Autoscheibe voller Pollen, auf der das Wort Pollen und ein trauriger Smiley m gemalt wurde© ScottNodine / iStock / Getty Images Plus
Pollen gehören zu den häufigsten Allergieauslösern. Knapp 15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Allergie gegen Baumpollen, Gräserpollen oder Kräuterpollen.

Repetitorium

ALLERGIEN – TEIL 3

Die meisten Kund*innen, die in der Apotheke ein Antiallergikum für die Selbstmedikation kaufen, sind Heuschnupfen- oder Hausstaubmilben-Allergiker*innen. Daher fokussiert der dritte Teil des Repetitoriums auf Behandlungsoptionen für diese Zielgruppe.

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Prinzipiell stehen verschiedene H1-Antihistaminika rezeptfrei zur Verfügung. Sie sind entweder lokal oder oral anzuwenden. Daneben können an Erwachsene auch nasale Glucocorticoide für die Selbstmedikation abgegeben werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie unter einer saisonalen allergischen Rhinitis (Heuschnupfen) leiden, die zuvor bereits ärztlich diagnostiziert wurde.

Der Mastzellstabilisator Cromoglicinsäure spielt heute kaum noch eine therapeutische Rolle. Die Substanz hat eigentlich nur noch für die Prävention eine Bedeutung oder kommt bei Personen zur Anwendung, für die andere Therapeutika nicht uneingeschränkt geeignet sind (z. B. Schwangere).

Antihistaminika

Sie werden am häufigsten eingesetzt. Sie blockieren die H1-Rezeptoren auf den Mastzellen. Damit verhindern sie die Histaminausschüttung beziehungsweise die histaminergen Effekte, die für die Allergiesymptome verantwortlich sind. Neuere Substanzen haben zudem eine entzündungshemmende Wirkung, die bei den verschiedenen Wirkstoffen unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Sowohl systemische als auch topische Antihistaminika lindern effektiv die meisten allergischen Symptome. Vorteil einer lokalen Verabreichung an Auge oder Nase ist die rasche Wirkung. Bereits innerhalb von 15 Minuten verspüren Allergiker*innen eine Erleichterung, die bis zu zwölf Stunden anhält. Zudem punkten Nasensprays und Augentropfen mit ihrem geringen Risiko für systemische Nebenwirkungen. Allergiker*innen, die bei den oralen Varianten mit Müdigkeit zu kämpfen haben, greifen daher bevorzugt zu Topika.

Topische Antihistaminika

Unter den topischen Antihistaminika haben die Substanzen Azelastin und Levocabastin in Form von Nasenspray und Augentropfen die größte Bedeutung im Handverkauf. Daneben steht Ketotifen rezeptfrei als Augentropfen zur Verfügung. Augentropfen mit Olopatadin sind kürzlich für Erwachsene aus der Verschreibungspflicht entlassen worden.

Vorteil von Azelastin, Ketotofen und Olopatadin ist ihr zusätzlicher mastzellstabilisierender Effekt sowie eine entzündungshemmende Wirkkomponente am Auge. Zubereitungen mit Azelastin können aber einen bitteren Geschmack hervorrufen. Da Levocabastin als Suspension vorliegt, ist bei Abgabe der Präparate auf das notwendige Schütteln vor Applikation hinzuweisen. Dafür sind Augentropfen und Nasensprays mit Levocabastin bereits für Kinder ab einem Jahr zugelassen. Augentropfen mit Ketotifen kann Kindern ab drei Jahren, Azelastin ab vier (Augentropfen) beziehungsweise sechs Jahren (Nasenspray) gegeben werden. Die Applikation antiallergischer Augentropfen erfolgt mindestens zweimal täglich. Bei stärkeren Beschwerden können sie bis zu viermal am Tag getropft werden.

Orale Antihistaminika

Sie erfordern lediglich eine einmal tägliche Einnahme, was für viele Anwender der ausschlaggebende Punkt bei der Auswahl eines geeigneten Antiallergikums darstellt. Daneben empfinden viele die orale Applikation als einfacher und angenehmer, sodass sie orale Antihistaminika gegenüber Nasensprays oder Augentropfen bevorzugen. Allerdings setzt ihre Wirkung deutlich später als die der topischen Vertreter ein. Die meisten Substanzen wirken erst nach 30 bis 60 Minuten, bei Loratadin dauert es sogar ein bis drei Stunden, da es als Prodrug zuvor in der Leber zur Wirkform Desloratadin umgewandelt werden muss.

Die systemischen Vertreter sind aber insbesondere für die Allergiker*innen geeignet, die unter allgemeiner Abgeschlagenheit, Konzentrationsmangel und Müdigkeit leiden, da sich ihre Wirkung nicht nur auf Nase und Auge beschränkt. Bei reiner Augensymptomatik sind sie allerdings weniger effektiv als Antihistaminika-haltige Augentropfen. Wirkstoffe zur oralen Therapie lindern vor allem nasale Symptome, wobei sie einen verstärkten Sekretfluss („laufende Nase“) besser als eine verstopfte, zugeschwollene Nase beeinflussen. Lediglich für Desloratadin sind ausgesprochene antiobstruktive Effekte beschrieben.

Nachteilig ist eine potenzielle Sedierung, wobei ihr Ausmaß unter den oralen Vertretern verschiedenartig ist. Zudem kann die Müdigkeit individuell unterschiedlich ausgeprägt sein, sodass im Einzelfall auch bei theoretisch wenig müde machenden Antihistaminika eine Beeinträchtigung beim Bedienen von Maschinen oder beim Autofahren möglich ist.

Obwohl Antihistaminika bedarfsorientiert bei akuten Symptomen eingesetzt werden können, ist eine regelmäßige Anwendung wirksamer. Das gilt gleichermaßen für systemische als auch topische Präparate. Hintergrund dafür ist, dass H1-Rezeptoren durch eine wiederholte Histamin-Stimulation immer empfindlicher werden. Zudem steigt ihre Anzahl. Diesen Mechanismus gilt es mit einer kontinuierlichen Applikation während des gesamten Zeitraums der Allergenexposition zu unterdrücken. Damit kann es bei einer ganzjährigen Allergiesymptomatik erforderlich werden, eine Dauerbehandlung durchzuführen, was aber auch möglich ist.

1. bis 3. Generation

Ältere Antihistaminika der 1. Generation wie Dimetinden oder Clemastin wirken stark sedierend, da sie gleichermaßen auf periphere und zentrale H1-Rezeptoren wirken. Zudem haben sie anticholinerge Effekte, was sich durch Mundtrockenheit äußern kann. Daher kommen sie nur noch im Ausnahmefall zum Einsatz (z. B. beim anaphylaktischen Schock) oder wenn eine sedierende Wirkung ausdrücklich erwünscht ist (z. B. nachts bei einem stark juckenden atopischen Ekzem).

Antihistaminika der 2. Generation wie Cetirizin und Loratadin wirken weder ausgeprägt sedativ noch anticholinerg, da sie die die Blut-Hirnschranke nicht oder nur in geringem Maß passieren können und eine höhere Spezifität für periphere H1-Rezeptoren aufweisen. Vergleicht man die beiden Antihistaminika, schneidet Loratadin hinsichtlich eines möglichen Sedierungspotenzials etwas besser als Cetirizin ab. Ansonsten zeigen beide Substanzen kaum klinisch signifikante Unterschiede und sind bei systemischer Gabe effektiv gegen nasale und nicht nasale Symptome wirksam. Cetirizin-Tabletten können für Kinder ab sechs Jahren, Saft und Tropfen bereits ab zwei Jahren empfohlen werden.

Auch Loratadin hat schon eine Zulassung ab zwei Jahren, allerdings existieren keine flüssigen und damit kinderfreundlichen Darreichungsformen. Da Loratadin als Prodrug in der Leber unter Beteiligung von CYP-Enzymen in die aktive Wirkform umgewandelt werden muss, eignet es sich nicht für Personen, die unter Polymedikation stehen. Die gleichzeitige Gabe anderer über die Leber verstoffwechselter Medikamente kann sich negativ auf die Metabolisierung des Antihistaminikums auswirken. Ebenso sollten Patienten mit Leberschädigung kein Loratadin erhalten.

Levocetirizin und Desloratadin zählen zu den Antihistaminka der 3. Generation, da sie ein verbessertes Neben- und Wechselwirkungsprofil aufweisen. Die beiden chemischen Abwandlungen von Cetirizin und Loratadin sind schon lange auf dem Markt, benötigten aber früher ein Rezept. Seit 2019 ist Levocetirizin rezeptfrei erhältlich, allerdings nur in festen Darreichungsformen (Tabletten ab sechs Jahren). Säfte und Tropfen sind weiterhin verschreibungspflichtig. 2020 folgte Desloratadin in festen und flüssigen Varianten (Tabletten ab zwölf Jahren, Saft und Lösung ab zwei Jahren).

Zu beachten ist allerdings, dass nicht alle Desloratadin-haltigen Präparate aus der Verschreibungspflicht entlassen wurden. Nur Präparate mit nationaler Zulassung stehen für die Selbstmedikation zur Verfügung, die mit europäischer Zulassung bedürfen weiterhin einer ärztlichen Verordnung. Damit existieren beide Varianten parallel auf dem Arzneimittelmarkt, was für viele Kunden verwirrend ist.

Desloratadin ist der aktive Metabolit des Loratadins, was mit einer besonders rasch einsetzenden Wirkung (nach 30 Minuten) und einer Dosisreduktion verbunden ist. Darüber hinaus soll die Substanz aufgrund der fehlenden Leberpassage weniger Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln eingehen. Auch bei Levocetirizin ist nur die Hälfte der Dosis erforderlich und es sind weniger Nebenwirkungen zu befürchten, da die Substanz als R-Enantiomer eine höhere Affinität zum H1-Rezeptor aufweist.

Eine neue Option für die orale Selbstmedikation stellt Bilastin dar. Die Substanz ist schon seit Jahren erhältlich, ist aber erst seit kurzem aus der Rezeptpflicht entlassen worden. Obgleich das Antihistaminikum zur 2. Generation zählt, soll es Studienergebnissen zufolgehinsichtlich des Ausmaßes der Sedierung besser als neuere Substanzen der 3. Generation wie Levocetirizin oder Desloratadin abschneiden. Bilastin steht in zwei Dosierungen zur Verfügung (20 mg für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren, 10 mg für Kinder ab sechs Jahren und einem Körpergewicht über 20 Kilogramm). Aufgrund einer fehlenden Interaktion mit dem Cytochrom-P450-System weist Bilastin ein geringes Wechselwirkungspotenzial mit anderen Arzneistoffen auf. Da aber Nahrung die Bioverfügbarkeit der Substanz reduziert, muss das Antihistaminikum nüchtern (eine Stunde vor oder zwei Stunden nach dem Essen) und ohne Fruchtsaft eingenommen werden.

Kausale Therapie

Neben der symptomatischen Behandlung besteht auch die Möglichkeit, mit einer spezifischen Immuntherapie (SIT) kausal ins Allergiegeschehen einzugreifen. Mit dieser früher als Hypo- oder Desensibilisierung bezeichnete Therapieform wird dem Körper das Allergen über einen längeren Zeitraum (meist drei Jahre) wiederholt zugeführt. Dadurch soll das Immunsystem dem Allergen gegenüber eine Toleranz entwickeln, wodurch die allergische Reaktion schließlich ausbleibt oder deutlich milder verläuft.

Es existieren verschiedene Varianten, die sich in der Darreichungsform, den Intervallen der Anwendung, der Dauer der Behandlung und im Indikationsspektrum unterscheiden. Alle Optionen sind allerdings verschreibungspflichtig. Früher war die subkutane spezifische Immuntherapie (SCIT) die gängige Methode, bei der die Allergene in anfangs steigender Dosierung (später in einer Erhaltungsdosis) subkutan gespritzt wurden. Heute hat sich die Sublinguale Immuntherapie (SLIT) etabliert, bei der die Allergene in Form von Tropfen oder Tabletten oral zur Anwendung kommen. Die SLIT wird vor allem bei einer Allergie gegen Gräser-, Baumpollen und Hausstaubmilben eingesetzt.

Nasale Glucocorticoide

Nasensprays mit Glucocorticoiden gelten als wirksamste Therapieoptionbei allergischer Rhinitis. Mit ihnen lassen sich auch bei länger andauernden, starken Beschwerden nasale Symptome (einschließlich der verstopften Nase) stärker als mit systemischen oder topischen Antihistaminika reduzieren. Zudem greifen corticoidhaltige Nasensprays direkt in das allergische Entzündungsgeschehen ein. Durch die Unterbrechung der Entzündungskaskade an der Nasenschleimhaut wird nicht nur die nasale Symptomatik gestoppt, sondern auch der Naso-Okular-Reflex unterbunden. Damit bessert sich auch die Augensymptomatik wie Rötung, Jucken und Tränenfluss. Allerdings sind die Effekte geringer ausgeprägt als bei lokal zu applizierenden Antihistaminika, sodass zur verstärkten Unterdrückung allergischer Augensymptome eine Kombination mit Antihistaminika-haltigen Augentropfen angeraten werden kann.

Als OTC-Präparate stehen Nasensprays mit Beclometason, Fluticason und Mometason zur Verfügung, wobei Mometason-haltige Varianten in der Selbstmedikation die größte Rolle spielen. Alle drei nasalen Glucocorticoide weisen aufgrund einer hohen Affinität zum Steroidrezeptor hohe Schleimhautkonzentrationen auf. Da sie so eine hohe Wirksamkeit bei gleichzeitig minimalem Risiko für systemische Nebenwirkungen erzielen, werden sie heute bei allen Schweregraden einer allergischen Rhinitis empfohlen, selbst für eine Langzeitgabe, die in der Selbstmedikation aber drei Monate nicht überschreiten sollte.

Nachteilig ist der verzögerter Wirkeintritt von corticoidhaltigen Nasensprays, weshalb sie nicht in der Lage sind, akute Beschwerden sofort zu beheben. Sie erfordern vielmehr über mehrere Tage hinweg eine regelmäßige Applikation, damit ihre volle Wirksamkeit eintritt. Danach ist eine konsequente Anwendung weiterhin nötig, um die Linderung der Symptome beizubehalten. Ist ein Soforteffekt gewünscht, ist eine initiale Kombination mit anderen Substanzen erforderlich. Neben dem kurzfristigen (!) Einsatz von lokalen alpha-Sympathomimetika zur Vasokonstruktion bieten sich Antihistaminika an.

Leitlinien und Praxisempfehlungen sehen zu Beginn der Behandlung (in den ersten zwei Wochen) eine (verschreibungspflichtige) Fixkombination aus nasalem Glucocorticoid und nasalem Antihistaminikum vor. Diese Kombination gilt auch als empfehlenswert bei anhaltenden mittelschweren bis schweren Symptomen. Im Rahmen der Selbstmedikation müssen zwei Sprays zur Anwendung kommen: Ein Glucocorticoid- und ein Antihistaminika-haltiges Nasenspray, wobei zwischen den Applikationen etwa 15 Minuten Abstand eingehalten werden sollte. Häufig wird auch die zusätzliche Einnahme eines oralen Antihistaminikums praktiziert, sogar dauerhaft. Eine generelle Empfehlung dafür existiert nicht, da ein potenzieller Zusatznutzen nicht belegt ist. Da Glucocorticoid-Sprays als Suspensionen vorliegen, müssen sie vor jeder Anwendung gut aufgeschüttelt werden.

Weitere praktische Tipps

Während Sprays mit Beclometason eine zweimalige Anwendung pro Tag erfordern, müssen die Präparate mit Fluticason und Mometason nur einmal täglich in beide Nasenlöcher gesprüht werden. Weiterer Vorteil dieser beiden Substanzen ist, dass sie mit dem geringsten Risiko für systemische Nebenwirkungen behaftet sind.

Alle drei Substanzen können aber – vor allem bei längerer Anwendung – zu trockenen Schleimhäuten führen und Nasenbluten auslösen. Um diese Irritationen zu vermeiden, sollten die Verwender ein Sprühen über Kreuz praktizieren. Dafür sprüht man mit der linken Hand uns rechte Nasenloch und mit der rechten Hand ins linke Nasenloch – jeweils in Richtung Nasenflügel, um einen Sprühkontakt mit der empfindlichen Nasenscheidewand zu vermeiden.

Zudem sind befeuchtende Nasensalben oder Pflegesprays eine gute Zusatzempfehlung, um die angegriffene Nasenschleimhaut zu regenerieren. Eine sinnvolle Ergänzung sind auch befeuchtende Augentropfen (z. B. mit Hyaluronsäure) sowie Nasensprays und Nasenspülungen mit Meersalz oder physiologischer Kochsalzlösung. Sie verflüssigen das Nasensekret, sodass es besser abfließen kann, und spülen zugleich einen Teil der Allergene aus.

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