Leberschäden
ASHWAGANDHA: HEILUNG ODER HEPATITIS?
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Ashwagandha (Withania somnifera), auch als Schlafbeere, Indischer Ginseng oder Winterkirsche bekannt, liegt momentan voll im Trend und gilt als neues Superfood. Die Pflanze soll geradezu ein Wundermittel sein, wenn es um die Linderung von Schlafbeschwerden und Stressreduktion geht.
Fälle von Leberschäden rund um die Welt werfen jedoch die Frage auf: Ist Ashwagandha vielleicht gefährlich? Hier erfahren Sie mehr über die Wirkung, die Herkunft und mögliche Folgen des pflanzlichen Nahrungsergänzungsmittels.
Ashwagandha: Tausendsassa der positiven Effekte
Ashwagandha ist vor allem in der traditionellen indischen Medizin seit Jahrtausenden bekannt. Dort werden Blätter und Wurzeln meist zu Pulvern verrieben. Zu den vielfältigen positiven Eigenschaften, die der Pflanze zugeschrieben werden, zählt die Steigerung der Fruchtbarkeit bei Männern. Und auch gegen Ängste oder bei nervöser Erschöpfung kommt die Schlafbeere zum Einsatz. Zudem soll es Muskelmasse, Kraft und Ausdauer verbessern, den Blutdruck und den Cholesterinspiegel senken sowie Entzündungen hemmen.
Es wird auch bei Rheuma, Muskel-, Gelenk- und Rückenschmerzen eingenommen. Sogar bei Konzentrations- und Gedächtnisproblemen sowie bei neurodegenerativen Erkrankungen (Parkinson, Alzheimer) soll sich Ashwagandha positiv auswirken. Auch das Immunsystem soll der Ethnomedizin zufolge von der Pflanze profitieren, sodass es bei Infektanfälligkeit und Immunschwäche angewendet wird.
Doch das ist noch immer nicht alles: Ashwagandha soll auch Hautbeschwerden (zum Beispiel Wunden) oder Haarausfall vermindern. Die Liste der möglichen Heilkräfte ist lang. Es gibt kaum ein Leiden, gegen das die Schlafbeere nicht helfen soll.
Steckbrief Ashwagandha: Eine Pflanze, die Wärme liebt
Ashwagandha ist ein immergrüner kurzer Strauch aus der Gattung der Withania und gehört zur Familie der Nachtschattengewächse. Die Pflanze kennzeichnet sich durch gelbe Glockenblüten, die orange-rote Früchte tragen, sowie durch ihre samtigen Blätter. Sie benötigt einen trockenen und warmen Standort.
Seit über 3000 Jahren wird sie bereits kultiviert und in Indien, Nordafrika oder dem Nahen Osten in der ayurvedischen Medizin eingesetzt, um die Konzentration zu erhöhen und Stress abzubauen. Wirksame Inhaltsstoffe sind Alkaloide, Flavonoide sowie Withanolide, die über antiproliferative und antiinflammatorische Eigenschaften verfügen sollen.
Ashwagandha in Europa
Die Beeren der Ashwagandha sind aufgrund ihres hohen Alkaloidgehalts giftig, ihre Einnahme wäre also gefährlich. In Europa werden deshalb Extrakte aus Wurzeln und Blättern hergestellt und unter der Bezeichnung „KSM-66“ oder „KSM-66 Ashwagandha“ vermarktet.
Ashwagandha-Extrakte sind als Nahrungsergänzungsmittel in Form von Pulvern, Kapseln und Tabletten zur oralen Anwendung erhältlich. Ebenso gibt es Tinkturen und Öle.
Ein Adaptogen
Man ordnet Ashwagandha den Adaptogenen zu. Dazu muss eine Pflanze
- ungiftig für den Organismus sein,
- einen Nutzen für das Wohlbefinden haben
- und Stress regulieren.
Die pflanzlichen Wirkstoffe unterstützen die Anpassung an erhöhte körperliche und emotionale Stresssituationen. Ganz konkret sollen Adaptogene einen positiven Einfluss auf das sympathische Nervensystem sowie auf die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse haben, die beide an Stressreaktionen beteiligt sind. Dadurch sollen Adaptogene die Produktion von Stresshormonen wie Cortisol oder Adrenalin vermindern, die in vielen Phasen des hektischen Alltags chronisch erhöht sind.
Könnte Ashwagandha wirkungslos und gefährlich sein?
Insgesamt ist die Studienlage zur Wirkung von Ashwagandha als unzureichend zu bewerten. Es fehlen bislang Langzeitstudien mit einer höheren Teilnehmerzahl, um aussagekräftige Belege zu liefern, welche die therapeutische Wirkung bestätigen. Es gibt zwar zur Toxikologie der Withania somnifera Studien, allerdings nahmen auch an diesen zu wenig Proband*innen teil und sie waren von zu kurzer Dauer, um seltene unerwünschte Wirkungen oder gefährliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu finden.
Wie auch bei anderen Adaptogenen wird bei Ashwagandha diskutiert, ob die Pflanze tatsächlich die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und damit den Cortisolspiegel beeinflusst. Nach heutigem Stand ist der Effekt nicht wissenschaftlich nachgewiesen.
Vorsicht: Leberschäden durch Ashwagandha!
Ein Risiko bei der Einnahme von Ashwagandha scheint die Entwicklung einer akuten Hepatitis, also Leberschäden, zu sein. In Japan, Indien, Island, Polen und den USA gab es laut dem Bundesinstitut für Riskobewertung (BfR) Fälle, in denen junge, gesunde Menschen Leberschäden entwickelten. Die betroffenen Personen hatten einige Monate zuvor damit begonnen, die Extrakte aus Ashwagandha anzuwenden.
Tatsächlich lässt sich nicht einschätzen, wie gefährlich Ashwagandha-Supplemente, insbesondere in Bezug auf Leberschäden sind. Generell ist Personen mit bestehenden oder früheren Erkrankungen der Leber sowie Schwangeren und Kindern von der Anwendung der Nahrungsergänzungsmittel abzuraten.
Die kurzzeitige Einnahme von Ashwagandha über maximal einige Wochen scheint für gesunde Menschen wahrscheinlich unbedenklich zu sein. Jedoch gibt es laut BfR keine Dosis, die als sicher angesehen werden kann. Das liegt auch daran, dass sich die Gehalte der Inhaltsstoffe in den einzelnen Nahrungsergänzungsmitteln stark unterscheiden. Bei den meisten Ashwagandha-Präparaten wird nicht angegeben, welche Pflanzenteile (erinnern Sie sich: Die Beeren sind gefährlich!) und welches Extraktionsverfahren verwendet wurde.
Status als NEM
Die Abteilung für Ernährung der Verbraucherzentrale Bayern weist außerdem darauf hin, dass es sich bei Ashwagandha lediglich um ein Nahrungsergänzungsmittel und nicht um ein Arzneimittel handelt. Nahrungsergänzungsmittel müssen sich, anders als Arzneimittel, keiner strengen Prüfung des medizinischen Nutzens unterziehen und auch nicht auf gefährliche Risiken (wie Leberschäden) hinweisen. Weisen Sie im Beratungsgespräch Kunden, die darüber nachdenken, Ashwagandha einzunehmen, auf diesen Sachverhalt hin.