Mann auf Segelboot.© Koldunova_Anna / iStock / Getty Images

Magen-Darm-Beschwerden

DURCHFALL, ÜBELKEIT UND ERBRECHEN

Alles muss raus! Fast jeder litt schon einmal an Durchfall, Übelkeit und Erbrechen. Sie sind äußerst unangenehm, dabei stellen diese Beschwerden keine Krankheit dar, sondern sind „nur“ Symptome. Was kann dahinterstecken und wie können Sie Ihren Kundinnen und Kunden helfen?

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Wenn unser Körper etwas loswerden will, kann er nur den oberen oder den unteren Ausgang nehmen. Im ersten Fall bedeutet das schwallartige Erbrechen (Emesis) – dem meist überwältigende Übelkeit (Nausea) vorangeht – oder Durchfall (Diarrhö). Meist liegt dem ein mehr oder weniger harmloser Magen-Darm-Infekt zugrunde, aber nicht immer. Manchmal deuten diese Symptome auch auf ernsthafte Erkrankungen hin. 

Nichtsdestotrotz gehören Diarrhö, Nausea und Emesis zu den drei gefragtesten Beratungsthemen in der Apotheke. Es gibt ein ganzes Arsenal an Mitteln, die unangenehmen gastroenteritischen und dyspeptischen Beschwerden entgegenwirken können. Doch was ist sinnvoll? Und ist es nicht besser, der Natur freien Lauf zu lassen? Um es vorweg zu sagen: manchmal ja, jedoch nicht immer. Dann sollte man den Kunden Mittel an die Hand geben, die den Leidensdruck lindern.

Diarrhö

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert es so: Diarrhö bedeutet das Auftreten von mindestens drei ungeformten oder wässrigen Stühlen pro Tag beziehungsweise von mehr Stuhlentleerungen täglich als es für den Einzelnen üblich ist. Das Stuhlgewicht muss dabei jeweils über 250 Gramm liegen. Während akut auretende Diarrhöen bei Erwachsenen meist gutartig verlaufen und häu g selbstheilend sind, ist bei chronischer Diarrhö eine genaue Abklärung der Ursache notwendig. 

Die häufigste Ursache akuter Diarrhöen sind Infektionen. Dann gibt der Darm infolge der Entzündung vermehrt Wasser und Salze, eventuell auch Schleim oder Blut ab. Die damit verbundene sekretorische Diarrhö hört dann auch durch Fasten nicht auf, denn sie wird ja durch Viren oder Bakterien verursacht. Bei einer osmotischen Diarrhö wiederum verbleiben osmotisch aktive Stoffe aus der Nahrung im Darm und binden dort Flüssigkeit. Diese Art Durchfall hört nach Fasten auf. Auslöser kann beispielsweise eine Aufnahmestörung von bestimmten Stoffen (Fruchtzucker, Milchzucker) sein.

Grenzen der Selbstmedikation von Diarrhö
+ blutiger Stuhl
+ Fieber über 39 Grad Celsius
+ Dehydratation mit Verlust von mehr als fünf Prozent des Körpergewichtes
+ anhaltende kolikartige Schmerzen
+ Alter unter 2 oder über 65 Jahren
+ Schwangerschaft
+ Verdacht auf Tropenerkrankung

Bei anhaltendem (chronischen) Durchfall kommen verschiedene, mitunter auch ernsthafte Krankheiten als Ursache infrage. Auch diese Durchfälle beginnen zunächst wie die akuten, die Symptome halten jedoch über mehr als zwei bis vier Wochen an, entweder ständig oder auch in Schüben.

Bakterien und Viren als Auslöser von Durchfall

Die häufigsten Erreger akuter infektiöser Durchfälle sind in unseren Breiten folgende:

Salmonellen

Die Bakterien gelangen über tierische Lebensmittel wie Eier, Geflügel, nicht durchgegartes Fleisch oder Speiseeis in die Nahrung. Es kommt dann zu Erbrechen und wässrigen Durchfällen, die einige Tage anhalten können. Die Therapie einer Salmonelleninfektion erfolgt rein symptomatisch und besteht normalerweise im Ausgleich des großen Flüssigkeitsverlustes durch das Trinken von Wasser oder Tee oder auch einer in der Apotheke erhältlichen Glucose-Elektrolytmischung, die den Mineralhaushalt wieder in Ordnung bringt.

Nur bei immungeschwächten oder alten Menschen sowie Kleinkindern kann der Einsatz von Antibiotika aus der Gruppe der Chinolone und Beta-Lactam-Antibiotika angezeigt sein. 

Campylobacter

Diese Spezies be ndet sich ebenfalls in Geflügel oder Rohmilch. Die Bakterien können sich im Gegensatz zu Salmonellen in Lebensmitteln aber nicht mehr vermehren. Dennoch sind sie hochinfektiös. Die Erkrankung ist der Salmonellose ähnlich, wird allerdings von Fieber begleitet. Auch die Behandlung entspricht der Salmonellose. Bei schweren Verläufen gibt der Arzt Ciprofloxacin oder Erythromycin.

Arcobacter

Das Bakterium siedelt sich häufig in frischen Hähnchenkeulen an. Die Behandlung erfolgt wie bei den Campylobacter-Infektionen.

Rotaviren

Sie sind besonders für junge Kinder gefährlich, denn die Kleinsten haben noch keine Immunität entwickeln können. Die Infektion erfolgt fäkal-oral und tritt hauptsächlich in den Wintermonaten auf. Vor allem bei Säuglingen kann ein großer Flüssigkeits- und Salzverlust zu einer gefährlichen Austrocknung führen.

Symptome sind wässrige Durchfälle sowie Fieber. Die Behandlung kann lediglich symptomatisch erfolgen. Zwischen der 6. und der 24. Lebenswoche ist es mittlerweile möglich, die Babys durch eine Schluckimpfung vor einer Rotaviren-Infektion zu schützen.

Noroviren

Sie treten meist in den Herbst- und Wintermonaten und hier besonders in Gemeinschaftseinrichtungen (Pflege- und Kurheime, Krankenhäuser) auf und erzeugen heftige Brechdurchfälle. Gelegentlich wird die Erkrankung von leichtem Fieber begleitet. Norovireninfektionen sind selbstlimitierend, nach drei bis vier Tagen ist meist alles vorbei.

Die hohe Infektiosität ist dadurch begründet, dass schon zehn bis hundert Viren für einen Ausbruch ausreichen. In Haushalten, in denen das Norovirus kreist, sollten sich alle Mitglieder mehrmals täglich über zwei Wochen die Hände mit einem viruziden Händedesinfektionsmittel behandeln, denn das Virus ist schier unverwüstlich.

Durchfall als Reisekrankheit:„Montezumas Rache“

Bei einer Diarrhö kann es sich auch um eine verspätete Reisekrankheit handeln. „Montezumas Rache“ trifft viele, die südliche Gefilde bereisen. Kinder, ältere Menschen, Personen mit geringer Magensäurebildung oder solche, die magensäureblockierende Protonenpumpenhemmer einnehmen, sind besonders gefährdet.

Die Inkubationszeiten von Erregern aus tropischen Gegenden können einige Wochen betragen, so dass der Betroffene oft¬mals keinen Zusammenhang mehr herstellen kann. Apotheker und PTA könnend der Ursache durch Nachfragen auf die Spur kommen. Und: Eingeschleppte Infektionen sollten grundsätzlich ärztlich behandelt werden.

Arzneimittel-induzierte Diarrhöen

Rund sieben Prozent aller Durchfallgeschehnisse treten als Nebenwirkung einer Medikation auf. Dabei kann die Nebenwirkung „Diarrhö“ auf unterschiedlichen Pathomechanismen beruhen: einem osmotischen oder sekretorischen (siehe oben), einem entzündlichen, einer gestörten Resorption oder durch Veränderungen der Darmflora. In deren Verlauf kann es entweder zu einer mikrobiellen Fehlbesiedlung des Darmes kommen oder aber einer Reduktion des Mikrobioms, wodurch der Abbau von Kohlenhydraten, Fett- und Gallensäuren gestört wird.

Antibiotika

Beispielsweise tritt eine Diarrhö häufig nach einer Antibiotikatherapie auf. Häufig ist diese jedoch nach Ende der Tabletteneinnahme wieder verschwunden. Die Diarrhö kann aber auch bis zu drei Monate nach einer Antibiotikaeinnahme erhalten bleiben. Die Ursache ist meist eine Veränderung des Darmmikrobioms.

Die Darmbakterien können dann Kohlenhydrate weniger gut abbauen, die nun im Darm verbleiben und zu osmotischen Durchfällen führen. Manchmal nutzen auch Clostridium difficile oder Klebsiella oxytoca die Gunst der Stunde, um sich auszubreiten. Das kann dann schwere Diarrhöen bis hin zu einer lebensbedrohlichen Kolitis nach sich ziehen. 

Acarbose

Der alpha-Glucosidaseinhibitor Acarbose verursacht als Nebenwirkung Blähungen, Flatulenzen und Durchfälle, denn seine antidiabetische Wirkung beruht darauf, dass er Stärke der Dünndarmverdauung entzieht. Also wird diese im Dickdarm verdaut, wo sie zu Buttersäure wird – mit den bekannten Folgen.

Orlistat

Orlistat, ein beliebter Abnehmhelfer und Hemmer der Fettverbrennung, lässt den Fettgehalt im Stuhl steigen, wodurch es zu einer Steatorrhö kommt – unkontrolliert abgehenden Fettstühlen.

Metformin

Metformin, das meistverschriebene medikamentöse Antidiabetikum, verändert die Darmflora. Häufige Nebenwirkung: Durchfall. Das Medikament beeinflusst serotonerge und histaminerge Funktionen und löst so gastrointestinale Störungen aus. Da jedoch die sichere, blutzuckersenkende Wirkung des Biguanids seine Nachteile überwiegt, nimmt man dies in Kauf.

Diarrhöen behandeln

Viel trinken heißt die Devise, wenn der Körper Durchfälle durchzustehen hat. Denn die sorgen immer für eine Dehydratation. Der kann man mit Wasser- und Teeaufnahme begegnen, aber besser noch eine orale Rehydratationslösung als Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz anwenden. Das ist besonders bei alten Menschen, bei denen oftmals bereits latent eine Dehydratation vorliegt, dringend anzuraten, wie auch bei kleinen Kindern, deren geringe Körpermasse nicht viel Flüssigkeit speichern kann. 

Durch das Auflösen der Elektrolyt/Glucose- Mischung in Leitungswasser entsteht eine hypotone Lösung, mit der eine maximale Resorption und Rehydratation sichergestellt ist. Das Wirkprinzip besteht darin, dass eine bessere Aufnahme von Natrium aus dem Darmlumen erfolgt, wenn gleichzeitig Glucose und Galactose transportiert werden. Wasser folgt dann dem Natrium passiv nach.

Der Zusatz von Kaliumchlorid dient dem Ausgleich intrazellulärer Kaliumverluste, Citrat soll die metabolische Acidose ausgleichen und dient als Geschmackskorrigens. Bei der Abgabe der Rezeptur muss auf die vorgeschriebene Flüssigkeitsmenge zur Auflösung des Pulvers hingewiesen werden, denn sonst kann das Präparat seine Wirkung nicht entfalten. 

Motilitätshemmer

Ist die Diarrhö heftig, akut, ohne Blut im Stuhl und auch nicht von Fieber begleitet, kann die gesteigerte Darmmotilität mit Loperamid (OTC) sehr schnell gedämpft werden. Der Wirkstoff hemmt die Peristaltik und den Flüssigkeitstransport in den Darm und eine orale Rehydratationslösung sinnvoll. 

Beim Rückgang der Stuhlfrequenz muss die Dosis reduziert werden: Die Anfangsdosis beträgt 4 Milligramm (mg) und weiter bei jedem weiteren ungeformten Stuhlgang 2 mg bis zu maximal 12 mg pro Tag. Ohne ärztliche Untersuchung sollte Loperamid nicht länger als zwei Tage angewendet werden.

Kontraindiziert ist der Wirkstoff bei einer Antibiotika-induzierten Diarrhö. Auch Kinder unter zwölf, Schwangere und Stillende dürfen ihn nicht einnehmen, sofern der Arzt nichts anderes anordnet.

Enkephalinasehemmer

Der Wirkstoff Racecadotril beeinflust die Darmmotilität nicht. Er funktioniert auf enzymatischer Ebene, wirkt antisekretorisch und stoppt die übermäßige Abgabe von Wasser und Elektrolyten in den Darm. Stuhlvolumen und Durchfalldauer werden durch Racecadotril signifikant verringert.

So kann sich der Stuhl im Darm verdicken und der Durchfall lässt nach. Der Wirkstoff ist rezeptfrei unter verschiedenen Markennamen erhältlich und darf in der Selbstmedikation ab zwölf Jahren eingenommen werden. 

„Racecadotril ist ein Prodrug, das nach hydrolytischer Spaltung den aktiven Metaboliten Thiorphan freisetzt.“

Probiotika

Durch die Zufuhr bestimmter Bakterien wird versucht, die physiologische Darmflora zu stärken beziehungsweise wieder herzustellen, sodass der Darm gesundet und die Diarrhö gedämpft wird. Probiotika konkurrieren außerdem mit den Krankheitserregern um Substrate und andere limitierende Substanzen und entziehen ihnen damit lebensnotwendige Stoffe. Sie hemmen nicht die Darmmotilität und damit auch nicht die Ausscheidung der pathogenen Keime. 

Am besten ist die therapeutische Wirksamkeit von Lactobazillen und dem Hefebakterium Saccharomyces boulardii dokumentiert. Die Präparate können auch prophylaktisch eingenommen werden, zum Beispiel bei einer Reise oder, wenn ein Magen-Darm-Infekt grassiert.

Sonstige Präparate

Medizinische Kohle ist wohl das am meisten gebrauchte Adsorbens, das Bakterien, ihre Toxine und lokal reizende Stoffe an seine Oberfläche bindet. Allerdings bindet sie auch Arzneistoffe, deshalb sollte man sie nicht anwenden, wenn gleichzeitig Medikamente eingenommen werden. Auch Smektit, Siliciumdioxid und Pektin verfügen über diese anhaftenden Eigenschaften. 

Adstringenzien funtionieren nach einem anderen Prinzip: Sie reagieren mit den Eiweißen der obersten Zellschichten der Schleimhäute, sodass es zu einer Eiweißfällung kommt. Dadurch schrumpft das Gewebe oberflächlich und es bildet sich eine Schutzschicht aus, die die Resorption toxischer Substanzen verhindern und die entzündeten Schleimhäute vor weiterer Reizung schützen soll. In der Apotheke sind gerbstoffhaltige Präparate erhältlich. 

Bei Diarrhöen mit Krämpfen wird Uzarawurzel-Extrakt eingesetzt. Er soll die Darmmotilität hemmen und spasmolytisch wirken.

Chronische Diarrhö

Wird die Diarrhö chronisch, bedarf es immer der diagnostischen Abklärung durch den Arzt. Die häufigsten Ursachen sind die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Auch das Reizdarmsyndrom kann schuld sein. Hier vermutet man eine Störung der sehr komplexen Regulation der Darmfunktion. Kunden bedürfen hier einer besonders intensiven Beratung. 

Die Behandlung erfolgt rein symptomatisch. Gegen Schmerzen und Bauchkrämpfe gilt dann das Spasmolytikum Butylscopolaminbromid als Mittel der Wahl. Auch hochdosiertes Pfefferminzöl wirkt krampflösend. Ist Diarrhö das dominierende Symptom, kann Loperamid helfen. Eine große Bedeutung in der Behandlung des Reizdarmsyndroms haben auch Probiotika.

Übelkeit und Erbrechen

Möchte der Körper sich von etwas Schädlichem befreien, wählt er auch den Weg des Erbrechens, um den Magen zu leeren. Oft kündigt sich das durch ein starkes Gefühl der Übelkeit (Nausea) an. Die Entscheidung zum Erbrechen wird im Gehirn getroffen. 

Spezielle Fühler im Hirnstamm sind auf bestimmte Signalstoffe geeicht (zum Beispiel Serotonin). Ein zu voller Magen, Bakteriengifte, Alkohol, Nierenversagen oder Sauerstoffmangel alarmieren das Brechzentrum. Dieses stimmt sich mit weiteren wichtigen Hirnzentren ab, vor allem jenen für Atmung, Kreislauf und Gleichgewicht. Über den Parasympathikus kommen Reaktionen wie Blässe, Schweißausbrüche, erhöhter Speichelfluss und Schwindel zustande. 

Und dann geht es los: Heftige Bewegungen des Zwerchfells, außerdem die der Bauch- und Atemmuskeln wirken auf den Magen ein. Die Druckwelle, die der obere Darmabschnitt in Gang setzt, trifft auf den Magen und befördert seinen Inhalt nach außen. Dabei hilft auch die Speiseröhre, indem sie sich nach oben öffnet. 

Das geht natürlich nur, wenn die Atmung innerhalb dieses kurzen Zeitraumes gestoppt wird. Luftröhre und Nasenrachenraum schießen sich rechtzeitig, denn sonst würde die hochgewürgte Nahrung in die Atemwege gelangen. All dies geschieht automatisch. Gefährlich wird es nur, wenn der Betroffene nicht bei Bewusstsein ist. Deshalb darf auch bei Bewusstlosen zum Beispiel im Vergiftungsfall niemals Erbrechen ausgelöst werden. 

Erbrechen während der Schwangerschaft

Bei der Hormonumstellung kommt es vor allem in den ersten drei Monaten häufig zu Morgenübelkeit, ja oftmals bemerken die Frauen ihre Schwangerschaft erstmals daran. Solange kein wiederholtes Erbrechen mehrmals am Tag auftritt und die Schwangere nur noch wenig Nahrung und Flüssigkeit bei sich behält, ist das zwar unangenehm, aber nicht besorgniserregend.

Hypermesis gravidarum​​​​​​​ – das unstillbare Erbrechen während der Schwangerschaft – kann allerdings zu Dehydratation, Gewichtsverlust und Ketose führen. Die Behandlung gehört in ärztliche Hand.

Übelkeit und Erbrechen behandeln

Oft beruhigt sich der Magen (und damit die Übelkeit) von selbst, wenn er „zwangsentleert“ wurde. Manchmal genügt schon eine Umstellung der Ernährung auf leichte Kost mit mehreren kleinen Mahlzeiten pro Tag und die Nausea verschwindet. Auch der Verzicht auf Genussmittel wie Nikotin und Alkohol ist hilfreich. 

Im Akutfall bietet sich ein Antiemetikum an – jene Arzneigruppe, die gegen Erbrechen und Übelkeit wirkt. Dabei wird meist kurzzeitig das H1-Antihistaminikum Dimenhydrinat angewendet – das als Nebenwirkung Müdigkeit verursacht, worauf der Kunde hingewiesen werden sollte, da es die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Der Wirkstoff wird auch als Reisetablette (gegen Kinetose) eingesetzt. 

Rezeptfrei erhältlich sind auch Zubereitungen aus dem Rhizom der Ingwerpflanze (Zingiber officinale), das mit seinen Bestandteilen Gingerol und Zingiberin die Wärmerezeptoren des Magens erregt und ein Hitzegefühl verursacht, was brechreizberuhigend wirkt. 

Ein weiterer Wirkstoff gegen Übelkeit ist Pyridoxin (Vitamin B6). Das Vitamin wirkt vermutlich nicht zentral dämpfend, sondern beruhigt das Gleichgewichtsorgan.

Verschreibungspflichtige Medikamente sind Prokinetika wie Metoclopramid und Domperidon, die sowohl das zentrale Nervensystem beeinflussen als auch die Beweglichkeit von Magen und Zwölffingerdarm. Bei starkem Brechreiz funktioniert ein Antiemetikum meist nur als Zäpfchen, als Spritze oder Infusion. Bei starkem, anhaltendem Erbrechen muss der Notarzt gerufen werden. 

Chemotherapie

Erbrechen und Übelkeit sind berüchtigte Nebenwirkungen bestimmter Chemotherapien bei Krebserkrankungen. Besonders die Therapie mit Cisplatin und Carboplatin, aber auch mit Cyclophosphamid und Adriamycin erzeugt einige Stunden nach der Anwendung erheblichen Brechreiz, der mehrere Tage anhalten kann.

Die Ursache des akuten Erbrechens ist dann die Freisetzung von Serotonin und Substanz P im Gastrointestinaltrakt. Es wird eine weitere Serotoninausschüttung verursacht, die schließlich zu einer Erregung des Brechzentrums im Gehirn führt. 

Die behandelnden Ärzte verordnen hier Ondansetron oder Palonosetron, Corticosteroide oder Aprepitant. Metoclopramid, das früher oft verordnet wurde, zählt mittlerweile laut Leitlinie nicht mehr zu den Erstlinien-Medikamenten.

Reiseübelkeit

Die Reise- oder Seekrankheit (Kinetose) entsteht durch eine starke Reizung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr. Dabei kommt es zu einer Missdeutung der Daten, die an das Gehirn gesendet werden: Was die Finger tasten, die Augen sehen und die Ohren hören und an das Stammhirn melden, stimmt nicht mit den Daten des Gleichgewichtsorgans überein. Das ist häufig im Auto, im Flugzeug und auf Schiffen der Fall.

Nicht nur Menschen, auch Tiere kann dies treffen – und Kinder sind häufiger betroffen als Erwachsene, da bei letzteren eine positive Gewöhnung eintreten kann. Kurioserweise können Piloten oder Flugbegleiterinnen die Schwankungen ihres fliegenden Untersatzes gut vertragen – aber auf See von einer Kinetose erwischt werden. Umgekehrt kann Seeleuten, denen die stärksten Schlingerbewegungen ihres Schiffes nichts ausmachen, bei einer Fahrt im Auto oder einem Flug werden.

Als Goldstandard bei Reiseübelkeit wird immer noch auf Dimenhydrinat oder Diphenhydramin verwiesen. Ihre Anwendung erfolgt in der Regel eine bis eine halbe Stunde vor Reisebeginn. Die Auswahl der Darreichungsform erfolgt nach persönlichen Vorlieben: Während Kaugummis im halbstündlichen Abstand genommen werden müssen, hält die Wirkung von Retardkapseln rund zwölf Stunden an. Suppositorien eignen sich für Menschen mit akutem Brechreiz; Sublingualtabletten können ohne Wasser angewendet werden. 

Vorsicht ist bei der Dosierung für kleine Kinder geboten, denn Überdosierungen mit Dimenhydrinat oder Diphenhydramin können insbesondere bei Kindern unter drei Jahren lebensbedrohlich sein. So ist sich an die Dosierungsempfehlungen der Hersteller strikt zu halten. Unter einem bestimmten Körpergewicht dürfen die Präparate gar nicht angewendet werden.

Das verschreibungspflichtige Scopolamin ist ein Alkaloid der Nachtschattengewächse, das bei niedriger Dosierung dämpfend auf das Zentralnervensystem wirkt. Um unerwünschte Nebenwirkungen zu verhindern und gleichzeitig die Wirkdauer zu verlängern, wurde ein transdermales Pflaster entwickelt. Das Pflaster sollte schon am Vorabend der Reise aufgeklebt werden.

Komplikationen und Konsequenzen

Flüssigkeitsverluste, der Mangel an Mineralstoffen und Stoffwechselentgleisungen sind gefürchtete Konsequenzen wiederholten Erbrechens; überdies kann der ungewohnte Kontakt mit dem sauren Mageninhalt der Speiseröhre sehr zu schaffen machen. Tritt Mageninhalt gar in die oberen Atemwege bewusstseinsgestörter Patienten über, drohen akute Erstickungsanfälle. Bei Aspiration in die Lunge kann es zu gefährlichen Lungenentzündungen kommen. Erbrechen kann also nicht nur ein Schutzreflex sein, sondern selbst zu akuten Komplikationen führen.

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