Weihnachtsschmuck© RomoloTavani / iStock / Getty Images

Weihnachtszeit in der Apotheke

ALLE JAHRE WIEDER?

Ja, es ist schon bald wieder Weihnachten. Das steht seit gut 2000 Jahren fest im Kalender – und überrascht so manchen dennoch jedes Jahr. Ausgenommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken. Die sind vorbereitet. Oder etwa nicht?

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Stellen Sie sich vor, es ist Weihnachten – und in der Apotheke ist alles wie immer. Keine glitzernden Sterne im Schaufenster. Kein Weihnachtstisch mit Geschenkideen aus der Apotheke, keine Adventskalender mit hochwertiger Kosmetik. Keine kleinen Aufmerksamkeiten für treue Stammkunden. Unmöglich? – Nicht ganz. Denn es gibt sie durchaus, Apotheken, die mit Adventsaktionen,Weihnachtsdeko und Geschenke-Verpackungsservice nur wenig oder gar nichts am Hut haben. Die Süd-Apotheke in Frankfurt am Main ist eine davon.

Der Grund: Die von außen etwas unscheinbare Offizin im Stadtteil Sachsenhausen ist hochspezialisiert. Unter anderem auf die Versorgung von HIV- und Hämophilie-Patienten. Die 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen zudem in zwei Steril-Laboren individuelle Medikamentenzubereitungen her, zum Beispiel für Patienten mit Rheuma, Mukoviszidose, Krebs oder chronischen Schmerzen. „Wir haben nicht sehr viel Laufkundschaft“ erklärt PTA Jasmina Milenovic, die seit gut drei Jahren in der Süd-Apotheke arbeitet. Deshalb gebe es auch keine großen Aktionen zu Weihnachten.

Kommet, ihr Hirten Ganz anders in der Marien-Apotheke in Prien am Chiemsee. Auch die ist ein hochmoderner Betrieb, der mit rund 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern große Kliniken und Seniorenheime mit Arzneimitteln versorgt und zudem Zytostatika und homöopathische Arzneimittel herstellt. In der rund 150 Jahre alten Offizin am Marktplatz allerdings geht es bayerisch-traditionell zu – vor allem in der Weihnachtszeit: Der Verkaufsraum mit den Regalen und Schränken aus gedrechseltem Holz ist weihnachtlich geschmückt und duftet nach den Teemischungen, die die Apotheke selbst herstellt. Ein Gabentisch präsentiert Geschenkideen: Kosmetik, Duftöle oder auch Badezusätze wie das apothekeneigene Erkältungsbad.

Und natürlich schmückt eine alpenländische Krippe den Verkaufsraum – mit Maria, Josef und dem Jesuskind, mit Ochs und Esel, Engeln und Hirten. Zuständig für den Weihnachtszauber ist seit vielen Jahren PTA Veronika Huber. Sie sorgt dafür, dass alle Angebote schön arrangiert sind, dass kleine Geschenke für Kunden oder Mal- und Bastelutensilien für Kinder bereitliegen. Gleich nach den Sommerferien fängt sie damit an, wenn entschieden wird, womit sich die Apotheke in diesem Jahr bei Ihren Kunden bedanken will. Spätestens im September müssen die Bestellungen dafür raus, damit die kleinen Aufmerksamkeiten rechtzeitig zur Vorweihnachtszeit geliefert werden.

Süßer die Kassen nie klingeln So wie Veronika Huber kümmern sich in vielen Apotheken die PTA darum, die Offizin zu dekorieren, kleine Päckchen für Kinder und Kunden zu packen oder Aufkleber mit Weihnachtsgrüßen auf Werbegeschenken anzubringen. Und sie machen das neben all ihren anderen Aufgaben, die in der Zeit vor dem Fest ohnehin mehr werden. Denn egal ob in Frankfurt oder am Chiemsee, und egal ob mit oder ohne Weihnachtszauber im Verkaufsbereich: „Für die Apotheken in Deutschland ist die Zeit vor Weihnachten die betriebsamste im ganzen Jahr“, sagt Carmen Steves, Vorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutisch-technischen AssistentInnen (BVpta).

Im Winter gebe es ohnehin schon mehr Infekte und damit Bedarf an Hustensaft, Halsschmerztabletten, Nasenspray und Co. „Aber je näher die Feiertage rücken, desto nervöser werden die Kunden, was ihre Medikamentenversorgung angeht. Viele wollen über das Fest einen entsprechenden Vorrat haben, vor allem an rezeptpflichtigen Arzneimitteln, denn über Weihnachten sind ja auch die Ärzte nicht da“, weiß Steves aus eigener Erfahrung. Für die Apotheken bedeute das deutlich mehr Umsatz und Arbeit.

