Rezeptur – Mischen possible
VON ALLEM ETWAS? WIE MAN IMPLAUSIBLE REZEPTUREN ERKENNT UND MIT IHNEN UMGEHT
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Wenn wir ehrlich sind, mögen wir es doch alle bequem und unkompliziert. Dazu gehört manchmal auch, sich nicht entscheiden zu müssen; das gilt beim Einkaufen, Essen und manchmal bei der Jobauswahl. Wenn von allem etwas dabei ist; wird irgendetwas schon den gewünschten Effekt bringen.
Doch wie sieht es bei der Gesundheit aus? Nun, manchmal müssen wir in der Apotheke Abstand davon nehmen. Ich spreche von sogenannten „Irgendwas-wird-schon-helfen“-Rezepturen. Jenen Rezepturen, die eben von allem etwas enthalten: etwas Cortison, etwas gegen Pilze, ein Antibiotikum und am besten noch zwei unterschiedliche Grundlagen, damit die Pflege der Haut nicht zu kurz kommt.
Kombination um jeden Preis?
Der Arzt möchte seine Rezeptur möglichst anwenderfreundlich gestalten. Denn es wurde beobachtet, dass die Akzeptanz der meisten Anwender sinkt, je aufwendiger ein Pflegeritual bei Hauterkrankungen ist. Vor allem bei solchen Anwendern, die Hautpflege ohnehin für nicht besonders nützlich und sinnvoll halten. Außerdem kostet jede einzelne Rezeptur den Kunden mindestens fünf Euro Zuzahlung.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin nicht grundsätzlich gegen mehrere Wirkstoffe in einer Rezeptur. Vieles davon ist ja auch sinnvoll. Nur muss bedacht werden, je mehr Wirkstoffe, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass diese sich untereinander stören und beeinflussen. Sind die Bestandteile inkompatibel, ist eine verordnete Rezeptur nicht herstellbar.
Implausible Rezepturen
Manchmal fällt schon direkt, wenn man die Zusammensetzung sieht, auf, dass eine Rezeptur nicht plausibel ist. Manchmal entdeckt man es aber auch erst während oder nach der Herstellung, weil zum Beispiel die Emulsion gebrochen oder eine Lösung ausgeflockt ist.
Plausibilitätsprüfung im hektischen Apothekenalltag
Im Idealfall soll eine Rezeptur natürlich auf Plausibilität überprüft werden bevor sie hergestellt wird, aber mal ehrlich, wer hat nicht schon einfach losgelegt und dann erst festgestellt, dass es so nicht geht? Bei uns ist das so: Die Kollegen aus der Offizin kommen in die Rezeptur, halten uns ein Rezept unter die Nase und wollen eine Uhrzeit wissen, wann der Kunde wiederkommen kann. Wir überschlagen kurz den Aufwand, prüfen die Vorräte und legen die Abholzeit fest.
Manchmal fällt da schon auf, dass es Unstimmigkeiten gibt, aber eben nicht immer. Letzteres passiert natürlich gern mittwochmittags oder vor dem Wochenende; also wenn der verschreibende Arzt nicht zu erreichen ist, aber der Kunde trotzdem versorgt werden muss. Oder auch, wenn ein Kunde die Rezeptur in einer Filiale bestellt hat und die dortigen Kollegen sie nicht selbst herstellen können.
Mehr aus der Serie "Rezeptur – Mischen possible":
Abendlicher Problemfall
Von solch einer Situation möchte ich heute berichten. Es ist Dienstagabend, kurz vor meinem Dienstende und folgende Rezeptur kommt per Fax aus einer unsere Filialen:
Verordnete Rezeptur
Tetracyclinhydrochlorid 0,2 Gramm (g)
Nystatin 1000000 internationale Einheiten (I.E.)
