Überreaktion
ALLERGIEN UND HEUSCHNUPFEN – EIN UPDATE
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Allergien sind keine Modeerscheinung des 20. Jahrhunderts. Bereits vor Jahrtausenden starb der ägyptische Pharao Menes an den Folgen eines Wespenstiches. Der Name für das Phänomen ist allerdings erst seit einem Jahrhundert gebräuchlich. Das Wort „Allergie“ (griechisch allos = anders und ergon = Reaktion) umschreibt die veränderte Reaktion des Körpers auf Fremdstoffe.
Eigentlich harmlose körperfremde Stoffe lassen das Immunsystem aus dem Ruder laufen. Die überschießende Abwehrreaktion des Organismus auf diese als Allergene bezeichneten Fremdstoffe kann von schwach bis lebensbedrohlich ausfallen und sich an den unterschiedlichsten Stellen zeigen.
Wo äußern sich Allergien?
Typische Manifestationen sind die Schleimhäute
- des Nasen-Rachen-Raums,
- des Auges und
- des Magen-Darms-Traktes
- sowie die Haut.
Oft leiden Betroffene an mehreren Allergien zugleich. Sie können aber auch einzeln oder zeitlich versetzt auftreten. Am häufigsten entwickeln sich eine allergische Rhinitis, ein allergisches Asthma und eine atopische Dermatitis, die als Erkrankungen des atopischen Formenkreises bezeichnet werden. Ebenso ist das Kontaktekzem weit verbreitet.
Humorale und zelluläre Immunantwort
Allen allergischen Reaktionstypen liegt eine immunologische Reaktion zugrunde, bei der sich entweder spezifische Antikörper oder spezifische Immunzellen bilden. Typ I, II und III sind Antikörper-vermittelt (humorale Immunabwehr). Während beim Typ I spezifische Antikörper vom Immunglobulin-Typ E (IgE) eine Rolle spielen, sind es beim Typ II und III IgG- und IgM-Antikörper. Typ IV ist hingegen T-Zell-vermittelt (zelluläre Immunantwort).
Davon abzugrenzen sind eine Unverträglichkeit oder Überempfindlichkeit. Sie werden häufig mit einer Allergie verwechselt, sind aber nicht immunologisch bedingt. Ihnen liegen vielmehr unterschiedliche Pathomechanismen (wie Enzymmangel oder Transporterdefekte) zugrunde. Auch muss die Allergie von Autoimmunkrankheiten differenziert werden, bei denen eine fehlgerichtete Immunantwort auf körpereigene Strukturen vorliegt.
Typ I: Soforttyp
90 Prozent aller allergischen Reaktionen zählen zum Soforttyp, die auch als Typ-I-Reaktionen und dementsprechend als Allergien vom Typ I bezeichnet werden. Soforttyp deshalb, weil die allergischen Beschwerden innerhalb weniger Sekunden bis Minuten nach Allergenkontakt auftreten. Möglich ist aber auch eine verzögerte Reaktion nach vier bis sechs Stunden.
Verschiedene Auslöser, wie Pollen, Milbenkot, Nahrungsmittel, Insektengifte oder Tierhaare, können vielfältige Beschwerden beziehungsweise allergische Erkrankungen hervorrufen. Typische Beispiele einer Typ-I-Allergie sind die Erkrankungen des atopischen Formenkreises, eine Nesselsucht (Urtikaria), Insektengiftallergien sowie der anaphylaktische Schock.
Typ IV: Spättyp
Beim Spättyp oder der Typ-IV-Reaktion setzen die allergischen Symptome erst zwölf bis 48 Stunden nach dem Allergenkontakt oder sogar später ein. In selten Fällen macht sich die Spätreaktion auch erst nach Wochen bemerkbar. Sie ist T-Zell-vermittelt, das heißt die Allergie wird nicht durch Antikörper, sondern durch sensibilisierte T-Lymphozyten ausgelöst.
Diese wandern an die Kontaktstelle des Allergens und führen zu einer Gewebsentzündung, die sich mit juckenden, geröteten Quaddeln zeigt. Nach diesem Reaktionsmuster verlaufen beispielsweise Transplantat-Abstoßungsreaktionen oder das allergische Kontaktekzem.
Typ II und III: selten
Die zytotoxische Reaktion (Typ II) und die Immunkompexbildung (Typ III) sind sehr selten. Beispiel für eine Typ-II-Allergie ist eine Agranulozytose, bei der es durch Arzneistoffe wie Metamizol zu einer Zerstörung körpereigener Zellen (Zytolyse) kommt.
Bei einer Typ-III-Allergie bilden sich Komplexe aus Allergenen und Antikörpern, die Entzündungsreaktionen auslösen. Ein Beispiel dafür ist die Vogelzüchterlunge, bei der durch Einatmen tierischer Proteine aus dem Staub oder Kot von Vögeln entzündliche Reaktionen des Lungengewebes eintreten.
Was bei Typ I-Allergien passiert: explodierende Mastzellen
Bevor jedoch beim häufigsten Allergietyp, also beim Typ I, sichtbare Reaktionen auftreten, muss eine Sensibilisierung stattgefunden haben. Das bedeutet, dass die B-Lymphozyten bei Erstkontakt mit dem Fremdstoff Antikörper vom Typ IgE bilden, die sich gegen diesen Fremdstoff richten. Sie setzen sich auf die Oberfläche von Mastzellen und warten dort quasi auf den erneuten Kontakt mit ihrem Allergen.
Was sind nochmal Mastzellen?
Mastzellen haben als Zellen der körpereigenen Abwehr Entzündungsstoffe (Mediatoren) gespeichert und sind mit spezifischen Bindungsstellen für IgE-Antikörper ausgestattet. Sie befinden sich im Blut und in Körpergeweben, insbesondere in der Haut und in den Schleimhäuten von Nase, Mund, Augen sowie der Atmungsorgane und des Darms.
Kommt es zu einem wiederholten Kontakt mit dem Allergen (Antigen), dann wird dieses in der zweiten Reaktionsphase an seine spezifischen IgE-Antikörper auf den Mastzellen gebunden. Bei dieser Antigen-Antikörper-Reaktion überbrückt ein Antigen zwei benachbarte Antikörper (bridging) und bringt damit die Mastzelle zum Platzen (Degranulation). Die Mastzellen entleeren sich und setzten dabei Entzündungsstoffe frei.
Histamin und andere Mediatoren
Der wichtigste Mediator ist Histamin, das an H1-Rezeptoren verschiedener Körpergewebe bindet. Das zieht eine lokale Vasodilatation und eine erhöhte Permeabilität der Gefäße nach sich. Dies wiederum ist mit Rötung, Quaddelbildung, Ödemen sowie einer verstärkten Schleimsekretion verbunden. Bei einer allergischen Rhinitis zeigt sich das durch die typischen Beschwerden an Nase und Augen. Auch lässt es die Bronchialmuskulatur kontrahieren, was einen Asthmaanfall auslösen kann.
Neben Histamin spielen noch Leukotriene und andere zelltoxische Mediatoren eine Rolle. Sie werden ungefähr vier bis 24 Stunden nach Allergenkontakt im Rahmen einer Spätphasenreaktion über aktivierte eosinophile Granulozyten freigesetzt. Dadurch entzündet sich die Nasenschleimhaut chronisch; es kommt zur vermehrten nasale Obstruktion sowie einer nasale Hyperreaktivität auf unspezifische Reize wie Temperaturänderungen, Tabakrauch, Abgase oder Duftstoffe.
Genetische Veranlagung
Die Neigung eine Allergie zu entwickeln ist vererbbar, man spricht von Atopie. Die Erscheinungsform der Allergie wird jedoch nicht weitergegeben, sondern nur die Bereitschaft zu einer allergischen Reaktion.
Die Wahrscheinlichkeit eine Allergie auszubilden ist von der Familienanamnese abhängig. Laut Statistik beträgt das Risiko an einer Allergie zu erkranken für ein Kind ohne allergievorbelastete Eltern 5 bis 15 Prozent. Es erhöht sich auf circa 20 bis 40 Prozent, wenn ein Elternteil allergisch ist. Sind beide Eltern Allergiker, dann beträgt das Risiko der Kinder 50 bis 60 Prozent und schnellt auf 60 bis 80 Prozent, wenn beide Eltern unter der gleichen Allergie leiden.
Äußere Einflussfaktoren
Damit eine Allergie ausbricht, müssen neben der Allergieveranlagung noch verschiedene äußere Einflussfaktoren dazukommen. Vor allem werden
- frühkindliche Infektionen,
- Ernährungsgewohnheiten,
- Allergendosierung,
- Innenraumbelastung (z. B. mit Schimmelpilzsporen oder Tabakrauch),
- Luftverschmutzung (z. B. Schwefeldioxid, Feinstäube, Ozon) sowie
- der westliche Lebensstil
mit dem Auftreten von Allergien in Verbindung gebracht.
Hygienehypothese und Bauernhof-Effekt
Letztes soll auch erklären, warum in den letzten Jahren in fast allen industrialisierten Ländern allergische Erkrankungen an häufiger und schwerer wurden. Die als Hygienehypothese bekannt gewordene Annahme geht davon aus, dass in westlichen Ländern eine übertriebene Hygiene zu einer das kindliche Immunsystem nur mangelhaft aktiviert.
Unterstützt wird die Vermutung durch den Umstand, dass Bauernhof-Kinder deutlich seltener an Allergien leiden als Kinder, die in der Stadt aufwachsen sind. Kinder, die auf Bauernhöfen groß geworden sind, kommen mit zahlreichen Keimen, Schmutz und Krankheitserregern in Kontakt und trainieren somit ihr Immunsystem. Dies wird als Bauernhof-Effekt bezeichnet. Dabei sollen besonders Kinder profitieren, die auf einem Bauernhof mit traditioneller Rinderhaltung groß geworden sind, da sie dort einem speziellen Molkenprotein aus Stallstaub, direkter Umgebungsluft und Rohmilch begegnen.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Auswirkungen des Lockdowns während der Coronapandemie und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen auf das Allergiegeschehen. Das beobachtete eine irische Kohorten-Studie (CORAL-Studie). Bei Kindern, die im Pandemiejahr 2020 zur Welt kamen, traten signifikant häufiger Nahrungsmittelallergien und atopische Ekzeme auf, als bei einer Vergleichskohorte von Gleichaltrigen, die in der Vorpandemie untersucht wurde. Und das, obwohl die in 2020 Geborenen im Schnitt länger gestillt wurden.
Allergische Rhinitis
Die allergische Rhinitis, volkstümlich als Heuschnupfen bezeichnet, ist die am weitesten verbreitete allergische Erkrankung. Nach Untersuchungen des Robert Koch-Instituts aus den Jahren 2003 bis 2017 war unter den Erwachsenen in Deutschland etwa jede*r Dritte gegen Inhalationsallergene sensibilisiert. Laut Selbsteinschätzung litt ungefähr ein Fünftel an Heuschnupfen.
Meist beginnt er in der Kindheit und Jugend; etwa 80 Prozent der Betroffenen erkranken vor dem 30. Lebensjahr. Mit zunehmendem Alter kann das Krankheitsbild schwächer werden oder sogar ganz verschwinden. Möglich ist aber auch, dass der Heuschnupfen erstmals im Erwachsenenalter auftritt, sodass auch bei älteren Personen mit Schnupfen eine Allergie nicht prinzipiell ausgeschlossen werden kann.
Typische Heuschnupfen-Auslöser
Typischerweise wird eine allergische Rhinitis durch Allergene aus der Luft ausgelöst. Die wichtigsten Auslöser sind Pollen und damit Eiweiß- beziehungsweise Zucker-Eiweißverbindungen, die über die Atmung aufgenommen werden. Pollenbedingte Beschwerden äußern sich streng saisonal entsprechend der Blütezeit der auslösenden Pflanzen. Daher spricht man auch von einem saisonalen allergischen Schnupfen oder einer intermittierenden (mit Unterbrechung auftretenden) Rhinitis.
Ganzjährige Beschwerden gehen hingegen meist nicht auf Pollen, sondern auf Allergene zurück, denen man das ganze Jahr lang ausgesetzt ist. Die allergischen Symptome sind vermehrt in Innenräumen besonders zu Beginn und am Ende der Heizperiode ausgeprägt. Am häufigsten wird ein ganzjähriger Schnupfen durch Milbenkot, Schimmelpilze oder Exkremente von Haustieren ausgelöst. Hier spricht man vom allergischem Dauerschnupfen oder einer persistierenden (anhaltenden) Rhinitis.
