Ein geschlossenes Geschäft. Durch die Schaufenster sieht man noch Überbleibsel der Einrichtung. Alles ist verstaubt.© Richard Wellenberger/ iStock / Getty Images Plus
Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik haben so viele Apotheken geschlossen wie 2022, erstmals auch Filialapotheken.

Apothekensterben

393 APOTHEKEN WENIGER IN 2022 – REKORDZAHL IN DEUTSCHLAND

Personalmangel, politische Hürden und Inflation: Im vergangenen Jahr schloss eine Rekordzahl an Apotheken ihre Türen für immer. Die ABDA erklärt, welche Rahmenbedingungen der Apothekenbetrieb braucht.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zählte Ende vergangenen Jahres 18 068 Betriebsstätten. Der Rückgang um 393 sei der größte jährliche Verlust in der Geschichte der Bundesrepublik, hatte der Verband am 1. Februar in Berlin mitgeteilt.

Schon jetzt sind ländliche Regionen von einer wohnortnahen Arzneimittelversorgung weit entfernt. Wie das E-Rezept die Balance zwischen Vor-Ort-Apotheken und Onlinehandel verschieben wird, ist noch nicht absehbar. Standesvertreter*innen zeigen sich besorgt.

Prekärster Rückgang in Rheinland-Pfalz

„Apotheken sind eine versorgungsrelevante Einheit, damit Menschen nachts nicht 30, 50 oder 100 Kilometer zwischen der notärztlichen Versorgung und den Medikamenten fahren müssen“, sagte der zweite Vorsitzende des Rheinland-Pfälzischen Apothekerverbands, Jan Francke. Im Mittelrheintal seien die Apotheken bereits bis zu 30 Kilometer voneinander entfernt und an der Mittelmosel sehe es ähnlich aus.

Der erste Vorsitzende des Landesverbands, Andreas Hott, erklärte, in Rheinland-Pfalz sei die Anzahl der Apotheken prozentual bundesweit am stärksten gesunken. Diese Entwicklung werde sich in den nächsten Jahren noch beschleunigen, weil mehr als ein Drittel der Apotheker und Apothekerinnen in Rheinland-Pfalz älter als 60 Jahre seien. Fast neun Prozent seien bereits 70 Jahre alt und Nachfolger nur schwer zu finden.

Der Beruf sei aber vor allem aufgrund einer Reihe von gesundheitspolitischen Vorgaben des Bundes unattraktiver geworden, kritisierten Hott und Francke. Seit zehn Jahren eingefrorene Honorare, 23 Cent weniger Vergütung pro verkaufter Packung bei höherem Aufwand für die Beschaffung und der permanente Umgang mit Lieferengpässen bei Medikamenten nannten sie als Beispiele. „Man kommt sich als Trottel des Systems vor“, sagte Hott, Apotheker in Landau.

ABDA: Apothekendichte liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt

Diese Mitteilung gab die ABDA am 1. Februar heraus:

Arzneimittelausgaben 2022 bleiben hinter allgemeiner Preisentwicklung zurück

Die Zahl der Apotheken in Deutschland ist zum Jahresende 2022 um 393 auf 18.068 Betriebsstätten gesunken. Das ist der größte jährliche Verlust an Apotheken in der Geschichte der Bundesrepublik. Dabei ist nicht nur die Zahl der selbständigen Apothekerinnen und Apotheker zurückgegangen (-363), sondern erstmals auch die Zahl der von ihnen betriebenen Filialen (-30). Das zeigt eine Auswertung der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, die auf den Meldungen der Landesapothekerkammern in allen 16 Bundesländern beruht. Die Apothekendichte in Deutschland liegt bei 22 Apotheken pro 100.000 Einwohnern und damit weit unter dem europäischen Durchschnitt von 32.

„Immer mehr Apotheken machen dicht. Das ist ein schmerzlicher Verlust für viele Patientinnen und Patienten, für die der Weg zur nächsten Apotheke nun länger wird“, sagt ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening: „Viele Inhaberinnen und Inhaber geben auf, weil sie nicht genug qualifiziertes Personal oder keine Nachfolge zur Übernahme ihrer Apotheke finden. Die Basis der Arzneimittelversorgung in Deutschland wird somit langsam unterspült.“ Overwiening weiter: „Wenn so viele selbständige Apothekerinnen und Apotheker ihre Apotheke aufgeben müssen, ist das schon schlimm. Wenn jetzt aber auch erst vor wenigen Jahren eröffnete Filialapotheken schließen müssen, zeigt das, wie eng die wirtschaftliche Situation ist.“

Overwiening sagt: „Um die Arzneimittelversorgung in Zukunft flächendeckend zu sichern, müssen Politik und Gesellschaft gegensteuern. Für die Apotheken brauchen wir mehr Nachwuchs, also junge Menschen, die dort gerne arbeiten wollen und später auch bereit sind, eine Apotheke zu leiten und zu übernehmen. Die Politik muss unbedingt verlässliche Rahmenbedingungen für den Apothekenbetrieb schaffen und den Abbau bürokratischer Lasten vorantreiben. Die Erhöhung des Kassenabschlags und die damit einhergehende Absenkung des Apothekenhonorars für zwei Jahre bewirkt leider genau das Gegenteil. Apotheken brauchen Wertschätzung und stabilisierende Perspektiven, keine Zwangsmaßnahmen.“

Quellen:
ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.: „Arzneimittelausgaben 2022 bleiben hinter allgemeiner Preisentwicklung zurück“, Pressemitteilung vom 1. Februar 2023.
dpa

×