Illustration: Das Gesicht einer Person ist nicht mehr am Kopf befestigt, sondern sie hält es in der Hand. Mit dem Auge schaut sie durch eine Lupe in den eigenen Kopf hinein, der nun vorn eine Öffnung hat, wo vorher das Gesicht war.© ajijchan/iStock/Getty Images Plus
An den Augen lässt sich Morbus Alzheimer ablesen - und das schon Jahre, bevor sich erste Demenz-Symptome zeigen.

Früherkennung

BEGINNT ALZHEIMER AN DEN AUGEN?

Die Diagnostik einer Demenz ist schwierig und oft erst sicher möglich, wenn das Gehirn schon stark angegriffen ist. Neue Erkenntnisse könnten helfen, früher zu reagieren: Forschende konnten Alzheimer-Demenz an den Augen erkennen.

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Forscher aus Großbritannien haben sich Augenuntersuchungen von Menschen angesehen, die Jahre später an Demenz erkrankten. Sie haben Erstaunliches herausgefunden.

Die Ergebnisse der Untersuchungen könnten eine frühere Diagnose von Demenzen wie Morbus Alzheimer möglich machen. Möglicherweise kann das die Aussichten für Betroffene eines Tages verbessern. Doch es gibt einen Haken an der Sache.

Sehleistung leidet Jahre vor Diagnose

Das Team um Eef Hogervorst von der Loughborough University in England hat sich Daten von 8623 Personen zwischen 48 und 92 Jahren angesehen und ausgewertet. Von diesen Studienteilnehmern entwickelten 537 im Laufe der Zeit eine Demenz.

Konkret konzentrierte sich das Forschungsteam auf eine bestimmte Untersuchung der Sehleistung. Probanden sollten so schnell wie möglich einen Knopf drücken, sobald sich aus beweglichen Punkten auf einem Bildschirm ein Dreieck bildete. Menschen, die später an Demenz erkrankten, erkannten das Dreieck wesentlich später als diejenigen, die frei von Demenz lebten.

Der mögliche Grund dafür könnte den Forschern zufolge sein, dass sich die für Alzheimer typischen Ablagerungen fehlgefalteter Proteine zuerst in bestimmten Hirnbereichen bilden. Konkret scheinen das die für das Sehen zuständigen Teile des Gehirns zu sein. Einschränkungen in diesem Bereich weisen möglicherweise also auf eine beginnende Problematik hin, und zwar schon bis zu zwölf Jahre vor einer Diagnose.

Blickmuster bei Demenz verändert

Schon länger weiß man, dass Menschen mit Demenz bereits vor dem Auftreten erster kognitiver Einschränkungen ihre Augen anders bewegen. Sie folgen nicht mehr den üblichen, standardisierten Mustern, nach denen Gesunde neue Gesichter scannen, um sie abzuspeichern und später wiederzuerkennen. Manche Menschen merken, wenn sie einem Demenzkranken gegenüberstehen, ohne dass sie es wissen, und zwar an den veränderten Blickmustern.

Auch der oft etwas verlorene Ausdruck Betroffener könnte darauf beruhen, dass die Umgebung von ihnen nicht mehr gezielt mit Blicken abgetastet wird, wie das Gesunde tun. Die logische Folge: das Erkennen von Gesichtern und der Umgebung fällt schwerer, weil alles nicht mehr so genau betrachtet wird.

Dazu kommt eine nachlassende Kontrastempfindlichkeit, was dazu führt, dass Umrisse und Farbunterschiede weniger genau wahrgenommen werden. Betroffene bemerken das oft selbst nicht, aber mit speziellen Untersuchungen lässt sich zum Beispiel eine nachlassende Differenzierung des Blau-Grün-Spektrums schon früh nachweisen.

Augentraining statt Gedächtnistraining?

Forschende prüfen nun, ob die Anregung zu mehr Augenbewegungen, zum Beispiel durch Lesen und Fernsehen, hilft, das Erinnerungsvermögen zu verbessern. Speziell schnelle, horizontale Bewegungen wie beim Lesen zeigen in manchen Untersuchungen eine Wirkung.

Ein großes Problem hier: Die bisherigen Verfahren zur Messung der Augenbewegungen sind teuer, denn dafür benötigt man speziell geschultes Personal und komplexe Technologie. Gelingt es, die Methoden besser zugänglich zu machen, könnte das bei der frühzeitigen Diagnose von Demenzen helfen.

Da bisher oft erst nach dem Auftreten von Symptomen eine Vorstellung beim Arzt erfolgt, geht wertvolle Zeit verloren. In dieser bilden sich die typischen, zellschädigenden Ablagerungen fehlgefalteter Beta-Amyloid-Proteine, die zum Untergang der Nervenzellen führen. Bisher lässt sich der Prozess nicht aufhalten, auch wenn die Forschung stets weitergeht.

EPIC-Norfolk: ein Mammutprojekt
Die untersuchten Daten waren Teil der EPIC Norfolk-Studie, an der die Probanden bereits seit über 25 Jahren teilnehmen. Zwischen 1993 und 1998 konnten sich Patienten von Hausarztpraxen für die Studienteilnahme anmelden; mehr als 30 000 Männer und Frauen haben das getan. Sie willigten ein, auch zukünftige Befunde zur Verfügung zu stellen. EPIC steht für „European Prospective Investigation into Cancer“, sollte also ursprünglich für die Krebsforschung Daten liefern. Bisher konnten aber schon mehrere Studien aus unterschiedlichen Fachgebieten aus den Ergebnissen durchgeführt werden. Die hier betrachtete Studie zählt dazu.

Quellen:
https://www.n-tv.de/24874530
https://www.lboro.ac.uk/media-centre/press-releases/2024/april/how-your-vision-can-predict-dementia/
https://www.aging-us.com/article/102118/text
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33535921/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10904745/
https://www.epic-norfolk.org.uk/

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