weiche Zinkpaste DAB (Deutsches Arzneibuch) 4,0 g
Prednisolon 0,04 g
in Basiscreme DAC zu 20,0 g
Problem und Ideen zur Lösung
Beim Anschauen war mir schon so, als würde irgendetwas Probleme machen, aber ich konnte es nicht greifen. Die Ahnung bestätigte sich dann, als ich die Rezeptur anfing, in das Rezepturprogramm einzutragen. Das Antibiotikum Tetrazyklinhydrochlorid und weiche Zinkpaste DAB sind nicht kompatibel, dürfen also nicht gemeinsam verarbeitet werden. Was tun? Eigentlich den Arzt anrufen, aber es ist Dienstagabend. Zum Glück hatten wir noch etwas Zeit, da der Bote die Rezeptur erst am Mittwochnachmittag zum Kunden bringen würde.
Aber ich wollte trotzdem meiner Kollegin, die mittwochs Rezeptur-Dienst hat, schon etwas Arbeit abnehmen. Ich hatte da so eine Idee, man könnte doch die Zinkpaste extra abfüllen und dann überprüfen, ob der Rest zusammen plausibel sei. Ich hab der Kollegin meine Beobachtungen notiert, mit dem Hinweis, bitte noch einmal Rücksprache mit unserer Rezepturapothekerin zu halten, ob meine Ideen so umsetzbar sind. Leider, wenn ich das so sagen darf, war der Mittwoch sehr kundenreich und auch bei dem Arzt, der die Rezeptur verordnet hatte, war kein Durchkommen.
Beobachtungen bei der Herstellung
Meine Kollegin hat dann die Rezeptur ohne Zinkpaste hergestellt (und diese in eine separate Kruke abgefüllt), berichtete aber später, dass die restlichen Bestandteile Nystatin, Tetracyclinhydrochlorid und Prednisolon die Basiscreme DAC flüssiger werden ließen, als es ihr lieb war. Das bedeutet, irgendetwas musste noch optimiert werden.
Die erste Herstellung erfolgte im vollautomatischem Rührsytem. Bei der zweiten Herstellung wählte sie die Zubereitung in der Fantaschale. Die Konsistenz war deutlich besser und wir konnten die Rezeptur an den Boten übergeben. Die Kollegin legte noch eine Erklärung dazu, warum der Kunde nun zwei Kruken bekommt, eine mit Zinkpaste und eine mit den restlichen Bestandteilen der Verordnung. Außerdem den Hinweis, beide Zubereitungen abwechselnd zu verwenden.
Homeoffice mal anders
Nachdem ich mir das Ganze für diesen Artikel noch einmal zu Gemüte geführt habe, bin ich mir sicher, dass nicht nur die Zinkpaste das Problem gewesen ist, auch das Antibiotikum hat so seine Haken und Ösen. Folgende Kombinationen wären auch möglich und eventuell sinnvoller gewesen:
- Nystatin in Zinkpaste einarbeiten und
- als zweite Rezeptur Antibiotikum und Cortison mit einer passenderen Grundlage als Basiscreme DAC kombinieren.
Basiscreme ist vielleicht die am häufigsten verwendete Grundlage, aber nicht eben immer die beste. Für die Wirkstoffe Prednisolon und Tetracyclinhydrochlorid hätten wir besser Anionische hydrophile Creme SR DAC wählen sollen.
Manchmal lösen sich auch Rezepturherausforderungen mit etwas Abstand und wenn das Problem noch einmal ganz neu betrachtet und beleuchtet wird. Nur leider bleibt im laufenden Betrieb oft gar nicht genug Zeit, um die Dinge so gründlich unter die Lupe zu nehmen. Oder vielleicht nehmen wir uns die Zeit auch nicht, weil wir denken, alles müsse schnell gehen.
Lasst uns auch unter Zeitdruck nicht vergessen, egal ob in der Rezeptur oder im Handverkauf, wir halten mit das höchste Gut des Menschen in Händen, seine Gesundheit.
Quelle:
Aporello Andreas S. Ziegler: „Wirkstoffe in der Rezeptur“, Deutscher Apotheker Verlag, 2. Auflage