Zumeist spielt sich die allergische Entzündungsreaktion an Nase und Augen gleichzeitig ab, weshalb die korrekte medizinische Bezeichnung Rhinokonjunktivitis lautet. Heftige Niesattacken, Juckreiz in der Nase, starker Sekretfluss und eine behinderte Nasenatmung sind Ausdruck der Rhinitis. Die Konjunktivitis mit juckenden, brennenden und tränenden Augen, Rötung und einer Lidschwellung belastet Allergiker*innen zusätzlich. Insgesamt fühlen sich viele der Leidgeplagten müde und schlapp.
Gefürchteter Etagenwechsel
Unbehandelt haben Rhinitispatient*innen ein stark erhöhtes Risiko Asthma zu entwickeln. Innerhalb weniger Jahre nimmt die Allergie dann einen sogenannten Etagenwechsel vor, verlagert sich also von den oberen Atemwegen zu den Bronchien.
Asthma: wenn die Bronchien überreagieren
Asthmatiker*innen leiden vor allem nachts oder in den frühen Morgenstunden anfallsartig unter plötzlich auftretender Atemnot. Trockener Husten und zäher Schleimauswurf begleiten sie oft. Typisch sind pfeifende und giemende Strömungsgeräusche beim Atmen. Die Beschwerden sind Folge einer anhaltenden Entzündung der Atemwege. Durch die gesteigerte Reaktionsbereitschaft der Bronchien reagieren Asthmatiker*innen empfindlich auf zahlreiche Reize wie
● Pollen,
● Tierepithelien,
● Kälte,
● Rauch,
● Luftverschmutzung oder
● Infekte.
Achtung Kreuzallergien
Bei circa jede*r zweiten Heuschnupfenpatient*in stellen sich auch Beschwerden nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel ein. Dabei leiden manche Allergiker*innen nur zu den Blühperioden der betroffenen Pollen, während andere auch außerhalb des Pollenfluges bestimmte Lebensmittel nicht vertragen.
Sie reagieren mit Kribbeln und Gaumenjucken bis hin zu Schwellungen der Mund- und Rachenschleimhäute. Darüber hinaus sind Magen-Darm-Probleme, Hautreaktionen, Kreislaufbeschwerden bis hin zu einem anaphylaktischen Schock möglich. Man spricht von einem oralen Pollensyndrom oder einer pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie, die auf einer Kreuzreaktion mit Pollen basiert.
Das Immunsystem reagiert dabei auf Eiweißstrukturen aus Nahrungsmitteln, die denen der allergisierenden Pollen ähneln. Kreuzreaktionen können mit botanisch verwandten Obstsorten und Gewürzen auftreten. So vertragen beispielsweise Birkenpollenallergiker kein Kern- und Steinobst sowie Nüsse und Allergiker auf Gräserpollen müssen sich vor Soja, Tomaten, Bananen und Erbsen vorsehen.
Allergien gegen Nahrungsmittel
Nahrungsmittelallergien treten aber auch bei Personen auf, die nicht von einer allergischen Rhinitis betroffen sind. Insbesondere bei Kindern gehört eine Nahrungsmittelallergie zu den ersten Allergieformen, die sich aber oftmals im Laufe der Zeit wieder verliert. Nicht immer verschwindet die Allergie ganz.
Die Symptomatik kann sich verschieben und sich in anderer Allergieform (z. B. allergische Rhinitis, Asthma) manifestieren. Während im Kindesalter vor allem Milch- und Hühnereiweiß, Soja, Weizen sowie Nüsse allergisierend wirken, zählen bei den Erwachsenen Nüsse, Soja, Sellerie und Meeresfrüchte zu den häufigsten Nahrungsmittelallergenen.
Atopische Dermatitis
Am häufigsten zeigt sich eine Nahrungsmittelallergie bei Kindern mit entzündeten Hautstellen, was als atopische Dermatitis, atopisches Ekzem oder Neurodermitis bezeichnet wird. Diese geht mit starkem Juckreiz einher und tritt schubartig auf. Neben Lebensmittelbestandteilen sind im Säuglingsalter häufig auch Infektionen, körperliche Belastungen sowie Wolltextilien, Reinigungs- und Pflegeprodukte die Auslöser.
