Tierversuche
TABAKSCHWÄRMER HELFEN BEIM VERSTÄNDNIS ENTZÜNDLICHER PROZESSE
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Die kleinen Falter, deren Raupen übrigens auch die Blätter anderer Nachtschattengewächse wie Tomaten oder Auberginen vertilgen, sind schon seit längerem interessant für die medizinische Forschung. Denn sie sind einfach zu züchten, ihre Organe leicht zu präparieren und im Vergleich zu traditionellen Labortieren wie beispielsweise Ratten sind Versuche an ihnen mit weniger Belastungen für die Tiere verbunden.
Die Larven der Tabakschwärmer können an ähnlichen Erkrankungen leiden wie wir Menschen – etwa dreiviertel aller krankheitsauslösenden Gene sind sowohl bei den Insekten als auch bei uns vorhanden.
Chronischen Magen-Darm-Krankheiten auf der Spur
Ein internationales Team um Dr. Anton Windfelder vom Gießener Institutsteil Bioressourcen des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME und der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) untersucht die Raupen im Hinblick auf das Verständnis zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. So können neue Therapien entwickelt und auch direkt getestet werden – in kurzer Zeit an vielen Tieren. Bis zu 100 Tiere können innerhalb weniger Sekunden im CT (Computertomografie) untersucht werden. Die Tiere werden betäubt und leben nach der Untersuchung unbeschadet weiter.
„Entzündungen des Magen-Darmtrakts gehören zu den häufigsten Erkrankungen weltweit und chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie beispielsweise Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sind global auf dem Vormarsch“, sagt Dr. Windfelder. „Das Immunsystem des Darms und die Struktur des Darmepithels der Tabakschwärmerlarven sind mit denen von Säugetieren vergleichbar. Im Unterschied zu anderen Insekten wie etwa der Taufliege Drosophila sind die Raupen des Tabakschwärmers jedoch groß genug für die medizinische Bildgebung“.
Insekten erfolgreich in der präklinischen Forschung
Die Forschenden schufen in Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Partnern eine innovative Bildgebungsplattform, auf der ihre Ergebnisse gesammelt werden können. „Wir nutzen bildgebende Verfahren aus der Radiologie und Nuklearmedizin und können mittels Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und Positronen-Emissions-Tomografie (PET) eine Entzündung im Darm der Tiere zielgenau diagnostizieren“, sagt die ebenfalls an der Studie beteiligte Medizinerin Prof. Dr. Gabriele Krombach, Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Gießen. Dabei können die gleichen Kontrastmittel und Marker verwendet werden wie beim Menschen auch – dies erhöht die Vergleichbarkeit in der Diagnostik-Forschung. Auch den Erfolg therapeutischer Maßnahmen kann man hier sehen, so reagieren die Falter in akuten Phasen (Schüben) ähnlich gut auf Cortison-Gaben.
Müssen also bald keine Kleinsäuger mehr dran glauben? „Natürlich können Insekten Mäuse und Ratten nicht vollständig ersetzen“, ergänzt der ebenfalls an der Studie beteilige renommierte Zoologe Prof. Dr. Andreas Vilcinskas, Leiter des Fraunhofer IME in Gießen und des Instituts für Insektenbiotechnologie an der JLU. „Erkenntnisse aus der Zellkultur lassen sich oft nicht im lebenden Tier reproduzieren. Genau hier könnten Versuche mit Insekten wie dem Tabakschwärmer weiterhelfen, um vielversprechende neue Wirkstoffe und Therapien auszuwählen, die dann in traditionellen Modellen weiter evaluiert werden“. Das würde nicht nur Tierschützer freuen, es könnte die Forschung auch beschleunigen und wäre deutlich kostengünstiger.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft