Multimorbidität
WAS STECKT HINTER DER PRISCUS-LISTE?
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Das Alter und die Multimorbidität von Patienten stellen eine Herausforderung bei der Verordnung von Arzneimitteln dar. In der Praxis tauchen bei der Pharmakotherapie älterer Menschen dabei häufige Fragen nach Medikamenten-Eignung, Therapiealternativen und Dosierungsanpassungen auf. Dabei hilft die PRISCUS-Liste (siehe Kasten).
Das Wissenschaftliche Institut der AOK, abgekürzt WIdO, hat die – für Anwender kostenfreie - Liste für 2022 ausgewertet. Es empfiehlt dringend, sie zu nutzen: „Wir haben bei diesem Thema kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungssystem“, sagt der WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder. Anhand dieser Liste und auf Grundlage der alters- und geschlechtsadjustiert hochgerechneten Arzneimittelverordnungen für über 65-jährige Versicherte der gesetzlichen Kassen im Jahr 2022 ermittelte das WIdO, dass immerhin 12,3 Prozent aller an ältere Menschen verordneten Tagesdosen potenziell ungeeignet sind. Mit 50,3 Prozent ist damit mehr als jede zweite ältere GKV-versicherte Person davon betroffen. „Die Arzneimittelversorgung der über 65-Jährigen ist geprägt durch die steigende Zahl der Erkrankungen im Alter und die Behandlung mehrerer, parallel vorliegender Krankheiten“, so Schröder. Die Anzahl der gleichzeitig verordneten Arzneimittel nimmt mit steigendem Alter deutlich zu: 43 Prozent der Versicherten über 65 Jahre wurden mit mehr als fünf verschiedenen Wirkstoffen gleichzeitig behandelt. Sie sind daher besonders gefährdet, unerwünschte Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Blutdruckabfall oder Sehstörungen zu erleiden, die dann wiederum zu Stürzen oder kognitiven Einbußen führen können und in manchen Fällen sogar lebensbedrohlich sind.
Häufigster Kandidat für Nebenwirkungen: die Protonenpumpenhemmer
Es gibt deutliche Unterschiede in der regionalen Verteilung: Die geringsten PIM-Anteile werden mit 48,2 Prozent bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen erreicht. Immerhin über sechs Prozent beträgt die Spannbreite, je nach Bundesland. Es bestünde hier noch Verbesserungspotenzial, sagt Schröder und verweist auf die PRISCUS-Arbeitshilfe, die beispielsweise auf dem AOK-Portal zum Download zur Verfügung steht. Sie ist problemlos im Internet auch auf gelbe-liste-de herunterladbar.
Ein kleines Beispiel aus der Liste: Mehr als die Hälfte der Verordnungen potenziell unangemessener Medikamente bezieht sich auf Magenschutzpräparate, den sogenannten Protonenpumpeninhibitoren (PPI). Diese Medikamente werden bei Beschwerden wie saurem Aufstoßen bis hin zu einem manifesten Magen-Darm-Geschwür verordnet. Aber auch zur Prävention von Magenblutungen bei gleichzeitiger Einnahme von Schmerzmitteln oder Blutgerinnungshemmern kommen sie zum Einsatz. Eine Behandlung mit Gerinnungshemmern wird in der Regel dauerhaft durchgeführt, sodass die PPI ebenfalls über längere Zeit gegeben werden. Nichtsdestotrotz ist ihre langfristige Einnahme vor allem bei älteren Menschen mit einem erhöhten Risiko für Osteoporose, Knochenbrüche und bestimmten Infektionen verbunden. Protonenpumpenhemmer sind diejenigen Medikamente, die am häufigsten nach kritischer Indikationsstellung abgesetzt werden können. Aber auch einige Wirkstoffe gegen Schmerzen, Antidepressiva und Medikamente bei Blasen- und Prostatabeschwerden zählen zu diesen Kandidaten.
Priscus-Liste
Die Priscus-Liste ist eine praxistaugliche Liste von Wirkstoffen und Wirkstoffgruppen, die als potenziell inadäquat für ältere Menschen beurteilt werden. Die Liste informiert aber auch über Therapie-Alternativen und Maßnahmen, wenn der Einsatz potenziell inadäquater Wirkstoffe nicht zu umgehen ist. Hier kann sie abgerufen werden.
Quellen:
https://idw-online.de/de/news820202
https://media.gelbe-liste.de/documents/priscus-liste-2-0.pdf
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