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Die „Austrocknung“, also der Verlust von Körperwasser und Elektrolyten, ist nach wie vor einer der Hauptgründe für die weltweit hohe Sterblichkeit von Säuglingen und Kleinkindern. Schlechte hygienische Bedingungen und fehlende medizinische Betreuung sind meist die Ursache für Diarrhoe, auf die gerade Säuglinge und Kleinkinder so empfindlich reagieren. Sie haben einen größeren Grundbedarf an Flüssigkeit, wegen des Verhältnisses von Oberfläche zu Körpergewicht einen höheren Verlust durch Verdunstung und sind, wenn sie noch sehr klein sind, noch nicht in der Lage Durst und Flüssigkeitsverlangen mitzuteilen.
Die daraus resultierende Dehydratation oder Exsikkose kann schnell zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Glücklicherweise stehen uns in Europa alle Möglichkeiten zur Verfügung und dramatische Durchfälle kommen nur selten vor. Dennoch ist rasches Handeln gefragt. Säuglinge und Kleinkinder mit starkem Durchfall und/oder Anzeichen einer Dehydratation, wie trockenen Lippen oder Mattigkeit, gehören in die Klinik, wo sie gegebenenfalls parenteral versorgt werden können.
Auch bei älteren Menschen kann eine Dehydratation relativ schnell zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Ein deutlicher Flüssigkeitsmangel kann zum Abfallen des Blutdrucks und dadurch zu Stürzen führen. Auch die Nieren können versagen, ebenso kann es durch die Verschlechterung der Fließeigenschaften des Blutes zum Herzinfarkt beziehungsweise zum Schlaganfall kommen.
Eselsbrücke des Monats
„Cook it, boil it, peel it, or forget it“.
Man soll unter bedenklichen hygienischen Umstände nur Dinge essen, die entweder gekocht (oder gut durchgebraten) oder geschält sind. Rohe Lebensmittel können mit Bakterien oder Viren belastet sein. Mit diesem Merksatz kann man sich vor einer Reisediarrhoe schützen.
Meist sind Viren die Ursache Krampfartige Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall treten zum Beispiel bei einer klassischen viralen Gastroenteritis auf. Die weltweit häufigste Ursache sind Noroviren. Sie werden durch Schmierinfektion von Mensch zu Mensch übertragen und können Personen jeden Alters befallen. Da sie mit dem Stuhl und Erbrochenem in Massen ausgeschieden werden, ist die Erkrankung hoch ansteckend. Noch dazu sind Noroviren äußerst virulent. Bereits zehn Viren reichen, um den Wirt krank zu machen.
Und nicht nur das: Noroviren können tagelang auf Gegenständen wie Handtüchern, Türklinken, Wasserhähnen oder Toilettensitzen und -spülungen überleben. In Lebensmitteln können sie, auch gekühlt, ebenfalls gut überdauern. Selbst Temperaturen bis +60 Grad Celsius überstehen sie für mehrere Minuten. Beim Erbrechen können Noroviren außerdem eingeschlossen in winzigen Tröpfchen ein Stück weit über die Luft verbreitet werden. Die Zeit von der Ansteckung bis zum Auftreten der ersten Symptome beträgt normalerweise einige Stunden bis etwa zwei Tage.
Der Erkrankungsverlauf ist kurz, dafür aber heftig. Besonders in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern oder Altenheimen kommt es häufig zu Ausbrüchen. Für Kinder, insbesondere Säuglinge, alte Menschen und solche mit geschwächtem Immunsystem kann die Infektion lebensbedrohlich sein. Antibiotika sind als Therapieoption bei diesen viralen Infektionen nicht nur sinnlos, sie können auch die Darmflora schädigen und zu Komplikationen sowie schweren Verlaufsformen führen.
Wichtigste Behandlungsoption Unabhängig vom Alter des Betroffenen ist der Ausgleich der Verluste an Wasser und Elektrolyten die Behandlung der ersten Wahl. Besonders bei Kindern und älteren Menschen ist das reine Stoppen des Durchfalls keine Option. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine Mischung aus Salzen wie Kochsalz, Natriumcitrat sowie Kaliumchlorid und zusätzlich Glucose in einem definierten Verhältnis als hypotone Lösung. Kaliumchlorid dient dem Ausgleich intrazellulärer Kaliumverluste.
Die Glucose ist ebenfalls wichtig, da die Salze und das Wasser sonst nicht im Darm aufgenommen werden können. Glucose und Natrium gelangen nämlich über einen gekoppelten Transport, einen sogenannten Cotransport, in die Epithelzellen des Darms, Chlorid und Wasser folgen aufgrund des osmotischen Gradienten. So werden Wasser und Elektrolyte wieder aus dem Darmlumen in die Blutbahn transportiert anstatt aus der Blutbahn ins Darmlumen. Das heißt, durch die orale Rehydratationstherapie werden nicht nur verlorengegangene Stoffe ersetzt, der Durchfall wird auch reduziert.
Keine Experimente Das exakte Verhältnis der einzelnen Bestandteile der Elektrolyt-Mischung ist besonders wichtig. Ist die Zusammensetzung nicht ausgewogen – ist beispielsweise zu wenig Kalium in der Lösung – so kann es im Körper zu Dysbalancen kommen, die im schlimmsten Falle zu Krampfanfällen oder Nierenversagen führen. Deswegen sollten Produkte bevorzugt werden, die sich exakt an der Empfehlung der WHO orientieren und möglichst keine Zusatzstoffe enthalten. Isotonische Sportgetränke, Säfte und ähnliche Getränke erfüllen diese Kriterien nicht und sollten daher nicht verwendet werden.
Sie enthalten entweder zu wenig Natrium oder zu viele Kohlenhydrate, um die Vorteile des Natrium-Glucose-Cotransports nutzen zu können. Der osmotische Effekt des übermäßigen Konsums von Kohlenhydraten kann zu weiteren Flüssigkeitsverlusten führen. Vom veralteten Hausmittel Salzstangen und Cola kann man auch nur abraten. Die große Menge Zucker, die in Cola steckt, kann den Durchfall verstärken, Kalium fehlt ganz und gar. Außerdem kann die in Cola enthaltene Phosphorsäure den Magen zusätzlich reizen.
Hinweise zur Anwendung Die Mischung für die orale Rehydratationstherapie wird bei uns in einzeln vorportionierten Tütchen angeboten. Das Pulver muss nur noch in der korrekten Menge Wasser gelöst werden. Sind die hygienischen Zustände, beispielsweise im Urlaub, fragwürdig, und steht kein Wasser aus Flaschen zur Verfügung, muss das Wasser abgekocht werden. Tritt gleichzeitig Erbrechen auf, sollte dies nicht davon abhalten, die Lösung in kleinen Schlucken zu trinken. Meist lässt das Erbrechen im Laufe der Zeit nach und die häufigen, kleinen Gaben können gesteigert werden.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 04/2022 ab Seite 110.
Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion