therapien sein.
Die Psyche steuert den Darm: direkt und indirekt
Die Psyche kann viele Prozesse im Körper beeinflussen, nicht nur den Darm. Aber hier, genauer gesagt im oberen Bereich des Dünndarms, sitzen die Brunner-Drüsen. Sie sondern Schleim ab, der die Darmschleimhaut auskleidet und außerdem als Nahrung für Milchsäurebakterien dient. Diese zählen zu den nützlichen Darmbakterien und reagieren empfindlich, wenn die Psyche nicht im Gleichgewicht ist.
Der Grund: Die Psyche kann über den Vagusnerv direkt eine Verbindung zu den Brunner-Drüsen im Darm herstellen. Bei Stress oder Sorgen geben die Drüsen weniger Sekret ab, was die Darmbakterien negativ beeinflusst. Mäuse, denen die Brunner-Drüsen entfernt wurden, starben schneller an Infektionen und zeigten verschiedene Zeichen einer systemischen Entzündung. Ähnlich erging es Mäusen, die unter Dauerstress standen. Auch sie wiesen weniger Milchsäurebakterien im Darm auf. Der negative Einfluss auf die Psyche der Tiere hatte also einen vergleichbaren Effekt auf den Darm wie die operative Entfernung der Brunner-Drüsen. Der Grund dafür: eine Verringerung der Anzahl nützlicher Darmbakterien.
Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass die Psyche über den Vagusnerv direkt mit den Brunner-Drüsen im Darm in Verbindung steht. Dieser Nerv ist Teil des parasympathischen Nervensystems und steuert viele Organe des Körpers. Bei Ruhe und Entspannung wird er aktiviert und verbindet die Brunner-Drüsen mit der Amygdala. Das ist der Hirnbereich, der für Emotionen zuständig ist. Gerät die Psyche aus dem Gleichgewicht, zum Beispiel durch Furcht oder Stress, sendet die Amygdala weniger Signale an den Vagusnerv. Die Brunner-Drüsen im Darm sind dann weniger aktiv.
Psyche regelt Anzahl der Darmbakterien
Die neuronale Verbindung zwischen Psyche und Darm ist also erstmals direkt nachgewiesen. Mäuse, bei denen Vagusnerv oder Amygdala gezielt stimuliert wurden, normalisierte sich die Schleimsekretion der Brunner-Drüsen. Die Stimulation hatte ähnliche Effekte wie die Gabe von Probiotika.
Hao Chang, Erstautor von der Icahn School of Medicine, glaubt, dass die Brunner-Drüsen wichtiger sind als bisher angenommen. Die Ergebnisse liefern eine mögliche Erklärung, warum Einflüsse auf die Psyche wie Stress beispielsweise die Infektanfälligkeit erhöhen. Der Darm und mit ihm die Darmbakterien reagieren also unmittelbar, wenn die Psyche leidet.
Hauptautor Ivan de Aranjo vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik meint, die Erkenntnisse zu den Brunner-Drüsen könnten auch den Einfluss der Psyche auf den Darm bei entzündlichen Darmerkrankungen erklären. Möglicherweise ergeben sich durch weitere Forschung an der Verbindung zwischen Psyche und Darm neue Ansätze für die Behandlung.
Quellen:
https://idw-online.de/de/news839934
https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(24)00779-7?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS0092867424007797%3Fshowall%3Dtrue
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