Blutwerte
DIABETES
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Traubenzucker, also Glucose, ist der wichtigste Treibstoff unserer Körperzellen, die ihn verstoffwechseln und in Energie umwandeln. Die Kohlenhydrate aus der Nahrung werden von den Enzymen im Verdauungstrakt in Monosaccharide gespalten und von dort ins Blut transportiert. Das wichtigste Monosaccharid für unseren Körper ist die Glucose. Im Blut angekommen kann sie entweder direkt verwertet oder in der Leber in Form von Glykogen gespeichert werden. Damit die Zellen Glucose aufnehmen können, benötigen sie jedoch das Hormon Insulin, das ihre Zellmembran dafür durchlässig macht.
Ausnahmen sind Nervenzellen und rote Blutkörperchen – sie können auch ohne Insulin Glucose aufnehmen. Damit der Glucosespiegel im Blut möglichst konstant bleibt, wird sein Wert in der Bauchspeicheldrüse kontinuierlich gemessen. Ist er zu hoch, schütten die Betazellen Insulin aus, sodass der Glucosespiegel aufgrund der Aufnahme in die Zellen sinkt. Ist er hingegen zu niedrig, schütten die benachbarten Alphazellen das Hormon Glukagon aus, das in der Leber gespeicherte oder dort neugebildete Glucose ins Blut abgibt. Ist diese Regulation gestört und der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht, liegt ein Diabetes mellitus vor.
Verschiedene Diabetes-Formen Westeuropäer nehmen durchschnittlich 90 Gramm Glucose täglich auf – die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt für eine gesunde Ernährung jedoch nicht mehr als 25 Gramm. Diese Überversorgung kann auf lange Sicht zu Diabetes führen, genauer gesagt zum Typ-2-Diabetes (T2D), der hauptsächlich durch ungesunde Lebensführung ausgelöst wird. Wesentlicher Risikofaktor ist dabei das metabolische Syndrom, das durch Übergewicht mit Bauchfett, erhöhte Fettwerte und Bluthochdruck charakterisiert ist. Hierdurch kommt es früher oder später zu einer Resistenz der Körperzellen gegen Insulin, sodass sie Glucose immer schlechter aufnehmen können. Um dies auszugleichen, produziert die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin – bis sie irgendwann erschöpft ist.
T2D ist in frühen Stadien oft noch heilbar, wozu vor allem eine Gewichtsabnahme durch Bewegung und Sport sowie eine Ernährungsumstellung beitragen können. Anders ist es hingegen beim Typ-1-Diabetes (T1D). Er ist eine angeborene Autoimmunerkrankung, bei der die körpereigenen Immunzellen die Insulinproduzierenden Betazellen zerstören, sodass nicht mehr genug Insulin produziert wird. T1D ist nicht heilbar, die Patienten müssen lebenslang Insulin spritzen oder über eine Pumpe zuführen.
Zwei wichtige Werte Starker Durst, häufiges Wasserlassen und ein unerklärlicher Gewichtsverlust – all das können Symptome sein, die auf einen Diabetes hinweisen. Bei Verdacht darauf wird der Blutzuckerspiegel aus dem venösen Blutplasma ermittelt. Wichtige Werte sind dabei der Nüchternblutzucker sowie der Hämoglobin A1c-Wert (HbA1c), der anzeigt, wieviel Glucose an das Hämoglobin A in den roten Blutkörperchen gebunden ist. Der HbA1c ist ein Langzeitwert, der die durchschnittliche Höhe des Blutzuckerspiegels in den vergangenen zehn bis zwölf Wochen widerspiegelt.
Er ist ein wichtiger Wert in der Therapiekontrolle, da er anzeigt, wie gut ein Patient auf eine Behandlung anspricht – unabhängig davon, ob es sich um eine Änderung des Lebensstils oder die Gabe blutzuckersenkender Medikamente handelt. Er liegt bei Gesunden nicht über 5,7 Prozent, bei Menschen mit Diabetes hingegen meist über 6,5 Prozent. Der Nüchternblutzuckerwert wird acht bis zehn Stunden nach der Nahrungsaufnahme gemessen und wie andere kritische Werte in Milligramm pro Deziliter (mg/dl) oder Millimol pro Liter (mmol/l) angegeben.
Er beträgt bei Gesunden bis zu 100 mg/dl (oder 5,6 mmol/l). Der zwei Stunden nach dem Essen gemessene Glucosewert liegt normalerweise bei unter 140 mg/dl (7,6 mmol/l). Beträgt der Wert nüchtern über 126 mg/dl (7,0 mmol/l) oder nach dem Essen über 200 mg/dl (11,1 mmol/l), liegt ein Diabetes vor. Da der Blutzuckerspiegel im Laufe des Tages starken Schwankungen unterworfen ist und von vielen Faktoren wie Alter, Nahrungsaufnahme, Bewegung oder Stress abhängig ist, sollte man Blutwerte bei einem Verdacht auf Diabetes an mehreren Tagen erheben. Eine Fastenkur kann nämlich genauso zu einem falschen Ergebnis führen wie ein üppiges Essen am Abend vor der Blutabnahme.
Der C-Peptid-Blutwert liefert Aussagen über die Funktionsfähigkeit der Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse.
Früherkennung wichtig Der T2D entwickelt sich schleichend und oft dauert es Jahre, bis er diagnostiziert wird. In dieser Zeit kann es jedoch bereits zu Krankheitsfolgen kommen wie etwa Herz-Kreislauf-, Nieren- und Nervenschäden, Arteriosklerose oder Wundheilungsstörungen. Auch hier können die Blutzuckerwerte hilfreich sein, indem sie auf einen beginnenden Diabetes hinweisen. Das kann der Fall sein, wenn der Nüchternwert zwischen 100 und 125 mg/dl (5,6 bis 6,9 mmol/l) bzw. der HbA1c-Wert zwischen 5,7 und 6,5 Prozent liegt. In diesem Fall kann ein oraler Glucosetoleranztest (oGTT) Klarheit bringen. Dazu wird morgens nüchtern Blut abgenommen, danach trinken die Patienten eine konzen- trierte Zuckerlösung. Zwei Stunden später wird dann erneut Blut abgenommen. Liegt der Wert dann bei 140 mg/dl (7,8 mmol/l), liegt kein Diabetes vor. Bei höheren Werten muss man von einer Diabetesvorstufe ausgehen.
C-Peptid liefert genaue Ergebnisse Das C-Peptid ist ein Stoffwechselprodukt der Insulinbildung. Die Bauchspeicheldrüse produziert Proinsulin, das in Insulin und C-Peptid gespalten wird. Da das Peptid langsamer abgebaut wird als Insulin, kann sein Blutwert genauere Angaben zur Funktionsfähigkeit der Bauchspeicheldrüse liefern. Er wird daher genutzt, um zu sehen, ob die Beta-Zellen noch in der Lage sind, Insulin zu produzieren. Er ist damit ein wichtiger Wert, um zu entscheiden, ob ein T1D-oder ein T2D vorliegt und ob bei T2D Insulin gespritzt werden muss. Außerdem ist das C-Peptid gut geeignet, um eine Hypoglykämie (Unterzuckerung, Wert unter 50 mg/dl oder 2,8 mmol/l) nachzuweisen. Der Nüchternnormwert liegt bei 0,7 bis 2 µg/l, bei längerem Fasten kann er auch unter 0,7 µg/l sinken, ohne dass es kritisch wäre.
Verlaufskontrolle per Pieks Diabetiker müssen genau wissen, wie viel Insulin sie ihrem Körper zuführen. Spritzen sie zu viel, kann es zur Hypoglykämie kommen. Spritzen sie zu wenig, besteht die Gefahr einer Hyperglykämie, also einer Überzuckerung, die sich in Werten ab 180 mg/dl (7,8 mmol/l) ausdrückt. Beides kann schlimmstenfalls zu Koma und Tod führen. Eine gefürchtete Komplikation in diesem Zusammenhang ist bei T1D die Ketoazidose. Bei anhaltendem Insulinmangel gewinnt der Organismus dabei seine Energie durch den Abbau von Fetten, wodurch sich Ketosäuren anreichern, die zu einer potenziell tödlichen Übersäuerung des gesamten Körpers führen können.
Um den Insulinbedarf zu bestimmen, messen insulinpflichtige Patienten daher mehrmals täglich ihren Blutzucker, indem sie mit einer Lanzette einige Tropfen Kapillarblut aus der Fingerspitze entnehmen. Neben dem Nüchternblutzucker werden dabei meist auch präprandiale (vor dem Essen) und postprandiale Glucosewerte (nach dem Essen) gemessen. Wann und wie häufig gemessen wird, hängt aber von der Erkrankung, der verwendeten Insulintherapie und eventuell vorliegenden Komplikationen ab. Wichtig ist, dass Diabetiker ihren Langzeitzucker auf den Normwert einpegeln und starke Blutzuckerschwankungen dauerhaft unter Kontrolle haben.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/2021 ab Seite 26.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist