Arthrose: Knorpel unter Druck
20 Minuten
- 1Arten von Gelenkschmerz
- 2Arthrose: Verlauf & Diagnose
- 3Arthrose-betroffene Gelenke
- 4Pathophysiologie der Arthrose
- 5Gesunder Lebensstil
- 6NSAR & Topika
- 7Phytos & Co.
- 8Lernerfolgskontrolle
01. Juni 2025
Einblick in die Anatomie
Um das Krankheitsgeschehen zu verstehen, hilft ein Blick auf die Gelenke des Menschen. Die Vielzahl an Gelenken sorgt dafür, dass der Mensch überhaupt in Bewegung sein kann. Dabei werden echte von unechten Gelenken unterschieden.
- Die unechten Gelenke (Synarthrosen) lassen nur eine äußerst eingeschränkte Beweglichkeit zu, da die Knochenenden (Gelenkkörper) lediglich mit Hilfe von Knorpel oder Bindegewebe verbunden sind. Beispiele dafür sind die Bandscheiben oder die Schädelnähte.
- Die vielen kleinen Gelenke zwischen den Wirbeln (Facettengelenke) sowie an Händen und Füßen und die sechs großen Gelenke wie das Schulter-, Ellenbogen-, Hand-, Hüft-, Knie- und Sprunggelenk sind hingegen echte Gelenke (Diarthrosen). Sie ermöglichen einen größeren Bewegungsradius aufgrund eines Hohlraums zwischen den Knochenenden, dem Gelenkspalt (Spatium articulare).
Der Gelenkspalt ist Teil der Gelenkhöhle, in dem die Knochenenden liegen. Die Gelenkhöhle (Cavitas articularis) wird durch die Gelenkkapsel (Capsula articularis) begrenzt. Somit schließt die Gelenkkapsel das Gelenk nach außen hin luftdicht ab. Ihre äußere Schicht (Membrana fibrosa) besteht aus festem Bindegewebe, dessen Fasern sich durch längere Ruhestellung des Gelenkes (z. B. nach einer Verletzung) verkürzen können, sodass die Gelenkkapsel schrumpft. Die innere Schicht (Membrana synovialis/Synovialis) ist elastisch und stark durchblutet. Sie produziert die Gelenkflüssigkeit (Synovia), welche die Ernährung des Knorpels gewährleistet.
Der Knorpel besteht zu 95 Prozent aus extrazellulärer Knorpelmatrix (Wasser, Kollagen, Proteoglykane). Die restlichen fünf Prozent des Knorpelvolumens werden von Knorpelzellen (Chondrozyten) ausgefüllt. Der Knorpel kleidet die beteiligten Knochen mit einer glatten, elastischen Schutzschicht aus. Dieses Polster gleicht Unregelmäßigkeiten der Knochenstruktur aus und wirkt wie ein Stoßdämpfer, der Krafteinwirkungen abfedern oder vielmehr gleichmäßig über das Gelenk verteilen kann. Zugleich werden Knochenabreibungen bei Bewegungen verhindert und damit ein reibungsloses Funktionieren der Gelenke ermöglicht.
Zusätzlich reduziert die Gelenkflüssigkeit Reibung innerhalb der Gelenkhöhle, da sie sich bei Druckbelastungen wie ein Gleitfilm zwischen beide Knorpel legt. Die Gelenkflüssigkeit ist zudem Nährstofflieferant für den Knorpel. Da dieser nicht durchblutet wird, müssen Nährstoffe von der gefäßdurchsetzten Gelenkinnenhaut mit Hilfe von Diffusion in den Knorpel transportiert werden. Durch Bewegung der Gelenke wird ein optimaler Stoffaustausch ermöglicht.
Bei Entlastung saugt der Knorpel wie ein Schwamm neue Nährlösung auf. Bei Druckbelastung wird verbrauchte Flüssigkeit samt Stoffwechselprodukten aus dem Knorpel herausgepresst und wieder ans Blut abgegeben.

Veränderungen an Knorpel und Knochen
Durch den regelmäßigen Wechsel zwischen Be- und Entlastung wird der Knorpel ausreichend mit Nährstoffen versorgt und gesund erhalten. Gestörte Belastungsverhältnisse führen hingegen zu einem kontinuierlichen Verlust des Gelenkknorpels.
