Aufgepasst
LOTSENFUNKTION DER APOTHEKE BEI DEPRESSION
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Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) hat die Behandlung einer Depression in Schweregrad und Erkrankungsphase eingeteilt. Bei einer leichten akuten Episode sollten erst einmal überhaupt keine Medikamente eingesetzt werden; hier stehen Aufklärung, Information und Psychoedukation der Betroffenen im Fokus. Letzteres meint vor allem Schlafhygiene, Sport und Lichttherapie plus eine psychotherapeutische Basisbehandlung.
Neu in den Empfehlungen sind internet- und mobilbasierte Interventionen. Diese soll für Patient*innen mit leichten depressiven Episoden in ein therapeutisches Gesamtkonzept eingebettet werden – zum Beispiel digitale Gesundheitsanwendungen, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können (begleitet durch regelmäßigen Kontakt durch den behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten).
Ketamin spielt besondere Rolle
Geht die Depression in eine mittelgradige bis schwere Episode über, wie es im Fachjargon heißt, kommt auch eine medikamentöse Therapie infrage. Man tut sich ein wenig schwer mit der Tablettengabe, „sieht aber weiterhin die klinische Relevanz der Antidepressiva als gegeben an“. Medikamente allein seien nicht ausreichend, was bereits in der Vorgängerversion der Leitlinie Konsens war.
Eine Ausnahme macht hier allerdings Ketamin. Das hat einen anderen Wirkmechanismus als klassische Antidepressiva und ist zur Behandlung depressiver Patient*innen auch erst seit 2020 in Form eines Nasensprays zugelassen. Allerdings ist es wegen der Gefahr starker Nebenwirkungen nur für solche mit Therapieresistenz und Suizidalität vorbehalten, und das auch nur stationär.
Depressionen - wie entstehen sie?
Ebenfalls neu: Empfehlungen zum Absetzen von Antidepressiva
Die Leitlinie empfiehlt insgesamt nicht bevorzugt Substanzklassen. Hier ist vor allem der Punkt „weitere Kriterien“ für die Apotheken interessant: Es gehören nämlich Verfügbarkeit und Erstattungsfähigkeit, Kontraindikationen, Komorbiditäten, Nebenwirkungsprofil, Ansprechen und Handhabbarkeit dazu. Vor Beginn einer medikamentösen Therapie solle mit den Betroffenen vereinbart werden, wann das Ansprechen der Behandlung bewertet werden soll, denn das ist ja in der Regel erst nach einigen Wochen der Fall, und in der Regel wird auch mit einer niedrigen Anfangsdosis begonnen. Neu sind umfangreiche Empfehlungen zum Absetzen von Antidepressiva.
An der neuen Leitlinie hat auch die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) mitgewirkt.
Die NVL empfiehlt auch eine Prüfung der Adhärenz (Therapietreue) sowie Maßnahmen, die diese fördern. Unter „Apothekerische Versorgung“ steht hier: „Bei Anzeichen für depressive Symptome oder Suizidalität sollen Apotheker aktiv das Gespräch mit den betroffenen Menschen suchen, ihnen Möglichkeiten der Unterstützung aufzeigen, sie zum Annehmen ärztlicher und/oder psychotherapeutischer Hilfe ermuntern und gegebenenfalls weiterleiten.“ Den Apothekern kommt somit eine Lotsenfunktion zu.
Fragt der Kunde häufig nach Johanniskraut oder Sedativa?
Begründet wird die Empfehlung damit, dass Apotheken gut erreichbar sind und von den Betroffenen häufig aufgesucht werden. Neben dem Verhalten der Kund*innen sollte das pharmazeutische Personal auch auf wiederholte Selbstmedikationswünsche nach Johanniskraut, Sedativa, Hypnotika und Analgetika achten.
Als Aufgabe von Apotheken betrachtet die Leitlinie das Erkennen von Risikopatient*innen und Krisensituationen – und damit gegebenenfalls eine Zuweisung in ärztliche Behandlung. Auch Beratung und Information gehören dazu, ferner ein Interaktionsmanagement sowie eine Medikationsanalyse bei Polymedikation. Auch ein Nebenwirkungsmanagement könnte vonnöten sein.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung