Eine Apothekerin oder PTA reicht einem Kunden ein Arzneimittelpäckchen über den HV-Tisch.© Gligatron / iStock / Getty Images Plus
Mehr Spielraum bei der Abgabe, wenn Arzneimittel nicht lieferbar sind - das verspricht das neue Lieferengpass-Gesetz.

ALBVVG

AUSTAUSCHREGELN AB 1. AUGUST – DAS LIEFERENGPASSGESETZ KONKRET

Nullretax, Verfügbarkeitsanfragen, Präqualifizierung: Es soll ab nächsten Monat einiges anders werden. Das verspricht zumindest das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs-und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG).

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Am 19. Juni verabschiedete der Bundestag das Lieferengpassgesetz nach langem Hin und Her. Am 7. Juli berät noch der Bundesrat darüber, das Gesetz ist aber nicht zustimmungspflichtig. Es ist also beschlossene Sache.

Die erleichterten Austauschregeln aus Pandemiezeiten werden darin (endlich) gesetzlich zementiert, nachdem die aktuelle notdürftige Übergangslösung Ende Juli ausläuft. Doch was steht denn nun genau drin in diesem lang erwarteten Gesetz? Hier sind die neuen Regeln.

Austausch erlaubt

Künftig bekommen die Apotheken für den Fall, dass das verordnete Arzneimittel nicht lieferbar ist, einige Erleichterungen für den Austausch. Die Voraussetzung ist immer, dass der Arzt aut idem nicht ausgeschlossen hat und der Patient einverstanden ist. Außerdem darf die Gesamtmenge des verordneten Wirkstoffes nicht überschritten werden.

Dann können die Apotheken in den folgenden Punkten ohne Arztrücksprache von der Verordnung abweichen:

  • Packungsgröße (auch, wenn dann eine andere Normgröße abgegeben wird)
  • Packungszahl
  • Abgabe von Teilmengen einer Packung
  • Wirkstärke, wenn keine pharmazeutischen Bedenken bestehen

In der Apothekenbetriebsordnung kommt ein Absatz dazu, der festlegt: Diese Regeln gelten auch für Privatversicherte und Selbstzahler. Auch die Arzneimittelpreisverordnung bekommt einen Zusatz. Im Falle eines solchen Austausches bekommt die Apotheke zukünftig einen Zuschlag von 50 Cent plus Umsatzsteuer.

Um nicht wieder Übergangsregelungen notwendig zu machen, steht diesmal ein besonderer Passus im Gesetzestext. Die erweiterten Austauschregeln treten in jedem Fall am 1.August in Kraft, auch wenn die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wieder einmal länger dauern sollte als geplant.

Retaxationen verboten

Konkret sind Retaxationen in folgenden Fällen zukünftig bei diesen Formfehlern verboten:

  • Die Dosierungsangabe fehlt auf dem Rezept.
  • Das Ausstellungsdatum ist unleserlich oder fehlt.
  • Die Belieferungsfrist laut Arzneiliefervertrag ist um bis zu drei Tage überschritten (Ausnahmen: Betäubungsmittel und Wirkstoffe, für die eine kürzere Abgabefrist festgelegt ist, zum Beispiel T-Rezepte).
  • Das Arzneimittel wurde schon vor der Vorlage des Rezeptes abgegeben.
  • Die Genehmigung zur Abgabe fehlt und wurde erst nachträglich erteilt.

Die Begründung: Hier sieht der Gesetzgeber Retaxationen als unverhältnismäßig an.

Wenn der Nachweis der Nichtverfügbarkeit (also die Dokumentation der Verfügbarkeitsanfrage beim Großhändler) fehlt oder trotz Verfügbarkeit kein Rabattartikel oder preisgünstiges Arzneimittel abgegeben wurde, darf die Krankenkasse zukünftig nur die Apothekenvergütung retaxieren. Das abgegebene Arzneimittel muss aber bezahlt werden – keine Nullretaxen mehr. Gerade bei teuren Medikamenten ist das ein wichtiger Punkt.

Weiter müssen die Apotheken, die nur von einem Großhändler beliefert werden, in Zukunft auch nur eine Verfügbarkeitsanfrage dokumentieren. Alle anderen Apotheken brauchen wie bisher auch mindestens zwei bei verschiedenen Großhändlern.

Präqualifizierung entfällt – vielleicht

Dem Gesetzentwurf nach soll für „apothekenübliche Hilfsmittel“ die Präqualifizierung zukünftig wegfallen. Die Begründung: Apotheken erfüllen durch die Apothekenbetriebsordnung bereits die Voraussetzungen für eine Abgabe dieser Hilfsmittel.

Welche Hilfsmittel genau gemeint sind, steht noch nicht fest. Der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband bekommen in dem Gesetz den Auftrag, darüber zu verhandeln. In sechs Monaten erwartet der Gesetzgeber eine Einigung, danach hat eine Schiedsstelle weitere drei Monate Zeit für eine Lösung. Im Klartext bedeutet das: Es könnte noch neun Monate dauern, bis die Präqualifizierung tatsächlich wegfällt.

Die Sanitätshäuser fühlen sich durch die neue Regelung benachteiligt und beschweren sich über Lobbyismus. Allerdings kommen aus der SPD-Bundestagsfraktion bereits beschwichtigende Töne: Man habe die anderen Leistungserbringer nicht vergessen. Das kommende Entbürokratisierungsgesetz soll die Präqualifizierung generell entschlacken.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/arzneimittel-austausch-nullretax-das-sind-die-regeln-140887/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/06/26/welche-austauschregeln-gelten-ab-1-august
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/praequalifizierung-neun-monate-bis-schiedsspruch/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/06/29/sanitaetshauschef-beklagt-privilegierung-der-apotheken

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