Zunächst wird die Knorpeloberfläche rauer und kleine Knorpelstückchen können absplittern. Damit verliert der Knorpel an Festigkeit und Elastizität. Zudem reiben aufgeraute Knorpelschichten aneinander und stören den reibungslosen Ablauf der Bewegung. Abrieb ist die Folge, durch den der Knorpel schrittweise abgetragen wird.
Schließlich wird die schützende Pufferschicht immer dünner, bis sie vollständig abgenutzt ist und der Knochen teilweise oder ganz frei liegt. Zugleich wird der Gelenkspalt immer schmaler, sodass die Knochenenden letztendlich schmerzhaft aneinander reiben können.
Auch der Knochen reagiert auf den Knorpelabrieb. Mit der Zeit verändert er sich. Umbauprozesse werden eingeleitet, bei denen sich Knochenanteile verdichten und verhärten (subchondrale Sklerosierung). Am Rand der Gelenkflächen können sich zum Druckausgleich knöcherne Auswüchse (Osteophyten) bilden, was durch knotig verdickte und deformierte Gelenke sichtbar wird. Sie können den Bewegungsspielraum zusätzlich verringern.
Die Osteophytenbildung dicht oberhalb der Wirbelkörperkante wird Spondylose und Umbauprozesse an den Zwischenwirbelgelenken Spondylarthrose oder Facettengelenksarthrose genannt.
Reaktive Entzündungsprozesse
Aufgrund von entzündlichen Prozessen stellen sich phasenweise akute schmerzhafte Phasen ein, die den Abbau des Knorpels begleiten und weiter schädigen. Bei diesem als aktivierte Arthrose bezeichnete Stadium gelangt abgeriebenes Knorpelmaterial in die Gelenkflüssigkeit, wodurch die Gelenkinnenhaut gereizt wird.
Sie entzündet sich schließlich (Synovialitis), was mit einer Überproduktion von Gelenkflüssigkeit einhergeht, die als schmerzhafte Schwellung (Gelenkerguss) sicht- und tastbar wird und sich mit Rötung und Überwärmung der Gelenke bemerkbar macht. Während der Entzündungsreaktionen werden Enzyme (Metalloproteinasen) und weitere entzündungsfördernde Substanzen (z. B. Interleukin 6/IL-6) freigesetzt, die den Knorpel zunehmend beschädigen. Damit wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt, bei dem der Knorpel fortschreitend abgebaut wird und schließlich in einer Zerstörung der Gelenke endet.
Beschleunigter Krankheitsverlauf
Zudem facht mangelnde Bewegung den Knorpelabbau an. Da sich die Schmerzen in diesem Stadium bei Belastung verstärken, bewegen sich viele der Betroffenen zunehmend weniger. Damit wird aber zugleich weniger Gelenkflüssigkeit in den Gelenkspalt gespült, wodurch sich wiederum die Nährstoffversorgung des Knorpels verschlechtert. Das Fortschreiten der Arthrose nimmt damit zusätzlich Fahrt auf, was letztendlich zu einer chronischen Gelenksteifigkeit und damit zur Unbeweglichkeit der Betroffenen führt.
Im Zuge der fortschreitenden Knorpelabbau- und Knochenumbauprozesse werden auch angrenzende Strukturen wie Sehnen, Bänder und Muskeln geschädigt, die für die Stabilität des Gelenks verantwortlich sind. Die Muskelmasse nimmt ab, die Muskelfasern verkürzen sich und die Kapsel schrumpft, wodurch die Gelenke zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Ihre Beweglichkeit wird eingeschränkt und die Beschwerden verstärken sich.
Überdies tragen eine Schonhaltung und Schonbewegungen, die eigentlich der Schmerzvermeidung dienen, zum Schmerzgeschehen bei. Sie können die Beweglichkeit des Gelenkes zusätzlich beeinträchtigen. Aber auch Fehlbelastungen anderer Gelenke und Bereiche des Bewegungsapparats sind typische negative Folgen, die die Problematik häufig nicht nur verlagern, sondern intensivieren. Beispielsweise schmerzt bei einer Coxarthrose vielfach nicht nur die Hüfte. Es entwickelt sich vielmehr eine komplexe Schmerzsymptomatik, die auch Knie und Rücken miteinbezieht.