Rezeptur – Mischen possible
DAS GEHT INS AUGE – ATROPIN-TROPFEN
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Der Jahreswechsel liegt gerade erst hinter uns, hoffentlich haben wir wieder alle fünf Sinne beisammen, denn um einen davon soll es heute gehen. Um den Sinn schlechthin. Vielleicht der, auf den man am wenigsten verzichten möchte oder kann. Ehrlich gesagt würde ich auf keinen meiner Sinne gerne verzichten, allerdings ist dieser bei mir tatsächlich etwas eingeschränkt. Ich rede vom Sehen.
Im Apothekenalltag haben wir ganzjährig mit Augenproblemen zu tunGefühlt das ganze Jahr über sind diverse Allergien ein Thema. Durch immer mehr Bildschirmarbeit sind auch trockene Augen ein riesiges Problem. Beide Bereiche haben keine Altersgrenze., Auch Nebenwirkungen beziehungsweise unerwünschte Arzneimittelwirkungen können zu trockenen Augen führen.
Angeborene Augenbeschwerden
Es gibt leider auch Augenprobleme, die nicht mal eben mit ein paar Tropfen oder Tabletten behandelbar sind, denn manche sind angeboren oder manifestieren sich mit zunehmendem Alter, so wie Kurz- oder Weitsichtigkeit. Die fortschreitende Kurzsichtigkeit ist eine Erkrankung, die hauptsächlich bei heranwachsenden Kindern zu finden ist. Um zu verhindern, dass Kurzsichtigkeit fortschreitet, gibt es Atropin-Augentropfen. Je früher man die Diagnose stellt und mit der Behandlung beginnt, ein umso besseres Ergebnis verspricht man sich. Nichtsdestotrotz ist die Behandlung der Myopie, also Kurzsichtigkeit, langfristig.
Natürlich ist Kurzsichtigkeit per se keine lebensbedrohliche Erkrankung. Ein Leidensdruck besteht dennoch: Kinder verbergen selten ihren Spott und Hohn für „Brillenschlangen“ und „Vier-Augen“. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Betroffene Kinder werden häufig zusätzlich von Kopfschmerzen geplagt und sehen manchmal nicht gut genug, trotz Brille, um dem Unterricht ungestört folgen zu können Je nach Wachstumsphase kann fortschreitende Myopieauch bedeuten, dass alle paar Monate eine neue Brille fällig ist – und das geht ins Geld. Wobei man sagen muss, dass die gesetzliche Krankenkasse bei Kindern viele Kosten abfängt.
Atropin für kurzsichtige Kinder
Es gab Studien mit sechs bis zwölfjährigen Kindern, die über fünf Jahre hinweg mit niedrig konzentrierten Atropin-Augentropfen behandelt wurden. Bei 80 Prozent der Probanden schritt die Kurzsichtigkeit deutlich langsamer fort als bei der Vergleichsgruppe im gleichen Alter.
Kein Fertigarzneimittel für Kinder
Rezepturen für Atropin-Augentropfen, kommen – bilde ich mir ein – immer häufiger vor. Es kann aber auch sein, dass immer weniger Apotheken sich in der Lage sehen, solche Rezepturen herzustellen, meist weil Gerätschaften fehlen oder man so etwas schon Ewigkeiten nicht mehr hergestellt hat. Im Moment ist nur ein Fertigarzneimittel im Handel, es enthält 0,5 Prozent Atropin. In dieser Konzentration werden die Tropfen hauptsächlich zu augenärztlichen Untersuchungen des Augenhintergrundes verwendet oder bei Glaskörpereintrübungen beim Erwachsenen.
Für eine längerfristige Anwendung, zumindest bei Kindern, kaum geeignet. Des Weiteren soll das Sehvermögen der Kinder ja erhalten bleiben und nicht durch eine Weitstellung der Pupille unmöglich gemacht werden. Hier kommen wir als Apotheke wieder ins Spiel und überbrücken die Kluft zwischen Industrie, beziehungsweise den vorhanden Fertigarzneimitteln, und der benötigten Konzentration im Rahmen der Pädiatrie.
