3D-Illustration von Nervenzellen, um die sich weitere Strukturen ansammeln.© Artur Plawgo / iStock / Getty Images Plus
Bei Alzheimer falten sich Amyloid-Proteine falsch und lagern sich in Plaques zwischen die Nervenzellen des Gehirns an - eine Eigenschaft, die sie auf gesunde Proteine übertragen können.

Amyloid-Plaques

ALZHEIMER IST ÜBERTRAGBAR

Schon länger wissen wir, dass fehlerhaft gefaltete Proteine die Alzheimer-Demenz verursachen. Neu ist, dass die falsche Faltung auf gesunde Amyloid-Proteine übertragbar ist, und zwar von Mensch zu Mensch. Heißt das, Alzheimer ist ansteckend?

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Morbus Alzheimer ist die häufigste Form von Demenz. Bestimmte Eiweiße falten sich falsch und bilden sogenannte Beta-Amyloid-Plaques zwischen den Neuronen des Gehirns. Schon länger ahnten Forscher, dass die Proteine ihre falsche Faltung auf gesunde Proteine übertragen konnten. Bisher konnten sie das aber nur in Mäusen nachweisen.

Eine neue Studie aus England zeigt jetzt, dass Alzheimer auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Allerdings braucht es dafür besondere Bedingungen, und diese sind im Alltag sehr selten.

Verunreinigte Wachstumshormone

Die aktuelle Studie des University College London unter Leitung von Gargi Banerjee umfasst insgesamt acht Patienten mit einem ungewöhnlich frühen Auftreten von Alzheimer-Symptomen.

Alle sind zwischen 38 und 55 Jahren alt und wurden als Kinder mit einer inzwischen verbotenen Therapie behandelt: Sie erhielten aus der Hypophyse von Verstorbenen gewonnene Wachstumshormone gegen ihre Kleinwüchsigkeit. Diese Therapie wurde bis 1985 eingesetzt, dann aber wegen zu hoher Risiken verboten. Heutzutage gewinnt man Wachstumshormone synthetisch und ist nicht mehr auf menschliche Spender angewiesen.

Das hat einen ernsten Hintergrund: Allein in Großbritannien traten rund 80 Fälle der unheilbaren neurodegenerativen Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJD) auf, die über sogenannte Prionen übertragen wird und tödlich verläuft. Einige Chargen der Wachstumshormone waren mit CJD-Prionen verunreinigt. Prionen sind krankhafte Eiweiße, die neben CJD auch die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) verursachen. Diese als Rinderwahnsinn bekannte Erkrankung wird durch mit Prionen verunreinigtes Tierfutter ausgelöst, die Tiere sterben daran.

Amyloid-Ablagerungen nach Hormonspende

Entscheidend für die Londoner Forscher war ein besonderer Punkt. Die Gehirne der an CJD verstorbenen 36 bis 51 Jahre alten Patienten, die sich über die verunreinigten Wachstumshormone angesteckt hatten, wiesen Amyloid-Ablagerungen auf. Diese sind charakteristisch bei Morbus Alzheimer.

Daher vermuten Forscher, dass bereits die Verstorbenen Hormonspender Alzheimer hatten und eine Übertragung über das Blut möglich ist. Wahrscheinlich waren die Wachstumshormon-Präparate mit krankhaft gefalteten Amyloid-Proteinen verunreinigt, die ihre Fehlfaltung auf die gesunden Eiweiße der Behandelten übertrugen.

Besondere Bedingungen nötig

Übertragungen von Alzheimer kennen Forscher schon länger. Beispielsweise zeigen Mäuse typische Symptome, wenn sie vorher fehlerhaftes Amyloid-Protein ins Gehirn injiziert bekamen. Außerdem erkrankten Patienten an Alzheimer, nachdem ihnen während Gehirn-Operationen mit krankhaften Proteinen verunreinigte Hirnhäute eingepflanzt wurden. Dass die Übertragung über das Blut aber, wie bereits vermutet, ebenfalls möglich ist, zeigt jetzt die neue Studie.

Keine Ansteckung mit Alzheimer im Alltag

Das Team in London weist darauf hin, dass seine Ergebnisse vor allem für die Forschung an Morbus Alzheimer und für die Entwicklung von Hygiene-Richtlinien für Gehirn-Operationen wichtig sind. Die Tatsache, dass Morbus Alzheimer übertragbar sein kann, spielt sowohl in der Pflege als auch in alltäglichen medizinischen Behandlungen keine Rolle. Möglicherweise helfen die neuen Erkenntnisse aber in Zukunft dabei, die Erkrankung besser zu verstehen.

Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/kontaminierte-wachstumshormone-uebertrugen-alzheimer/
Banerjee, G., Farmer, S.F., Hyare, H. et al.: “Iatrogenic Alzheimer’s disease in recipients of cadaveric pituitary-derived growth hormone”, Nature Medicine, 29. Januar 2024. https://www.nature.com/articles/s41591-023-02729-2
https://www.bmel.de/SharedDocs/FAQs/DE/faq-bse-allgemeines/FAQ-bse-allgemeines_List.html

×