Eine Apothekenmitarbeiterin im Kittel hält eine rote Kapsel hoch.© Ridofranz / iStock / Getty Images Plus
Um Kapseln herzustellen, muss man die richtige Methode wählen.
REZEPTUR
KAPSELN

Rezeptur – Mischen possible

VERKAPSELT UND ZUGEDRÜCKT

Neben dem Beratungsgespräch im Handverkauf gehört die Rezeptur für PTA zum wichtigsten pharmazeutischen Handwerkszeug. Lea Brachwitz leitet das Rezeptur-Team der Engel Apotheke in Darmstadt. In unserer Serie „Rezeptur – Mischen possible“ gibt sie Tipps, wie Sie mit schwierigen Rezepturen umgehen können.

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Im Apothekenalltag habe ich das Gefühl, dass Allergien und Unverträglichkeiten zunehmen – ob vom Arzt diagnostiziert oder selbst vermutet. Gibt es kein Fertigarzneimittel ohne die allergieauslösende Substanz, kann eine individuelle Rezeptur das Problem lösen. Und ein weiterer Grund führt dazu, dass Kapsel-Rezepturen häufiger werden: Zum Teil gravierende Erkrankungen werden in immer früherem Alter entdeckt, was für die Betroffenen natürlich ein Segen ist. Aber viele Medikamente gibt es nicht in „Kindergröße“, es fehlen pädiatrische Darreichungsformen.

Ein paar Ausnahmen gibt es natürlich schon: Antibiotikasuspensionen, Paracetamol und Ibuprofen als Saft oder Zäpfchen, Cortisonzäpfchen oder -klistiere. Aber was ist mit Herz- und Blutdruckmedikamenten, Blutverdünnern, Antirheumatika, Antazida und Immunsupressiva?

Manche Patienten sind erst wenige Tage alt, wenn ihre Eltern die Diagnose bekommen. Für die erste Zeit werden sie natürlich durch die Kliniken versorgt, aber auch danach muss eine zuverlässige Versorgung gewährleistet sein. Da kommen wir als Apotheke vor Ort ins Spiel.

Vorab überlegen

Zunächst stellen sich einige Fragen:

  • Nach welcher Methode sollen die verordneten Kapseln hergestellt werden?
  • Welcher Kapselfüllstoff wird verwendet?
  • Liegt der gewünschte Wirkstoff als Reinstoff vor oder muss ein Fertigarzneimittel verwendet werden?
  • Ist der Gehalt zu beachten, also muss eine Salzverbindung (zum Beispiel Propranololhydrochlorid) in den reinen Stoff (Propranolol) umgerechnet werden?

Gerade, wenn schon länger keine Kapseln hergestellt wurden, sollte man genug Zeit einplanen, um die Rezeptur ausreichend zu besprechen, durchzurechnen und bei Bedarf Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt oder Klinik halten zu können. Je öfter man Kapseln herstellen kann, umso sicherer wird die Handhabe der Kapselmaschinen und man bekommt immer mehr ein Gefühl, wie viel Füllstoff man braucht und auch das Rechnen wird einem leichter von der Hand gehen. Doch jetzt erstmal zu den Herstellungsmethoden.

Im Idealfall wir das Kind erst entlassen, wenn die Eltern das Medikament mitbringen, oder sie bekommen Arzneimittel von der Klinik mit nach Hause.

Kapselfüll-Methoden

Als erstes möchte ich verschiedene Methoden der Kapselherstellung vorstellen und dann ein paar Beispiele aus unserem Rezepturalltag bringen. Auch hier gilt natürlich, jeder muss sich die Methode suchen, mit der er am besten zurechtkommt und die zur Verordnung passt.

Gravimetrische Methode

Es gibt die gravimetrische Methode, die Kalibrier- und Volumenergänzungsmethode. Bei er gravimetrischen Methode können Wirkstoff- und Füllstoffmenge an den passenden Waagen abgewogen und in der Fantaschale homogenisiert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Füllstoff mit genau definierter Schüttdichte verwendet wird, wie zum Beispiel Mannitol-Silicium Dioxid-Füllmittel Neues Rezeptur Formularium Seite 38 (NRF S.38). So hergestellt hat es eine Schüttdichte von ca. 0,5 Gramm pro Millilitern (g/ml).

Vorteil bei dieser Methode ist, dass man keine Verluste durch das Umfüllen der Pulver hat, Nachteil: Vor jeder Kapselherstellung muss der Füllstoff neu hergestellt werden.