Letzteres vor allem, weil die Barrierefunktion der Haut in den ersten Monaten noch eingeschränkt ist. Oft entwickelt sich bereits zwischen dem dritten und fünften Lebensmonat Milchschorf auf dem Kopf des Säuglings, der als eine Frühmanifestation der atopischen Dermatitis gilt.
Daneben ist ein Ekzem an den Wangen typisch. Im Kleinkindalter sind die Gelenkbeugen von Armen und Beinen sowie der Hals und die Hände vornehmlich betroffen. Aber auch Pollenallergiker*innen leiden unter Ekzemen mit Juckreiz, da Pollen in der Lage sind, über die Haut einzudringen.
Kontaktekzem
Ein allergisches Kontaktekzem tritt an dem Hautareal auf, das mit dem Allergen in Kontakt war. Typisch sind Rötungen in Kombination mit Bläschen. Aber auch eine rote, trockene, schuppende Haut kann Ausdruck eines Kontaktekzems sein. Beide Erscheinungsbilder sind zudem in der Regel mit Juckreiz, manchmal auch mit Schmerzen verbunden. Zu den häufigen Auslösern eines Kontaktekzems zählen unter anderem
- Kosmetika,
- Haarfärbemittel,
- Nickel- und Chrom-haltiger Schmuck sowie
- Latex.
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Schnelle Hilfe: Antiallergika
Am besten lassen sich die Symptome des Allergie-I-Typs mit den klassischen apothekenpflichtigen Antiallergika behandeln. In der Selbstmedikation spielt dabei die Therapie der allergischen Rhinokonjunktivitis die größte Rolle. Daneben haben ekzematöse Beschwerden einen großen Stellenwert im Handverkauf.
Obwohl antiallergische Therapeutika bedarfsorientiert bei akuten Symptomen eingesetzt werden können, wirkt sich eine Langzeitanwendung besonders vorteilhaft aus.
Topische H1-Antihistaminika
Am häufigsten kommen H1-Antihistaminika zum Einsatz, die über die Blockade von H1-Rezeptoren die allergische Sofortreaktion unterdrücken und die Spätreaktion vermindern. Bei leichten Beschwerden reichen meist topische Varianten, also Nasensprays oder Augentropfen. Ihr rascher Wirkungseintritt innerhalb von 15 Minuten sowie ihre guten Effekte bei Augenbeschwerden und nasaler Obstruktion sind anerkannte Vorteile der lokalen Anwendung.
In der Selbstmedikation kommen vor allem die Substanzen Azelastin und Levocabastin als Nasenspray und Augentropfen zur Anwendung. Zudem steht Ketotifen in Form von Augentropfen rezeptfrei zur Verfügung. Vorteil von Azelastin ist ein zusätzlicher mastzellstabilisierender Effekt sowie eine entzündungshemmende Wirkkomponente am Auge. Allerdings können die Zubereitungen einen bitteren Geschmack hervorrufen. Bei Levocabastin-haltigen Präparaten weisen Sie bitte daraufhin, dass das Präparat vor der Applikation geschüttelt werden muss.
Da Corticoid-haltige Nasensprays und Levocabastin-haltige Präparate Suspensionen sind, müssen sie vor Gebrauch gut geschüttelt werden.
Und wenn topische H1-Antihistaminika nicht ausreichen?
Eine stärkere Wirkung ist bei stark ausgeprägten Symptomen erforderlich. Dann sind systemische Antihistaminika oder topische Glucocorticoide gefragt. Nasensprays mit Glucocorticoiden sind inzwischen zum Teil rezeptfrei und gelten heute bei der Behandlung der allergischen Rhinokonjunktuvitis als Mittel der Wahl. Gegebenenfalls kann eine Kombination mit einem oralen Antihistaminikum erfolgen.
Hemmstoffe der Mediatorfreisetzung, auch als Mastzellstabilisatoren bekannt, haben heute an Bedeutung verloren.
Antihistaminika zum Einnehmen
Besonders gut lindern orale Antihistaminika einen verstärkten Sekretfluss, eine zugeschwollene Nase beeinflussen sie weniger. Sie sind auch bei reinen Beschwerden am Auge weniger effektiv als die Topica.