Eine Konzentration von 0,01 Prozent reicht aus, um eine fortschreitende Kurzsichtigkeit ausreichend zu verzögern. Wir stellen mittlerweile vier unterschiedliche Konzentrationen her:
- 0,01
- 0,018
- 0,02 und
- 0,025 Prozent,
sowohl in Mehrdosen- als auch in Einzeldosenbehältnissen. Im Idealfall hat man für solche Rezepturen natürlich einen Reinraum, allerdings haben diesen doch recht wenige Apotheken, wir auch nicht. Augentropfen können allerdings Keim arm hergestellt werden, mit Hilfe von Laminar-Flow, Sterilfiltern und viel Isopropanol zur Reinigung.
Atropin-Augentropfen in der Rezeptur
Doch beginnen wir am Anfang. Natürlich kann man zuerst einen Blick in das Neue Rezepturformularium (NRF) werfen. Mit der NRF-Vorschrift 15.34 wird man allerdings nicht ganz glücklich; es geht auch mit deutlich weniger Aufwand. Schauen wir uns erst einmal die NRF-Vorschrift für 100 Gramm (g) Lösung an.
Atropin-Augentropfen 0,01 Prozent NRF 15.34
Atropinsulfat-Monohydrat: 0,01g
Natriumchlorid: 0,85 g
edetathaltige Benzalkoniumchloridlösung mit pH-Wert 4,6 oder 5,5: 5,0 g
Wasser für Injektionszwecke: ad 100,0 g
Als erstes empfiehlt es sich, edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung herzustellen. Für die Atropin-Augentropfen kann man laut NRF Lösungen mit einem pH-Wert von 4,6 oder 5,5 verwenden. Schauen wir uns beide Zusammensetzungen einmal an, auch wenn wir nur eine davon verwenden. Beginnen wir mit der saureren:
edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung pH 4,6 (NRF Seite 18)
Benzalkoniumchlorid-Lösung (500 g/l) 0,197g
Natriumedetat (Dinatriumedetat-Dihydrat) 1,0 g
Wasser für Injektionszwecke ad 100,0g
Für die zweite Variante werden noch 4 g Natriumhydroxid-Lösung 0,4 Prozent dazu gegeben. Die Lauge besteht aus 0,4 g Natriumhydroxid und Wasser für Injektionszwecke zu 100,0 g. Alle drei Lösungen können im Becherglas hergestellt werden, es ist nur darauf zu achten, dass keine Schwebeteilchen zu sehen sind.
NRF-Rezeptur nicht praktikabel
Der aufmerksame Leser mag jetzt einwenden, dass wohl äußerst selten 100 g Augentropfen verordnet werden, und Recht hat er. Damit kommen wir auch zu dem Punkt, den ich bereits erwähnte: dass die Rezeptur auch einfacher anzufertigen ist. Denn je kleiner die benötigte Endmenge, desto kleiner die Mengen der einzelnen Wirk- und Hilfsstoffe. Selbst bei ruhiger Hand und perfekt justierter Analysewaage werden bei der NRF-Rezeptur die Einwaagen ungenau, vier Nachkommastellen reichen nicht mehr aus. Also was tun?
Die Lösung
Wir verdünnen das 0,5-prozentige Fertigarzneimittel. Damit entfällt das Abwiegen von Kleinstmengen. Die am häufigsten bei uns hergestellten Konzentrationen sind 0,01 Prozent und 0,025 Prozent.
War da nicht etwas mit Gefrierpunkterniedrigung und pH…?
Damit Augentropfen die Augen nicht reizen, müssen sie den gleichen osmotischen Druck (285 mOsm/kg) und einen ähnlichen pH-Wert (pH 7,3 bis 9,7) wie Tränenflüssigkeit aufweisen. Vielleicht erinnern Sie sich an die wilde Rechnerei in der PTA-Ausbildung; Osmolarität mit zum Beispiel Borsäure einstellen, pH-Wert berechnen und gegebenenfalls anpassen oder puffern, passendes Konservierungsmittel auswählen, … Die Berechnung entfällt natürlich bei einer vorgegebenen NRF-Rezeptur, aber auch in unserem Fall.
Das Fertigarzneimittel ist bereits eingestellt und plausibel.
