Darmbakterien
NICHT NUR ANTIBIOTIKA BEEINFLUSSEN MIKROBIOM
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Bereits 2018 fand eine Heidelberger Arbeitsgruppe um Dr. Peer Bork heraus, dass jeder vierte Arzneistoff Einfluss auf das Darmmikrobiom zeigt. Wenig später publizierte die gleiche Arbeitsgruppe ihre Erkenntnisse zur Akkumulation von Arzneistoffen im Darm. Ihre aktuelle Studie hält ebenso überraschende Ergebnisse bereit: „Wir haben festgestellt, dass Medikamente einen stärkeren Einfluss auf das Mikrobiom des Wirts haben können als Krankheiten, Ernährung und Rauchen zusammen“, erläutert der Studienleiter und Direktor der wissenschaftlichen Aktivitäten am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg.
Dies kann aber auch positive Folgen haben. „Viele Medikamente wirken sich negativ auf die Zusammensetzung und den Zustand der Darmbakterien aus, aber andere, darunter Aspirin, können einen positiven Einfluss auf das Darmmikrobiom haben“, sagt Bork. Ihre sogenannte Multi-Omics-Analyse führten die Forschenden an knapp 2200 Proband*innen der MetaCardis-Studie durch, die alle unter kardiovaskulären Erkrankungen litten und dementsprechend Medikamente einnehmen. Bei einer solchen Datenanalyse werden verschiedene „Omes“ miteinander verglichen oder kombiniert, um große biologische Datensätze zu erhalten. Dazu zählen beispielsweise Genom, Proteom, Transkriptom, Epigenom oder Mikrobiom.
Statine für ein gesunden Mikrobiom
Je nachdem welche Arzneistoffkombination eingenommen wird, verändert sich auch die Zusammensetzung des Mikrobioms. Statine sorgen zum Beispiel zusammen mit Acetylsalicylsäure (ASS) für ein gesünderes Mikrobiom, ebenso die Kombination aus Diuretika plus Betablocker. Wer Metformin einnahm, wies niedrige Vitamin-B-12-Spiegel auf, was daran liegt, dass der Arzneistoff die Aufnahme des Vitamins durch die Darmbakterien fördere. Die dauerhafte Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren führe zu einer Veränderung der Besiedelung im Mundraum, was vermutlich an der verminderten Magensäureproduktion liege.
Antibiotika-Effekt hält an
Die Studie lässt ebenfalls den Schluss zu, dass sich die negativen Auswirkungen von Antibiotika über eine längere Zeit halten könnten, wenn mehrere Behandlungen durchgeführt wurden. „Wir fanden heraus, dass das Darmmikrobiom von Patienten, die über fünf Jahre hinweg mehrere Antibiotika einnahmen, weniger gesund wurde. Dazu gehörten auch Anzeichen, die auf eine antimikrobielle Resistenz hinweisen“, sagt die andere Erstautorin der Studie, Dr. Sofia Forslund, ehemalige Postdoktorandin in der Bork-Gruppe und jetzt Gruppenleiterin am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin.
Studie soll sensibilisieren
Aus Sicht der Autoren wird den Auswirkungen auf das Mikrobiom noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, gerade wenn es um die Verordnung einer Dauermedikation geht. Der Zusammenhang zwischen der Dosierung von Arzneimitteln mit der Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem, der Verbesserung klinischer Marker und der Zusammensetzung des Mikrobioms bestehe und sollte daher auch berücksichtigt werden. „Wir konnten zeigen, dass Medikamente die Signaturen der Krankheit verschleiern und potenzielle Biomarker oder therapeutische Ziele verbergen können“, sagt Bork. Die Studienergebnisse sollen hilfreich für das Drug Repurposing sowie die künftig bedeutendere personalisierte Medizin sein.
Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/arzneistoffe-beeinflussen-mikrobiom-staerker-als-gedacht-130151/
https://de.knowledgr.com/21526655/Multiomics