Politik
APOTHEKEN MÜSSEN SPAREN HELFEN
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Sonnig, Temperaturen bis zu 23 Grad – so freundlich war das Wetter am 20. Oktober. ABDA-Präsidentin Gabriele Regine Overwiening nahm die Lage anders wahr: „Dies ist ein schwarzer Tag für die Apotheken in Deutschland.“ Der Deutsche Bundestag hatte zuvor das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verabschiedet.
Zu den beschlossenen Sparmaßnahmen gehört: Der Abschlag, den Apotheken der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für jedes rezeptpflichtige Arzneimittel einräumen müssen, wird 2023 und 2024 steigen. Von 1,77 Euro erhöht er sich auf 2 Euro.
120 Millionen weniger
Nach den Berechnungen der ABDA entspricht dies einer Honorarkürzung für alle 18 000 Apotheken um rund 120 Millionen Euro netto pro Jahr. Im Detail bedeutet das: Eine Durchschnittsapotheke, die jährlich rund 34 000 verschreibungspflichtige Arzneimittel zu Lasten der GKV abgibt, macht 6.500 Euro weniger Gewinn.
Kleinere Apotheken mit etwa 20 000 Packungen verlieren 3 800 Euro, große mit 60 000 Packungen 11 400 Euro. „Wir haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren der Politik geholfen, die Pandemie zu meistern. Als Dank dafür wird ausgerechnet jetzt, wo die Apotheken wegen Inflation und Energiekrise selbst Hilfe und Entlastung bräuchten, die Vergütung gekürzt“, kritisierte Overwiening.
Dabei seien die Apotheken keine Kostentreiber: „Unser Anteil an den jährlichen GKV-Ausgaben liegt bei 1,9 Prozent.“ Kritik äußerte die ABDA auch an der Erhöhung des Herstellerrabatts von sieben auf zwölf Prozent. Diesen müssten die Apotheken den Krankenkassen gewähren und vom Hersteller erstattet bekommen – eine Verpflichtung, die „mit einem hohen Ausfallrisiko verbunden ist, wenn der Hersteller seine Produktion einstellt“.
„Vor-Ort-Apotheken sind ein wichtiger und zu schützender Zweig des deutschen Gesundheitswesens.“
Einzelne Apotheken hatten sich gegen die Sparpläne öffentlichkeitswirksam gewehrt. In vier Bundesländern wurde gestreikt. Doch es nutzte nichts. „Kern des Gesetzes sind Finanzreformen in allen Bereichen der GKV“, unterstrich das Bundesgesundheitsministerium. Damit werde ein 17 Milliarden Euro großes Defizit bei der GKV 2023 ausgeglichen.
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Gefahr für die Vor-Ort-Apotheken
Wegen des Sparbeitrags der Apotheken hatte es in Bundestag und Bundesrat Kritik gegeben – mit ähnlichen Argumenten. So hatte die Länderkammer Mitte September verlangt, die Erhöhung wieder zu streichen: Sie laufe „den sonstigen Bestrebungen der Bundesregierung zur Stärkung der Apotheken vor Ort diamentral entgegen“.
Vor-Ort-Apotheken seien „ein besonders wichtiger und zu schützender Zweig des deutschen Gesundheitswesens“. Höhere Einkaufspreise, die Erhöhung des Mindestlohns und steigende Personalkosten hätten die Apotheken zuletzt „kostenneutral für das GKV-System abgefedert“.
Weitere Einschränkungen machten aber insbesondere kleinere Apotheken im ländlichen Raum unrentabel und würden zu Schließungen führen. Bundestagsabgeordnete griffen den Apothekensparbeitrag kurz vor der endgültigen, mehrheitlichen Verabschiedung des Gesetzes auf. Die Union forderte wie der Bundesrat, den Abschlag nicht zu erhöhen.
„Einsparmaßnahmen werden Apothekensterben vor allem im langlichen Raum beschleunigen.“
„Sie belasten Apotheker“, kritisierte Tino Sorge, CDU, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. „Die flächendeckende Versorgung wird auf der Kippe stehen.“ Martin Sichert, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, sagte: „Apotheken, die eh schon mit Energiekosten, Inflation und steigenden Personalkosten zu kämpfen haben, kürzen Sie auch noch das Honorar und versetzen damit etlichen den Todesstoß.“
Besser die Mehrwertsteuer senken
Stephan Pilsinger, fachpolitischer Sprecher für Gesundheitspolitik der CSU-Landesgruppe, warnte: „Ihre Einsparung wird das Apothekensterben vor allem im ländlichen Raum beschleunigen und damit die Arzneimittelversorgung der Patienten verschlechtern.“
Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, erneuerte den Vorschlag ihrer Partei, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel abzusenken. Dann würden etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr eingespart. Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, sprach von „Zumutungen“, auch für die Apotheken, aber: Sie seien insgesamt vertretbar, „denn wir müssen für Stabilität sorgen. Wir müssen es hinbekommen, dass wir nicht einen riesigen Beitragssprung haben“.
Dr. Christos Pantazis, Berichterstatter im Gesundheitsausschuss für die SPD-Fraktion, gab zu bedenken: „Ohne die vorgesehene Lastenverteilung müsste sich der GKV-Zusatzbeitrag um einen ganzen Prozentpunkt erhöhen. Jetzt würden die GKV-Beitragssätze 2023 vermutlich „moderat um 0,3 Prozentpunkte steigen.“ Zum 1. November ist diese Zahl vom Bundesgesundheitsministerium bestätigt worden.
Eingedampft
+ Zum 17-Milliarden-Euro-Sparpaket werden die Apotheken 120 Millionen Euro netto beitragen. Der Apothekenabschlag für rezeptpflichtige Arzneimittel wird dafür von 1,77 auf 2 Euro erhöht.
+ Einen Sparbeitrag müssen auch zahlreiche gesetzlich Krankenversicherte in Apothekenteams leisten: Je nach Kasse erhöht sich ihr monatlicher Beitrag. Im Durchschnitt geht es um einen Anstieg von 0,3 Prozentpunkten.
+ Das Gesetz im Überblick