Die Kochsalzlösung, mit der wir die Tropfen verdünnen, ist mit einem pH-Wert um 7 etwas zu sauer, das ist aber bei der geringen Abweichung und der täglichen Dosierung von nur einem Tropfen vernachlässigbar – die Tränenflüssigkeit verdünnt den Tropfen rasch.
Die Tonizität von Kochsalzlösung entspricht dem physiologischen Wert am Auge.
Als Konservierungsmittel verwenden wir die edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung, die auch das NRF für den Wirkstoff vorschlägt. Auch das Fertigarzneimittel ist mit Benzalkoniumchlorid konserviert.
Edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung auf Vorrat herstellen
Beginnen wir nun mit den Vorbereitungen. Wenn Augentropfen oder andere Rezepturen mit edetathaltiger Benzalkoniumchlorid-Stammlösung häufiger angefertigt werden, ist es sinnvoll, eine kleine Menge der Lösung bereits vorrätig zu haben. Allerdings sollte man sich an die Empfehlung des NRF halten und die Stammlösung in mehrere kleine Gefäße abfüllen, so ist sie länger haltbar und man hat sie schnell griffbereit.
Des Weiteren darf sie nicht in Pipettenflaschen lagern, da eine Reaktion mit dem Gummistöpsel nicht ausgeschlossen ist. Das NRF schlägt eine Lagerung in Fläschchen mit zum Beispiel einem Gießring vor. Nach Herstellung kann die Lösung ein Jahr gelagert werden und nach Erstentnahme noch zwei Monate. Dieses Datum ist unbedingt auf dem Fläschchen zu notieren – wie auch die Chargen der verwendeten Substanzen, so dass eine genaue Rückverfolgung immer möglich ist.
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Aseptische Herstellung: Alles muss bereit liegen
Bereiten wir jetzt den Arbeitsplatz vor. Als erstes wird der Laminar-Flow-Werkbank angestellt und mit viel Ispopropanol ausgesprüht. Das Gerät sollte mindestens dreißig Minuten vor Gebrauch leer laufen, damit sämtliche Partikel und eventueller Staub herausgeblasen sind. In dieser Zeit legt man sich alles zurecht, was gebraucht wird:
- die Stammlösung
- eine Flasche des Atropin-Augentropfen-Fertigarzneimittels
- einen Sterilfilter für wässrige Lösungen
- eine Kanüle (ausreichend lang)
- eine Lüer-Lock-Spritze mit passendem Volumen
- Becherglas und Glasstab
- Tuberkulin-Spritze
- sterile Handschuhe
- sterile Kochsalzlösung 0,9 %
- sterile Augentropfenflasche (bei uns aus Glas und einzeln eingeschweißt) oder auch Einzeldosenbehältnisse aus Polyethylen (PE). Man sollte in Erfahrung bringen, ob der Wirkstoff sich mit dem Material der Flasche verträgt – falls nicht, müsste die Aufbrauchsfrist entsprechend verkürzt werden.
Atropin-Augentropfen herstellen
Stellen wir nun fünf Milliliter (ml) Atropin-Augentropfen 0,01 Prozent her. Dafür wird das Becherglas auf der Analysenwaage tariert. Mit der Tuberkulin-Spritze entnehmen wir aus dem Fertigarzneimittel 0,1 ml und geben sie ins Becherglas. Dann folgt die edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung mit 0,245 g und schließlich wird mit steriler Kochsalzlösung 0,9 Prozent zu 5 g aufgefüllt. Nun ziehen wir mit der Lüer-Lock-Spritze die Lösung auf und legen sie kurz beiseite, denn jetzt bereiten wir das Schlachtfeld vor.
Augentropfenflaschen, sterile Handschuhe (natürlich noch in ihrer Verpackung), Sterilfilter, Kanüle und die Lüer-Lock-Spritze mit der Lösung werden mit reichlich Ispopropanol eingesprüht und unter den Laminar-Flow gelegt. Wenn man damit zurecht kommt, werden zwei Paar Handschuhe getragen: einmal die ganz unsterilen, die man in der Rezeptur sowieso trägt. , Sie werden ebenfalls mit reichlich Alkohol besprüht, von diesem Moment an bleiben die behandschuhten Hände bis zum Ende der Herstellung unter dem Laminar-Flow, denn wir wollen möglichst keimarm arbeiten. Jetzt wird die Packung der sterilen Handschuhe geöffnet und das zweite Paar übergestülpt. Mit etwas Training klappt es gut.