Kalibrier- / Messzylinder-Methode

Bei der Kalibrier- oder auch Messzylindermethode wird die Menge des Füllstoffs mit Hilfe eines Messzylinders bestimmt, sie wird nochmal unterteilt in A und B, je nachdem, wie hoch der Wirkstoffgehalt ist. Diese Methode finde ich sehr aufwendig und umständlich, denn als erstes muss das Kalibriervolumen berechnet werden. Meistens werden Hartgelatinekapseln der Größe eins verwendet und da findet man das Volumen von 0,5 ml pro Kapselunterteil in der entsprechenden Literatur (DAC-Monographie K-145 „Kapselhüllen“).

Folgende Formel wird als Hilfe zur Verfügung gestellt:
V(K)= x * V(nominal)
V(K): Kalibriervolumen des Ansatzes
x: Anzahl der Kapselmenge, die in diesem Ansatz hergestellt werden sollen
V(nominal): Nennvolumen eines Kapselunterteiles, zum Beispiel 0,5 ml

Messzylindermethode A

Messzylindermethode A wird verwendet, wenn die Wirkstoffmenge mindestens die Hälfte des gesamten Volumens ausmacht. Der Wirkstoff wird in den passenden Zylinder eingefüllt und mit Füllstoff bis zum gesamten Volumen aufgefüllt. Anschließend wir das Gemisch in eine Fantaschale überführt, unter mehrmaligem Abschaben verrührt und die Kapselunterteile befüllt. Kapseln verschließen, fertig.

Messzylindermethode B

Ist die Wirkstoffmenge deutlich kleiner, sollte Methode B verwendet werden, die aber auch nochmal unterteilt werden muss, in Fall eins und zwei.

Methode B, Fall 1

Bei Fall eins ist die Wirkstoffmenge so gering, dass sie mit Füllstoff angerieben  und dann erst in den Messzylinder  überführt wird, mit anschließendem Auffüllen auf das Gesamtvolumen.

Methode B, Fall 2

Bei Fall zwei, wenn die Wirkstoffmenge größer ist, werden 25 Prozent des berechneten Füllstoffes im Messzylinder vorgelegt, Wirkstoff überführt und mit dem restlichen Füllstoff aufgefüllt. Das Pulvergemisch wird in eine glatte Reibschale überführt, homogenisiert und in die Kapselunterteile eingefüllt. Auch hier empfiehlt sich das mehrmalige Abschaben von Schale und Pistill während des Verreibens

Volumenergänzungsmethode

Die dritte Herstellungsmethode ist wahrscheinlich die geläufigste: die sogenannte Volumenergänzungsmethode. Hierbei wird der abgewogene Wirkstoff mit etwas Füllmittel angerieben, in die Kapselunterteile überführt und bis zur abschließenden Füllmenge aufgefüllt. Dann wird der Inhalt der pulvrige Inhalt der Kapseln auf ein Blatt Papier, am besten kein weißes, überführt und erneut in der Reibschale homogenisiert, in der schon der Wirkstoff angerieben wurde. Dieser Vorgang wird solange wiederholt, bis alle Kapseln plan gefüllt sind.

Hier ist leichtes Aufklopfen der Kapselmaschine gestattet, bei den beiden anderen Methoden nicht. Wenn dort Pulvergemisch übrig bleibt, muss der Ansatz verworfen  und neu gestartet werden.

Aus der Praxis

Kapselherstellung ist für viele PTA mit einer gewissen Nervosität verbunden, denn bei Rezepturen zur oralen Anwendung muss natürlich noch sorgfältiger gearbeitet werden als wir es sowieso schon tun. Gerade beim Berechnen des Wirkstoffgehaltes empfiehlt sich das Vier-Augen-Prinzip.

Wir stellen mehrmals die Woche Kapseln her, da wir eine Kinderklinik in Darmstadt haben und auch eine Pflegeeinrichtung für schwerkranke Kinder versorgen. Im Prinzip verwenden wir die Volumenergänzungsmethode, wenn aber immer die gleiche Stärke eines Medikamentes vorkommt und sich auch die Anzahl der Kapseln und die Kapselgröße nicht ändert, weiß man irgendwann, wie viel Füllstoff gebraucht wird – das  ist dann ein bisschen wie die Messzylindermethode, nur ohne Zylinder.

