Rezeptur – Mischen possible
OVULA – TOTGEGLAUBT, ABER QUICKLEBENDIG
Seite 1/1 8 Minuten
Ich dachte lange, Zäpfchen seien die einzige Arzneiform, die wir in der Rezeptur noch gießen würden; aber nein, seit einiger Zeit kommen auch immer wieder Ovula vor - erst selten, jetzt regelmäßig. Eigentlich sollte man meinen, in der modernen Pharmazie gibt es für jede Art von Erkrankung, Beschwerden und Unwohlsein die passenden Fertigarzneimittel. Aber ab und zu scheint dies nicht der Fall zu sein und mit den gefühlt immer häufiger werdenden Lieferengpässen nimmt die Herstellung von speziellen Applikationsarten in der Rezeptur zu. Wie bereits erwähnt, stellen wir deshalb immer häufiger auch Ovula her.
Im Moment gehören zu den Zusammensetzungen, die wir in regelmäßigen Abständen herstellen, reine Vitamin D3-Ovula und die Kombination Vitamin D3 mit Progesteron. Zum Glück sind diese nicht so mit Vorsicht zu behandeln wie die Tacrolimus-Zäpfchen (Stichwort CMR-Stoff), aber im Aufwand stehen sie diesen in nichts nach.. Wir hatten Glück und konnten auf alte Unterlagen zurückgreifen, da sowohl die Rezepturen als auch die Ovula-Gießform die gleichen geblieben sind. Wir haben nur nochmal die alten Herstellungsvorschriften nachgerechnet, um eventuelle Fehlern aus dem Weg zu räumen, aber wir brauchten die Gießform nicht noch einmal zu eichen.
Ovula gießen: Metall- oder Einmalgießform?
Wir verwenden im Moment noch eine Gießform aus Metall mit 24 Ovula à 3 Gramm (g), allerdings überlegen wir schon, auf Einmalgießformen umzusteigen. Zwei Vorteile hätten diese:
- Man spart sich das einzelne Einpacken der Ovula in Aluminiumfolie.
- Wenn mehr als 24 Ovula benötigt werden, fällt die mitunter lange Aushärtungszeit weg.
In letzter Zeit werden häufiger 48 oder mehr Ovula verordnet, die die Kundinnen auch gerne auf einmal abholen möchten, da sie von außerhalb kommen und somit den Aufwand möglichst gering halten wollen. Da die Metallformen nur langsam abkühlen, schafft man nicht immer zwei Ansätze an einem Tag. Schließlich sind ja auch noch andere Rezepturen anzufertigen oder das Rezepturteam muss die Kollegen und Kolleginnen im Handverkauf unterstützen.
Auch die Außentemperatur spielt eine Rolle, zwar können fast vollständig abgekühlte Formen auch in den Kühlschrank gestellt werden, allerdings kann es da trotz aller Vorsicht vorkommen, dass einzelne Ovula spröde werden und reißen oder wie gesprungenes Glas aussehen und beim aus der Form nehmen regelrecht zersplittern. Wenn das passiert, war die Mühe umsonst und man muss von vorne anfangen. Manche Dinge muss man mal gemacht haben, um dann festzustellen, dass sich in Geduld üben manchmal die besser Variante ist. Aus diesem Grund empfehle ich, Zäpfchen und Ovula grundsätzlich bei Raumtemperatur aushärten zu lassen.
Vitamin D3-Ovula
Als erste Rezeptur möchte ich nun die reinen Vitamin D3-Ovula besprechen. Auf dem Rezept ist Folgendes verordnet:
Vigantol 7500 I.E.
Neutralöl q.s,
Hartfett q.s.
12 Ovula
Da wir hierfür das Rad nicht neu erfinden müssen, werfen wir einen Blick in unsere Rezeptur-Sammlung, die noch Rezepturen enthält, die älter als unser EDV-Rezepturprogramm sind. Außerdem nehmen wir das Neue Rezeptur-Formularium (NRF) zur Hand - in beiden Nachschlagewerken werden wir fündig.
Im NRF finden wir eine genaue Herstellungsanweisung zu unserer Verordnung. Zwar hat sie keine NRF-Nummer (wie beispielsweise Hydrophile Erythromycin-Creme mit Metronidazol NRF 11.138). Aber es zeigt, dass die Experten der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) sich schon einmal Gedanken gemacht und diese Rezeptur für so sinnvoll gehalten haben, dass sie hier Einzug gehalten hat. Für solche Recherchen ist die Online-Variante des NRF perfekt, da man hier nach einzelnen Begriffen suchen kann. Im Rezepturenfinder erhält man dann wertvolle Tipps, wie zum Beispiel, dass man am besten eine Drei-Gramm-Form verwendet, weil alle kleineren Ovula zu weich werden und sich schlecht verpacken lassen. Oder, dass man das Vitamin D3-Öl nicht zu stark erwärmen darf, sonst verändert es sich chemisch.
Vitamin D3-Ovula herstellen
Kommen wir jetzt endlich zur Herstellung. Grundsätzlich kann man entweder die Fantaschale im Wasserbad oder ein Becherglas auf einem Magnetrührer mit Heizfunktion verwenden. Für diese Rezeptur bevorzuge ich das Becherglas, da sich alles gut miteinander und ineinander löst und ich es so direkt ausgießen kann. Die Empfehlung ist, mit einem Überschuss von zehn Prozent zu rechnen, aufgrund von Verlust im Becherglas und auch, damit genug übrig bleibt um die Form übervoll ausgießen zu können.
Als erstes wird die Ovula-Gießform zerlegt und jede Höhlung mit Neutralöl benetzt, dann wieder ordentlich und in richtiger Reihenfolge zusammen gebaut. Anschließend wird ein ausreichend großes Becherglas tariert und die Bestandteile eingewogen. Laut NRF entsprechen 7.500 Internationale Einheiten (I.E.) 4,5 Millilitern (ml) Vigantol® Öl. Also nehmen wir eine Spritze zu Hilfe und messen die entsprechende Menge ab – das sind 4,95 ml, wenn wir den zehnprozentigen Aufschlag beachten. Die gleiche Menge entnehmen wir an Neutralöl, dies macht die Ovula etwas flexibler und sorgt für ein besseres Herauslösen aus der Form. Das NRF empfiehlt Hartfett W25 (Hydroxylzahl 20-30) zu verwenden, für unsere Rezeptur brauchen wir eine Gesamtmasse von 12 x 3 g = 36g, mit Aufschlag 39,6 g.
Alle Bestandteile erwärmen wir unter Rühren und, wenn die Klarschmelze erreicht ist, gießen sie zügig in die Form aus. Und zwar so, dass über jedem Ovulum eine kleine Haube der Schmelze stehen bleibt. Es kommt während des Abkühlens zu einer Volumenkontraktion und wenn zu wenig Überschuss gegeben wird, muss nachgegossen werden, was die weitere Verarbeitung in die Länge zieht.
Ovula verpacken
Sind die Ovula abgekühlt, sind sie nicht mehr transparent, sondern weißlich opak. Jetzt wird der Überschuss abgeschabt, die Form behutsam auseinandergenommen und die Ovula herausgelöst. Hierbei sollte man sie nicht zulange in Händen halten, da sie schnell schmelzen. Am besten schon vorher die Alu-Folien Zuschnitte vorbereiten, damit danach alles zügig vonstattengeht. Wenn jedes Ovulum in Alu-Folie eingehüllt ist, kommt alles in eine ausreichend große Kruke, wird entsprechend etikettiert und zur Abholung bereit gestellt.
Wenn man, wie ich, neugierig ist und wissen will, wofür Vitamin D3-Ovula gut sein sollen, bekommt seinen Wissendurst auch im NRF gestillt. Man verspricht sich von der Applikation, dass sich chronisch therapieresistente bakterielle Kolpitiden (eine Entzündung der Scheide, ausgelöst durch Bakterien, Pilze oder andere Erreger) und Zervizitiden (Entzündung des Gebärmutterhalses) bessern. Studien gibt es nicht darüber, dies sind reine Beobachtungen von Gynäkologen.
Ovula mit Progesteron und Vitamin D3
Kommen wir nun zur zweiten Ovula-Rezeptur, die uns mit größeren Abständen immer mal wieder heimsucht: Progesteron mit Vigantol® Öl in Hartfett. Pro Ovulum sollen 90 Milligramm (mg) Progesteron und 0,24 Gramm Vigantol® Öl enthalten sein. Als Grundlage kommt Hartfett W25 (Hydroxylzahl 20-30) zum Einsatz. Nun kommt die kleine Herausforderung: Der Arzt möchte gerne 50 Ovula hergestellt haben, also drei Ansätze.
Am NRF orientieren?
Man könnte nun diskutieren, ob man sich nicht lieber an der NRF-Herstellungsvorschrift zu Progesteron-Vaginalzäpfchen orientieren sollte, da es hierfür geprüfte Vorschriften im NRF gibt: NRF 25.1. oder NRF 25.5. Hierbei handelt es sich um Rezepturen mit 25 bis 400 mg Progesteron, und als Grundlage wird Hartfett (Hydroxylzahl < 15) verwendet, außerdem Einmalgießformen mit einem oder zwei Gramm. Durch die Kombination mit dem Vigantol® Öl würden die Ovula jedoch zu weich werden, die Entnahme aus der Kunststoff-Verpackung ist ohne Zerdrücken nicht möglich. Also bleibt nur die Drei-Gramm-Ovula-Gießform übrig. Auch hier werden die einzelnen Ovula zum Schluss in Alu-Folie eingepackt.
NRF 25.1. Progesteron Vaginalzäpfchen 25 mg
Progesteron 0,025 g
Macrogolgrundlage zu 2,57 g
Packmittel Einmalgießfolie mit einem Nennvolumen von 2 g
NRF 25.5. Progesteron Vaginalzäpfchen 100/200/400 mg
Progesteron 0,1 g/0,2 g/0,4 g
Hartfett (OH-Zahl < 15) zu 1,09 g/zu 1,1 g/zu 2,16 g
Dies gilt bei der Verwendung von Kunststoffgießformen mit 1g oder 2g Nennvolumen, bei der Verwendung von Metallgießformen ist es abhängig von der jeweiligen Form und ihrem Nennvolumen.
Ovula mit Progesteron und Vitamin D3 herstellen
Bei der Herstellung kann auch zwischen Fantaschale und Becherglas gewählt werden, ich habe beides probiert und es gibt auf beiden Seiten Vor- und Nachteile. Die Fantaschale lässt sich besser von sämtlichen Rückständen befreien, man sieht aber eventuelle Schwebeteilchen schlechter. Im Becherglas bleibt etwas mehr haften, aber hier kann die Homogenität besser überprüft werden. Deshalb beschreibe ich hier die Herstellung im Becherglas. Auch bei dieser Rezeptur empfiehlt sich mit einem Überschuss von zehn Prozent zu arbeiten. Daraus ergeben sich diese Gesamtmengen für 50 Ovula:
Progesteron 50 x 0,09 g + 10 %: 4,95 g
Vigantol® Öl 50 x 0,24 g + 10 %: 13,2 g
Hartfett ad 150 g + 10%: ad 165 g
Progesteron wird im vorgelegtem Vigantol® Öl dispergiert, dann wird mit Hartfett zur entsprechenden Endmaße von 165 g aufgefüllt. Das Ganze wird unter Rühren bis zur Klarschmelze erhitzt, nur nicht zu heiß, da sich sonst das Vigantol® Öl verändert. Zum Rühren kann entweder ein Glasstab oder ein Rührfisch verwendet werden. Die Ovula-Form wird wie oben bereits erwähnt vorbereitet und die Schmelze wird eingefüllt. Bei dieser Rezeptur kann es die Volumenkontraktion deutlich stärker ausfallen als bei reinen Vitamin D3-Ovula, somit sollten etwaige Reste auf jeden Fall aufgehoben werden. Hierfür wird nach dem ersten Aushärten mit einem festen Kartenblatt der Überschuss abgeschabt und bei Bedarf aufgeschmolzen und erneut ausgegossen. Bei der ersten Rezeptur ohne Progesteron kann dieser meist direkt verworfen werden. Die Ovula werden vorsichtig aus ihrer Form gelöst und verpackt.
Weitere Beiträge aus der Serie "Rezeptur - Mischen possible":
Verpackung und Aufbrauchsfrist
Bei beiden Rezepturen wird eine Haltbarkeit von sechs Monaten als zu verantworten angesehen, da das Viagntol® Öl nach Anbruch diese Haltbarkeit ausweist. Auch wegen des relativ niedrigen Schmelzpunkts des Hartfetts bietet sich diese Aufbrauchsfrist an.
Das einzelne Einpacken in Alu-Folie ist sinnvoll, da die Ovula schnell aneinander haften und nicht mehr ordentlich voneinander getrennt werden können. Es kam auch schon vor, dass die Kundin das Verpacken für sinnlos hielt, sie wollte die Ovula nur in einer Kruke – so bekam sie diese dann auch, mit dem Hinweis, dass die Ovula eventuell zusammenkleben. Nicht immer sind Kundenwünsche sinnvoll.
Quellen:
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=rezepturenfinderdetail&uid=1563
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=rezepturenfinderdetail&uid=504
https://flexikon.doccheck.com/de/Bakterielle_Vaginose
https://flexikon.doccheck.com/de/Zervizitis
http://www.dr-schulte-uebbing.de/inhalte/doku/comed_vitamin_d.pdf
http://www.dr-schulte-uebbing.de/inhalte/doku/natum_kolpitis.pdf