Rezeptur – Mischen possible
ZUM IN DIE HAARE SCHMIEREN – KOPFÖL IN DER REZEPTUR
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Die Haut ist mit eineinhalb bis zwei Quadratmeter unser größtes Organ und mit bis zu vierzehn Kilo das schwerste. Diese, unsere äußerste Hülle, schützt den weichen Kern und bedarf häufig selbst Schutz. Allzu oft nehmen wir zu wenig Rücksicht auf unsere Haut und strapazieren sie über die Maßen hinaus. Als erstes fallen mir da die Hände ein, sie sind, neben dem Gesicht, den meisten Umwelteinflüssen ausgesetzt. Aber welche Stelle wird oft vergessen? Die Kopfhaut!
Diese wird auch, manchmal täglich, strapaziert und an ihre Grenzen gebracht: zu viel Waschen, zu heißes und langes Föhnen, zu häufiges Haarefärben, oder die täglich verwendeten Styling-Produkte. Leider kann man sich selbst schlecht auf den Kopf schauen, sonst würden wir mit dieser Haut sicher auch etwas sorgsamer umgehen und Veränderungen schneller feststellen. Juckreiz, Entzündungen und Schuppungen können unschönen Folgen einer strapazierten Kopfhaut sein.
Arzt, hilf! – die rettende Rezeptur
Der Hautarzt in der Nähe unserer Apotheke verordnet in solchen Fällen häufig ein Kopföl und spricht eine Empfehlung für ein medizinisches Kopföl aus. Betrachten wir die Rezeptur etwas genauer:
- Salicylsäure (gepulvert) 3,00 Gramm (g)
- Bethametason-17- valerat (mikrofein gepulvert) 0,100 g
- Rizinusöl, raffiniertes 48,45 g
- Olivenöl, natives zu 100,00 g
Aufgetragen werden soll diese Zubereitung auf die behaarte Kopfhaut und über Nacht einwirken. Am nächsten Tag Haare waschen, entweder mit dem empfohlenen medizinischen Shampoo oder einem anderen milden Shampoo. Dieses sollte am besten parfümfrei sein, somit eignet sich nicht unbedingt Babyshampoo.
Die Inhaltsstoffe – was können sie?
Die im Kopföl enthaltene Salicylsäure dient zum Ablösen hartnäckiger Schuppen und sorgt für eine glatte und ebenmäßige Kopfhaut. Dadurch finden sich weniger peinliche Hautschüppchen auf Kragen und Schultern. Außerdem wirkt sie antiphlogistisch (entzündungshemmend) und auch ein wenig fungizid (pilzabtötend).
Jetzt könnte der Einwand kommen, drei Prozent reichen doch nicht für eine Keratolyse (Erweichung der Keratinschicht). Allerdings wird dieses Kopföl auf eine Fläche von ungefähr 600 bis 700 Quadratzentimetern aufgetragen, das gilt als großflächige Anwendung, bei der nennenswerte Mengen resorbiert werden können. Und hierbei sind die obere Richtkonzentration für Salicylsäure eben diese drei Prozent.
Betamethason-17-valerat ist ein Glucocorticoid, man sagt auch einfach „ein Cortison“. Es wirkt gegen die akute Entzündung, eventuelle Schwellungen und reduziert den Juckreiz. Auch hier bewegen wir uns im Bereich der oberen Konzentrationen. Salicylsäure und Cortisone werden häufig in Kombinationen verordnet, da die Säure die Haut aufweicht und die Cortisone besser und effektiver in tiefere Hautschichten eindringen können.
Da diese Rezeptur wasserfrei ist, hat der niedrige pH-Wert der Säure keinen negativen Einfluss auf das Cortison, sonst müsste man sich wieder Gedanken um einen Grundlagenaustausch machen.
Warum Valerat?
Fragen Sie sich, ob man nicht einfach Betamethason nehmen kann statt Betamethason-17-valerat? Kann man nicht! Auch Umrechnen bringt hier nichts! Das Valerat ist der Esther des Cortisons und nur der ist lipophil genug, um nennenswert in die Haut einzudringen. Auch mit Salicylsäure. Das freie Cortison wäre wirkungslos. Sie finden das auch bei anderen Cortisonen, die auf die Haut aufgetragen werden, zum Beispiel bei Triamcinolon, das als Triamcinolonacetonid für Dermatika verwendet wird. Nur wenige Glucocorticoide wie Hydrocortison, Dexamethason und Prednisolon sind auch in der freien Form auf der Haut wirksam.
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Die Kombination macht´s
Nun zur Grundlage: Warum zwei fettige Phasen? Reich Olivenöl alleine nicht aus, oder Rizinusöl? Gerade letzteres wird doch gerne zur Haarpflege verwendet.