Dann müssen unbedingt sämtliche Luftblasen aus der Spritze entfernt werden, da man sich sonst direkt den Filter zerstört. Anschließend wird also der Sterilfilter aufgeschraubt und auf die andere Seite die Kanüle aufgesteckt. Ist dies alles geschehen, nimmt man sich Augentropfenflaschen in ihren Tütchen zur Hand, such eine nicht bedruckte Stelle auf der Folie, durchsticht diese und füllt, unter gleichmäßigem Druck, die Lösung in die Flasche ein.
Die zweite Herausforderung besteht nun darin, in dem sterilen Beutel die Flasche zu verschließen, ohne alles auszuschütten. Wenn es passiert, nicht verzagen und nochmal probieren. Deshalb für Augentropfen unbedingt immer genug Zeit einplanen, oder sich die Kontaktdaten des Kunden geben lassen und ihn verständigen, wenn seine Rezeptur zur Abholung bereit liegt. Das entspannt und gibt Ruhe in den Arbeitsablauf. Die Flasche muss nicht super fest zugeschraubt sein, aber so, dass nichts ausläuft.
Bubble-Point-Test
Wenn der Laminar-Flow wieder ausgestellt ist, kehrt Ruhe ein und der Abspann beginnt. Als erstes kontrollieren wir, ob der Filter keine Defekte hat, mit dem sogenannten Bubble-Point-Test. Hierfür nehmen wir das vorhandene Becherglas und füllen es mit Wasser. Der Filter wird von der Spritze entfernt, diese bis zur 10-ml-Markierung mit Luft befüllt und der Filter wieder aufgesetzt.
Nun versuchen, sämtliche Luft durch den Filter aus der Spritze herauszudrücken, dabei das andere Ende in das Wasser im Becherglas tauchen. Erst, wenn die Luft in der Spritze auf drei ml komprimiert ist, dürfen Luftblasen austreten. Geschieht das früher, ist der Filter defekt und die Augentropfen müssen noch einmal in ein neues Gefäß filtriert werden. Meistens tritt dieses Problem jedoch eher bei öligen Augentropfen auf – aber davon ein anderes Mal.
Aufbrauchsfrist festlegen
Dann räumen wir das Schlachtfeld auf, befreien die Augentropfenflasche aus ihrer Tüte, drehen sie endgültig fest zu und etikettieren sie. Bei Raumtemperatur ist für die Mehrdosenbehältnisse eine Laufzeit von vier Wochen vorgesehen. Hat man die Möglichkeit, die Augentropfen kontinuierlich bei zwei bis acht Grad Celsius zu lagern, sind auch drei Monate vertretbar. Dies hat man meistens bei Apotheken in der Nähe von Augenkliniken, also nicht verunsichern lassen, wenn ein Kunde mal solch eine Flasche mitbringt oder die kurze Haltbarkeit bemängelt. Werden Einzeldosen angefertigt, dann nur 28 Stück für 28 Tage, da mehr nicht abgerechnet werden können.
Ich gebe zu, man muss diese Abläufe tatsächlich häufiger gemacht haben, um sie im Schlaf zu beherrschen. Aber es ist machbar und man gewinnt die Dankbarkeit der Kunden, wenn sie nicht jedes Mal zurück zur Klinik müssen, sondern alles in ihrer Lieblingsapotheke bekommen. Dafür braucht man sich auch nicht zu scheuen, zu sagen, dass es etwas Zeit braucht um die Augentropfen korrekt herzustellen – der Kunde wird es danken.
Quellen:
https://augenchirurgie.clinic/behandlungen/augentropfentherapie-bei-kurzsichtigkeit
https://dacnrf3.pharmazeutische-zeitung.de/avoxa-xaveropp/dac-nrf/media/3CEB45A187F6FC531747FA3D23625501/stamm-s-18_el2016-1_2410.pdf
https://dacnrf3.pharmazeutische-zeitung.de/avoxa-xaveropp/dac-nrf/media/3CEB45A187F6FC531747FA3D23625501/ophtha-15-34_el2020-2_2757.pdf