Vor Weihnachten nehme das Geschäft merklich zu, bestätigt auch Eva Laxganger, Apothekerin in der Priener Marien-Apotheke. Dafür sorgen nicht nur Vorratsbestellungen von Kliniken und Stammkunden, sondern auch mehr Laufkundschaft. „Die Leute sind ohnehin in der Stadt unterwegs, kaufen Geschenke ein oder gehen zum Weihnachtsmarkt“, erzählt Laxganger. Da liegt die Apotheke dann einfach auf dem Weg – und gerade für schwierige Geschenk-Kandidaten bietet sie willkommene Alternativen: „Heuer wieder sehr beliebt sind die Einkaufsgutscheine über 50 oder 100 Euro“, sagt Laxganger. Da könne sich der oder die Beschenkte dann selbst aussuchen, wofür er oder sie den Betrag nutzen möchte.

Stille Nacht, eilige Nacht Was die Apothekenkasse klingeln lässt, bedeutet für das Personal oft Überstunden und Urlaubssperre. Im Dezember und besonders in der Woche vor Heiligabend wird in den meisten deutschen Apotheken die volle Besetzung gebraucht. Viele Teilzeit-PTA leisten dann mehr Stunden als sonst. Vollzeit-Kräfte bauen Überstunden auf. „Solange das im Rahmen bleibt und die Stunden anschließend wieder abgebaut werden, ist das vollkommen in Ordnung“, findet BVpta-Chefin Steves. Allerdings weiß sie auch, dass im brummenden Weihnachtsgeschäft ein grundsätzliches Problem besonders durchschlägt: Personalknappheit.

„In vielen Apotheken mangelt es an Personal. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel in deutlich über 10 Prozent der Apotheken“, verrät Steves aus den Ergebnissen einer aktuellen Studie, die demnächst veröffentlicht werden soll. Bundesweit, schätzt Steves, liegt die Zahl noch weit höher. Besonders schwierig ist es an Tagen wie Heiligabend oder Silvester, denn da hat jeder gern frei um letzte Besorgungen zu erledigen oder um sich in Ruhe auf das Fest einzustimmen. Aber der 24. und der 31. Dezember sind normale Werktage.

Da hilft nur gute Absprache im Team und eine möglichst gerechte Verteilung der Dienste an den so genannten Vorfeiertagen. An Heiligabend müssen Apotheken und andere Geschäfte zwar um 14 Uhr schließen, aber der Vormittag gehört zu den stressigsten im ganzen Jahr. Die eigenen letzten Besorgungen „bleiben dann häufig an jemand anderem in der Familie hängen“, erzählt Laura Rennert, PTA in der Odenwald-Apotheke im südhessischen Weschnitztal. Die ist – wie viele andere Landapotheken auch – oft die letzte Hoffnung für Last-Minute-Einkäufer, die schnell noch ein duftendes Badeöl oder eine reichhaltige Gesichtscreme für Mama oder Freundin brauchen.

Immer froh und munter sein! – heißt es dann für die PTA hinter dem HV-Tisch. Selbst wenn der Kunde davor im Weihnachtsstress und völlig genervt ist. Das Gleiche gilt für all jene, die über die Feiertage Dienst oder Notdienst haben. Ein Schicksal, das sie übrigens mit rund fünf Millionen anderen Menschen im deutschen Gesundheitswesen teilen: Kranken- und Altenpflegern, Rettungssanitätern, Mitarbeitern in Pflegediensten und Ärzten. Die Apotheker sind zwar weitaus mehr vom Apothekennotdienst betroffen als die PTA, aber „in frequenzstarken Betrieben ist es durchaus üblich, dass auch PTA im Notdienst mitarbeiten“, sagt Carmen Steves vom Berufsverband.

Wie man das gut übersteht? „Die Kollegen und Kolleginnen müssen schon in der Vorweihnachtszeit darauf achten, immer wieder zur Ruhe zu kommen, zuhause zu entspannen und Energie zu tanken, mit Aktivitäten, die ihnen Freude machen“, rät Verbandsfrau Steves. Viele halten es aber auch einfach so wie Laura Rennert aus dem Odenwald: „Der Dezember ist ein Monat, der einfach rumgehen muss, den man einfach hinter sich bringt und gut ist“, lacht die 24-jährige.

Sie hat gut lachen, denn für sie hat sich der Dienst an Weihnachten schon erledigt: Sie geht nämlich Mitte Dezember in die Babypause. Auch Ihre Kollegin Jasmina Milenovic aus Frankfurt, die nicht nur an Heiligabend, sondern auch in der kompletten Woche zwischen Weihnachten und Silvester arbeiten wird, sieht’s pragmatisch – und freut sich auf den ruhigeren Januar. Und dann verrät sie noch, dass es selbst in der Süd-Apotheke nicht ganz ohne weihnachtliche Anklänge geht: Exotische Gewürze und Rosenwasser für die Weihnachtsbäckerei gibt es hier nämlich auch. Also doch: Fröhliche Weihnacht – überall!

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 12/2021 ab Seite 126.

Stefanie Heiß, freie Journalistin

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