Frau kippt aus gelber Dose Tabletten in ihrer Hand© Ridofranz / iStock / Getty Images Plus
Wie lange ein Mensch Antidepressiva einnehmen soll, richtet sich nach dem jeweiligen Zustand des Patienten.

Psychiatrie

WANN SOLLTE EIN ANTIDEPRESSIVUM ABGESETZT WERDEN?

Wie lange die Therapie mit einem Antidepressivum fortgesetzt wird, richtet sich nach dem Ermessen des Arztes und dem Zustand des Patienten. Eine neue Studie hat sich mit dem Pro und Contra einer Langzeiteinnahme beschäftigt – mit überraschendem Ergebnis. 

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Dass Antidepressiva vorsichtshalber immer länger gegeben würden, sei der Hauptgrund für die dramatische Zunahme der Verschreibungshäufigkeit in den letzten Jahren, sagt Dr. Gemma Lewis vom University College London. „Bisher wussten wir aber gar nicht, ob eine antidepressive Therapie nach mehreren Jahren überhaupt noch wirksam ist.“ Findet sich eine passende antidepressive Therapie, wird diese in der Regel nach der akuten Phase noch sechs bis neun Monate fortgesetzt. Wie es dann weitergeht, folgt keinem Standard-Schema mehr, sondern ist von der Verträglichkeit des Medikaments, der Einschätzung des Arztes und dem psychischen Gesundheitszustand des Patienten abhängig. 

Mit dem Resultat, dass viele Antidepressiva mit der Zeit nicht hinterfragt in der Dauermedikation landen. Oder es nach dem Absetzen zu neuen depressiven Episoden kommt. Eine Studie musste her. Das fanden auch Dr. Lewis und ihr Team und publizierten vor kurzem die ersten Ergebnisse ihrer ANTLER-Studie.
 

Bei zu frühem Absetzen drohen Rückfälle

478 Teilnehmer umfasste die Studie, alle wurden ambulant von einem Hausarzt in Großbritannien betreut, alle hatten mindestens zwei depressive Episoden in der Krankenakte vermerkt und erhielten Citalopram, Fluoxetin, Sertralin oder Mirtazapin. Und alle waren bereit, einen Absetzversuch zu starten. Jeweils die Hälfte erhielt ihr Medikament weiter, die andere Hälfte schlich ihren Arzneistoff über zwei Monate hinweg aus. 
In der Gruppe ohne Medikation erlitt mehr als jeder Zweite einen Rückfall, in der anderen Gruppe nur knapp 40 Prozent. Die Abbruchrate war in der Gruppe ohne Antidepressivum mit 48 Prozent auch höher als in der anderen Gruppe, in der nur knapp jeder Dritte ausstieg.  
Dem gegenüber steht jedoch die Beobachtung, dass sich nur die Hälfte derer, die einen Rückfall nach Absetzen ihrer Medikation erlitten, wieder ein Antidepressivum verschrieben ließen. Nach einem Jahr nahmen 59 Prozent der Absetzer kein Antidepressivum mehr ein.
 

Keine klare Richtlinie erkennbar

„Unsere Ergebnisse vergrößern die Evidenz dafür, dass eine Langzeittherapie für viele Patienten angebracht ist“, sagt Lewis. „Wir haben allerdings auch gesehen, dass viele Patienten ihre Medikation erfolgreich beenden konnten, wenn diese über zwei Monate ausgeschlichen wurde.“ Die Beobachtungen reichen damit nicht aus für eine klare Tendenz oder eine Standardanweisung – es bleibt eine Einzelfallentscheidung.
Dennoch zeigt die Untersuchung auf, dass eine pharmakologische Behandlung nicht die alleinige funktionierende Option darstellt. Der Seniorautor der Studie, Professor Dr. Glyn Lewis, betont: „Es gibt auch andere Wege, um Rückfällen vorzubeugen. Dazu gehören die kognitive Verhaltenstherapie und achtsamkeitsbasierte Therapien.“ Man könnte auch sagen: Versuch macht klug.

Quelle: Pharmazeutische Zeitung
 

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