Gerade bei Kapseln empfiehlt sich eine sorgfältige Dokumentation, entweder man legt ein „Kapselbuch“ an, oder man verwendet ein Rezeptur- und Laborprogramm. Zum einen hat man so die Möglichkeit, nachzuschlagen, wenn die Rezeptur erneut verordnet wird: kein umständliches Rechnen und man weiß die Menge des Füllstoffs. Außerdem kann man falls ein Patient mehrere verschiedene Kapseln in der Apotheke bekommt und verschiedfarbige Kapseln verwendet werden die Kapselfarbe für jede Rezeptur hinterlegen.

Jetzt zu den versprochenen Beispielen aus unserem Rezepturalltag. Bei zwei der drei Beispiele handelt es sich um pädiatrische Zubereiten, bei der dritten um eine Herstellung ohne Füllstoff.

Propranolol-Kapseln 6 mg 200 Stück

Verwendet werden hierbei Hartgelatinekapseln der Größe eins, Propranololhydrochlorid als Rezeptursubstanz und der Kapselfüllstoff Mannitol 99,5 % Silicium Dioxid hochdispers 0,5 %.

Hier müssen zwei Ansätze hergestellt werden, denn die übliche Kapselmaschine fasst entweder 100 oder 120 Kapseln. Des Weiteren müssen wir umrechnen, da der Arzt das reine Propranolol verschreibt, der Wirkstoff aber nur als Hydrochlorid vorliegt. Hierfür kann man sich mit einem Fertigarzneimittel, zum Beispiel Propra-ratiopham® 40 mg, helfen, um nicht die molaren Massen heranziehen zu müssen: Laut Angabe auf der Packung ist der Gehalt einer Tablette 40 mg Propanololhydrochlorid, welches 35,07 mg reinem Propranolol entspricht.

Jetzt muss noch ein eventueller Korrekturfaktor berücksichtigt werden. Außerdem sieht  das Zentrallabor (ZL) bei Propranololhydrochlorid- Kapseln mit einem Gehalt zwischen zwei und sieben mg pro Kapsel einen Wirkstoffzuschlag von fünf Prozent vor. Die ausgerechnete Menge halbieren, da ja zwei Ansätze nötig sind, in die vorbereiteten Kapselunterteile überführen, auf ein Blatt Papier ausleeren, unter Abschaben homogenisieren und erneut in die Kapselunterteile überführen. Wenn alle plan gefüllt sind, Kapseln verschließen, entstauben und in Abgabegefäße verpacken.

Baclofen-Kapseln 12 mg 100 Stück

Hier verwenden wir ein Fertigarzneimittel wie Baclofen Dura® 25 mg und den bereits erwähnten Kapselfüllstoff aus Mannitol und Siliziumdioxid und ebenfalls Kapseln der Größe eins. Hier werden 48 Tabletten gemörsert, mit Füllstoff ergänzt, in Kapselunterteile überführt, fertig. Wer sich für das Mörsern der Tabletten in einem Porzellan Möser mit Pistill entscheidet, sollte diesen unbedingt mit Füllstoff vorher ausreiben, um die Poren zu verschließen und den Verlust zu minimieren.  

Acetylcystein-Kapseln 500 mg 90 Stück

Das dritte Beispiel wird ohne Mannitol-Silicium-Gemisch hergestellt.. Bei der verordneten Menge Acetylcystein (ACC) fällt direkt auf, mit Kapselgröße eins kommen wir nicht weit, also verwenden wir Kapselgröße null. Die abgewogene Menge Wirkstoff wird solange in der Reibschale oder im Mörser verrieben, bis alle 90 Kapseln plan gefüllt sind – schließlich vergrößert sich das Volumen, je stärker man verreibt. Das bedeutet, es wird verrieben, in die Kapselunterteile eingefüllt, ausgeschüttet, neu verrieben und so weiter. So lange, bis das Volumen passt.

Noch zwei abschließende Tipps: Je häufiger man sich an eine Kapselherstellung wagt, umso leichter geht sie einem von der Hand. Und je genauer die Dokumentation, umso schneller ist man beim nächsten Mal.

Quellen:
https://www.zentrallabor.com/pdf/9-Kapselherstellung_Herstellungsverfahren.pdf
https://www.apothekerkammer-bremen.de/Infos-A-Z-Rezepturen-Kapselherstellung.html?newsID=142
https://www.zentrallabor.com/pdf/4-Kapselherstellung_Wirkstoffzuschlag.pdf
Deutscher Arzneimittel Codex (DAC) / Neues Rezeptur Formularium, I.9. Kapseln (2018/6)

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