Aufgrund ihres unterschiedlichen Wirkprofils und Nebenwirkungsspektrums unterteilt man Antihistaminika in verschiedene Generationen. Ältere Antihistaminika der 1. Generation wie
- Dimetinden oder Clemastin sind stark sedierend, da sie auf periphere und zentrale H1-Rezeptoren wirken. Zudem haben sie anticholinerge Effekte, was sich durch Mundtrockenheit äußern kann. Daher kommen sie nur noch im Ausnahmefall zum Einsatz (z. B. beim anaphylaktischen Schock) oder wenn eine sedierende Wirkung ausdrücklich erwünscht ist (z. B. stark juckendes atopisches Ekzem).
- Antihistaminika der 2. Generation wie Cetirizin und Loratadin wirken weder ausgeprägt sedativ noch anticholinerg, da sie die Blut-Hirnschranke nicht oder nur in geringem Maß passieren und eine höhere Spezifität für periphere H1-Rezeptoren aufweisen. Vergleicht man die beiden freiverkäuflichen Substanzen, schneidet Loratadin hinsichtlich eines möglichen Sedierungspotenzials etwas besser ab. Cetirizin scheint hingegen eine etwas stärkere Wirkung aufzuweisen.
- Zudem sind seit einiger Zeit mit Levocetirizin und Desloratadin chemische Abwandlungen der beiden Vertreter der 2. Generation teilweise ohne Rezept erhältlich. Wegen ihrer Vorteile werden sie als Substanzen der 3. Generation bezeichnet. So verfügt Desloratadin als Hauptmetabolit des Loratadins über eine besonders schnelle Wirkung und soll weniger Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln eingehen. Levoceterizin weist als (R-)Enantiomer eine höhere Affinität zum H1-Rezeptor auf, weshalb nur die Hälfte der Dosis erforderlich ist. Für beide Substanzen sind zudem antiobstruktive Eigenschaften beschrieben.
Neue Behandlungsoption für die Selbstmedikation
Seit Januar 2023 steht mit Bilastin 20 mg noch eine weitere orale Behandlungsoption ohne Rezept gegen Heuschnupfen und Nesselsucht bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren zur Verfügung. Bilastin ist ein H1-Antihistaminikum der 2. Generation, das sich durch seinen besonders schnellen Wirkeintritt (bereits 30 bis 60 Minuten nach Einnahme) und seine lange Wirkdauer von 24 Stunden auszeichnet.
Aufgrund seiner fehlenden Interaktion mit dem Cytochrom-P450-System weist es ein geringes Wechselwirkungspotenzial mit anderen Arzneimitteln auf. Zudem wirkt es nicht sedierend. Müdigkeit und Schläfrigkeit traten in Studien vergleichbar selten wie unter Placebo – und damit deutlich seltener als unter der Einnahme von Cetirizin – auf.
Nasale Glucocorticoide
Die besten Effekte lassen sich mit lokal in der Nase angewendeten Glucocorticoiden erzielen. Sie gehören bei der Therapie der allergischen Rhinitis zu den effektivsten Substanzen. Mit ihnen lassen sich selbst bei länger andauernden, starken Beschwerden alle nasalen Symptome (einschließlich der verstopften Nase) stärker als mit Antihistaminika reduzieren. Zudem haben Corticoid-haltige Nasensprays entzündungshemmende Eigenschaften und greifen damit direkt in das allergische Entzündungsgeschehen ein.
Da sie bei regelmäßiger nasaler Applikation hohe Schleimhautkonzentrationen und damit eine hohe Wirksamkeit bei gleichzeitig minimalem Risiko für systemische Nebenwirkungen erzielen, werden sie heute bei allen Schweregraden empfohlen. Rezeptfrei stehen Nasensprays mit Beclometason, Fluticason und Mometason zur Verfügung, wobei Mometason-haltige Varianten im Handverkauf die größte Rolle spielen.
Die Substanz weist unter den freiverkäuflichen nasalen Glucocorticoiden das geringste Risiko für systemische Nebenwirkungen auf. Zudem soll Mometason bei nasaler Applikation auch signifikant die drei Augensymptome Rötung, Jucken und Tränen lindern. Da nasale Glucocorticoide akute Beschwerden aufgrund ihres verzögerten Wirkeintritts nicht sofort beheben können, bietet sich für einen Soforteffekt zusätzlich ein initiale – kurzfristige (!) – Gabe abschwellender lokaler alpha-Sympathomimetika an.