Adhäsionsprotein
ÜBER DIE SUPERKLEBEKRAFT VON CANDIDA AURIS
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Er trägt längst das Prädikat „multiresistent“: Candida auris sorgt immer wieder für gefährliche Krankenhausinfektionen. Entdeckt wurde der krankmachende Hefepilz erstmals 2009 im Gehörgang einer japanischen Patientin, bei der er für eine Ohrenentzündung gesorgt hatte. Der Name „auris“ stammt vom lateinischen Namen für Ohr. Während er für gesunde Menschen unbedenklich ist, verursacht der Pilz bei Immungeschwächten lebensbedrohliche Infektionen. Denn über die Blutbahn kann er sich dann in weiten Teilen des Körpers ausbreiten und innere Organe schädigen.
Darüber hinaus verfügt der auf den ersten Blick einfache Pilz über eine wahre Superkraft: Er haftet außergewöhnlich gut an Oberflächen aller Art. Sogar manches Desinfektionsmittel macht ihm nichts aus. Und so wird der kleine Pilz dann eben doch von gewöhnlich zu gefährlich.
Er klebt und klebt und klebt
Ein Team um Darian Santana von der University of Michigan wollte herausfinden, worin die Superklebekraft von Candida auris besteht. Das Forscherteam untersuchte dazu zunächst die üblichen Adhäsionsproteine, die bereits von anderen Hefepilzen und Bakterien bekannt sind und die sie dazu befähigen, an allem Möglichen zu kleben. Mit gentechnischen Methoden lösten Santana und Kollegen jedes einzelne Protein heraus, identifizierten und katalogisierten es. Jede Mutante wurde auf ihre Klebekraft getestet.
Elf von zwölf Adhäsionsproteinen konnten die Wissenschaftler entfernen, ohne dass sich die Haftkraft von Candida auris auch nur ein bisschen verringerte. Also musste das zwölfte dafür verantwortlich sein. Es hatte den Namen IFF4109 und sorgte durch seine Entfernung zumindest dafür, dass C. auris weniger klebte – wenn auch nur in ganz geringem Maße. Das war also auch nicht des Rätsels Lösung.
Neues Adhäsin entdeckt: der Surface Colonization Factor
Die Forscher suchten unverdrossen weiter. Des Rätsels Lösung bestand in einem neuartigen Adhäsin, dem man den Namen „Surface Colonization Factor“ (SCF1) gab. Anders als die bisher bekannten Pilzadhäsine, die nur mit Hilfe von vergleichsweise schwachen hydrophoben Wechselwirkungen haften, bildet SCF1 besonders starke Bindungen: sogenannte Kationen-Pi-Bindungen.
Einen Großteil der Literatur über diese Art von Bindungen in der Natur stamme von Menschen, die versuchen, einen Klebstoff zu entwickeln, der unter Wasser haftet, erklärt Kollegin Teresa O’Meara. Tatsächlich ähnelt die Superhaftkraft von SCF1 der von Muscheln und Seepocken. „In der Natur wurde Candida auris in küstennahen Feuchtgebieten der Andamanen und aus einer kolumbianischen Flussmündung isoliert“, erläutert das Forscherteam. „Das lässt auf einen ursprünglich marinen Lebensraum schließen.“
SCF1 ist besonders klebrig und ansteckungsfreudig
Experimente mit Mäusen, Ratten und menschlicher Haut wiesen nach, dass SCF1 tatsächlich für unwiderstehliche Klebkraft und auch die Virulenz (Ansteckungsfähigkeit) verantwortlich ist. Infizierten die Wissenschaftler immungeschwächte Mäuse intravenös mit dem Pilz, zeigten sich innerhalb einer Woche gravierende Schäden an Herz und Nieren. Mutanten des Pilzes ohne SCF1 schädigten die Organe dagegen deutlich weniger. Sämtliche Mäuse, die mit der virulenten Variante von Candida auris infiziert wurden, starben innerhalb von zehn Tagen. Von den Tieren, die mit einer Mutante ohne SCF1 infiziert wurden, lebten dagegen acht von zehn noch nach drei Wochen.
„Bisher wissen wir nicht, warum dieses Adhäsin erforderlich ist, um Krankheiten zu verursachen“, sagt O’Meara. „Möglicherweise ist es für die Anheftung an Blutgefäße notwendig. Oder vielleicht verändert es die Wirts-Rezeptor-Interaktionen, wie es bei dem verwandten Pilz Candida albicans der Fall ist. Aber das wissen wir in diesem Fall noch nicht.“
Es soll also weiter geforscht werden an der Beziehung zwischen Candida auris und SCF1. Daraus könnten sich dann neue Ansätze für eine gezielte Therapie gegen die Multiresistenz dieser Pilzerkrankung ergeben.
Quelle: www.wissenschaft.de