Leere Tablettenblister© Andrei Berezovskii/iStock/Getty Images Plus
Nichts mehr da, nichts mehr zu bekommen und keine Alternativen: Der Azithromycin-Lieferengpass gefährdet vor allem Menschen mit sexuell übertragbaren Erkrankungen.

Antibiotika

LIEFERENGPASS BEI AZITHROMYCIN: DAS SIND DIE ALTERNATIVEN

Bereits seit Ende Juni besteht ein Lieferengpass für das wichtige Antibiotikum Azithromycin. Oft gibt es aber keine Alternative. Nicht nur die Aidshilfe und der Verband Pro Generika rufen die Politik zum Handeln auf, denn der aktuelle Lieferengpass für Azithromycin ist nur das letzte Glied in einer versagenden Kette.

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Besonders für sexuell übertragbare Infektionen wie Chlamydien und Gonorrhoe bedeutet der aktuelle Lieferengpass bei Azithromycin, dass Betroffene nicht ausreichend behandelt werden können. Denn Alternativen gibt es entweder keine oder sie sind ebenfalls von einem Lieferengpass betroffen. Das Schicksal von Azithromycin teilt nämlich schon seit Monaten auch Doxycyclin.

Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie hat eine Handlungsempfehlung herausgegeben, um dem aktuellen Lieferengpass von Azithromycin zu begegnen. Sie nennt Alternativen, merkt aber auch an, dass diese nicht immer ausreichen. Das Problem Lieferengpass beschränkt sich zudem nicht nur auf Azithromycin und andere Antibiotika.

Alternativen bei Lieferengpass oft nicht so gut wie Azithromycin

Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie nennt in ihrer Handlungsempfehlung zum Beispiel das vom Spektrum her vergleichbare Clarithromycin als Option für das von einem schon seit Monaten anhaltenden Lieferengpass betroffene Azithromycin. Allerdings weist Azithromycin entscheidende Vorteile auf, weil es wegen seiner längeren Halbwertszeit und seiner Anreicherung im Gewebe oft nur als Einmalgabe oder Kurzzeittherapie gegeben werden kann.

Clarithromycin, Roxithromycin und Erythromycin weisen neben ihrer kürzeren Wirkdauer außerdem zahlreiche Wechselwirkungen auf, weshalb der Lieferengpass bei Azithromycin ein großes Problem ist. Vor allem die Veränderung der Erregungsleitung am Herzen, besonders die Verlängerung des QT-Intervalls, muss bei einer Umstellung beachtet werden. Bei Herzrhythmusstörungen kommen die Makrolide also eher nicht in Frage. Clarithromycin beispielsweise muss zweimal täglich und auch über eine längere Zeit als Azithromycin gegeben werden.

Bei Geschlechtskrankheiten: Keine Alternative zu Azithromycin

Besonders betroffen von dem Lieferengpass bei Azithromycin sind Patienten mit sexuell übertragbaren Infektionen (STD), wie Chlamydien und Gonokokken. Lediglich gegen Ureoplasma urealyticum wirkt Clarithromycin als Alternative, wenn 500 Milligramm zweimal täglich über ein bis zwei Wochen gegeben werden.

Alle anderen STD müssen notgedrungen unbehandelt bleiben, solange sich die Situation nicht bessert, sprich: der Lieferengpass bei Azithromycin behoben wird. Das ist eine überaus ernste Situation. Denn auch Doxycyclin, das bei manchen STD noch helfen könnte, ist kaum zu bekommen.

Bekannter Grund für das Problem Lieferengpass, nicht nur bei Azithromycin

Es bleibt immer dasselbe Problem hinter dem anhaltenden Lieferengpass, der in diesem Fall Azithromycin betrifft, aber auch Doxycyclin. Die Aidshilfe fordert die Politik endlich zum Handeln auf. Nachdem bereits Anfang des Jahres ein Lieferengpass beim Virostatikum Tenofovir Menschen mit STD betraf, nennt die Aidshilfe den aktuellen Lieferengpass von Azithromycin und Doxycyclin einen Skandal. „Wir gehen davon aus, dass die Ursachen für die aktuellen Lieferschwierigkeiten die gleichen sind wie vor wenigen Monaten bei Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Hinter dem immer wieder auftretenden Problem Lieferengpass, das diesmal das kaum zu ersetzende Azithromycin trifft, stecken immer dieselben Gründe, so die Aidshilfe weiter.

„Dazu gehören neben mangelhaften Meldeverfahren für Engpässe und fehlender Transparenz etwa die Konzentration auf nur noch wenige Anbieter am Markt, die zudem fast alle außerhalb Europas produzieren. Schon kleine Störungen in der Lieferkette können so zu schwerwiegenden Engpässen führen. Die deutsche Rabattpreispolitik trägt möglicherweise dazu bei, dass immer mehr Hersteller ganz vom deutschen Markt verschwinden.“

Auch der Verband Pro Generika macht die Politik für die Ursache des aktuellen Lieferengpasses bei Azithromycin und weiteren wichtigen Arzneimitteln neben Antibiotika verantwortlich. So sagt Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika: „Der Preisdruck zerstört die Anbietervielfalt. Wo wenige Unternehmen riesige Teile der Versorgung stemmen müssen, herrscht eine große Anfälligkeit für Lieferengpässe. Generika- Hersteller brauchen eine vernünftige ökonomische Grundlage, um im Markt zu bleiben – und diese fehlt oft.“

Schaut man in die aktuelle Liste der Lieferengpässe, taucht als Grund immer wieder „verstärkte Nachfrage“ auf, so auch bei dem jetzigen Lieferengpass von Azithromycin. Zumindest für Doxycyclin soll nun, wie schon für das ebenfalls von einem Lieferengpass betroffene Salbutamol, aus dem Ausland beschaffte Ware das Problem lindern.

Es stellt sich die Frage, wann die deutsche Politik den Ernst der Lage begreift. Der Lieferengpass für Azithromycin, eins der wichtigsten Antibiotika, sollte Grund genug zum Handeln sein. Auch der Vorstand der Vertretung HIV-kompetenter Apotheken (DAHKA), Erik Tenberken, warnt: „Wir zehren von Vorräten und kratzen Restbestände zusammen – lange geht das nicht mehr gut.“

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/alternativen-fuer-azithromycin-149537/
https://www.aidshilfe.de/meldung/antibiotikamangel-geschlechtskrankheiten-doxycyclin-azithromycin
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/08/27/doxycyclin-in-auslaendischer-aufmachung-ab-1-september
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/07/15/sexuell-uebertragbare-infektionen-doxycyclin-und-azithromycin-werden-knapp
https://www.progenerika.de/news/engpass-bei-doxycyclin-und-azithromycin/

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