Es liegt an der Löslichkeit der Salicylsäure im Olivenöl. Pro 100 Milliliter (ml) lösen sich nur 2,5 g rückstandslos auf. Gibt man nun 3g der Säure ins Öl und behandelt diese Rezeptur als Suspension, fällt Salizylsäure relative schnell in Form nadelförmiger Kristalle aus.
In Rizinusöl hingegen lösen sich pro 100 ml 12,1 g Salizylsäure rückstandslos auf. Betamethason-17-valerat ist an sich wasserunlöslich und auch in mittelkettigen Triglyceriden und Paraffin schwer löslich. In Rizinusöl hingegen ist optisch nicht erkennbar, ob eine tatsächliche Lösung oder eine sehr feine Suspendierung stattgefunden hat. So geht man davon aus, dass von einer echten Lösung gesprochen werden kann.
Die Herstellung
Die Zubereitung des Kopföls erfolgt in zwei Schritten. Für den ersten benötigen wir einen Magnetrührer mit Heizfunktion und entsprechendem Rührfisch. Dann wird in ein ausreichend großes und tariertes Becherglas die Salicylsäure eingewogen und unter Erwärmen in Rizinusöl gelöst. Natürlich muss bei den pulvrigen Bestandteilen der Korrekturfaktor berücksichtigt werden.
Rizinusöl beginnt sich erst bei einer Temperatur oberhalb 250 Grad Celsius (°C) zu zersetzen, Olivenöl hingegen ab 180 °C. Zum Lösen der Wirkstoffe reichen allerdings ungefähr 80 bis 95 °C bei weitem aus. Bei den meisten Magnetrührern mit Heizplatte lässt sich die genaue Temperatur nur mit Hilfe eines Thermometers bestimmen.
Hat sich die Salicylsäure weitgehend gelöst, wird das Cortison dazugegeben und solange homogenisiert bis in dem dickflüssigen transparenten Öl keine Schwebeteilchen mehr zu finden sind.
Gerne lagern sich kleine Reste am Rührfisch ab oder am Glasrand. Zur Beseitigung kann ein Glasstab zu Hilfe genommen werden. Währenddessen kann die Temperatur nach unten reguliert werden, damit der Ansatz bereits abkühlen kann. Obwohl wir wissen, das Olivenöl hitzebeständiger ist als gedacht, geht man doch sensibler mit ihm um.
Außerdem muss bedacht werden, dass die Rezeptur so weit abgekühlt sein muss, dass sich der Kunde bei der Übergabe nicht die Finger verbrennt. Außerdem entsteht beim Abkühlen ein Vakuum im Gefäß, ähnlich wie beim Einkochen, welches dafür sorgen kann, dass es schwer zu öffnen ist.
Ist die erste Phase etwas abgekühlt und alle Bestandteile sind gelöst, wird das Olivenöl hinzu gegeben. Das Endergebnis ist ein klares grünliches Ölgemisch mit charakteristischem Geruch nach Olivenöl.
Meist erfolgt die Abgabe in einer Pipetten-Flasche, damit die Lösung möglichst direkt auf die Kopfhaut aufgetragen werden kann. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Gummianteile der Pipette als „ölfest“ deklariert sind, sonst könnte es für den Kunden eine unschöne Überraschung geben, wenn die Pipette verklebt.
Haltbarkeit
Prinzipiell kann von einer Haltbarkeit von einem halben Jahr ausgegangen werden, da wir aber nicht genau wissen, wie der Kunde seine Rezeptur lagert und wie er damit umgeht, haben wir die Haltbarkeit auf vier Monate reduziert. Auch aus dem Grund, da die Pipette bei jeder Anwendung Hautkontakt hat und somit unweigerlich eine Kontamination stattfindet. Ein Konservierungsmittel benötigt die Rezeptur jedoch nicht, denn es ist ja eine wasserfreie Zubereitung, also kein geeigneter Nährboden für Mikroorganismen.
Als kleine Perfektionierung dieser Rezeptur könnte man ihr noch Macrogol-4-laurylether zusetzten, ein Tensid, welches das Auswaschen aus dem Haar am nächsten Tag erleichtert. Es geht aber auch so, denn die Ricinolsäure des Rizinusöls enthält im Gegensatz zu den meisten anderen Fettsäuren eine OH-Gruppe, die eine gewissen Hydrophilie bewirkt.
Des Weiteren geben wir den Hinweis, wenn in vier Wochen keine deutliche Verbesserung eingetreten ist, noch einmal Kontakt mit dem Arzt aufzunehmen. Meistens liegt aber auch schon ein Folgetermin vor.
Quellen:
https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=haut
Andreas S.Ziegler: „Wirkstoffe in der Rezeptur“, Deutscher Apotheker Verlag
https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Salicylsaeure_608
https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Betamethason_79