Übergewicht
ADIPOSITAS: URSACHEN, AUSWIRKUNGEN UND THERAPIEANSÄTZE
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Adipositas ist definiert durch den Body-Mass-Index (BMI). Der wiederum gibt das Verhältnis des Körpergewichts zur Körpergröße an; er errechnet sich so:
BMI = Körpergewicht (kg) /(Körpergröße (m) x Körpergröße (m))
Ein BMI von 25-29,9 gilt als Übergewicht, während ein BMI ab 30 als Adipositas klassifiziert wird.
Die WHO erkennt Adipositas als eigenständige Krankheit an, was die Bedeutung dieser Erkrankung unterstreicht. In Deutschland hat der Bundestag Adipositas 2020 als behandlungsbedürftige Erkrankung anerkannt, was dazu führen soll, dass Forschung und Versorgung verbessert werden.
Der Body-Mass-Index und seine Grenzen
Der BMI ist ein weit verbreitetes Maß zur Klassifizierung von Übergewicht und Adipositas. Er berücksichtigt jedoch nicht Faktoren wie Geschlecht, Ethnie, Muskelmasse oder Fettverteilung. Der Astronom und Mathematiker Adolphe Quetelet entwickelte die BMI-Formel im 19. Jahrhundert, und obwohl sie als statistische Kenngröße nützlich ist, ist sie kein zuverlässiger Indikator für die individuelle Gesundheit.
Alternativen wie das Taillen-Hüft-Verhältnis und der Body-Shape-Index berücksichtigen die Fettverteilung besser, aber auch hierbei bleiben Geschlecht, Ethnie und Muskelmasse unberücksichtigt. All diese Kenngrößen treffen lediglich Aussagen über das Gewicht, nicht aber über die Gesundheit von einzelnen Personen mit Adipositas oder Übergewicht.
Adipositas, Übergewicht und die Gesundheit
Adipositas ist mit einigen Gesundheitsrisiken verbunden. Übergewichtige und adipöse Menschen haben ein erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall. Der Bewegungsapparat hat eine höhere Last zu tragen und kann deshalb vorzeitig Verschleißerscheinungen zeigen. Darüber hinaus leiden adipöse Menschen häufig unter psychischen Belastungen, da sie in der Gesellschaft oft stigmatisiert werden.
Adipositas und der gesellschaftliche Umgang
Adipöse Menschen erfahren oft Diskriminierung und Vorurteile, was zu weiterem Stress und psychischen Problemen führt. Dieser soziale Druck und die Stigmatisierung erschweren den Umgang mit der Krankheit zusätzlich. Betroffenen wird oft gesagt, sie sollen einfach abnehmen – dass das mit einer Diät und Sport aber nicht getan ist, wissen die Wenigsten.
Studien zeigen, dass adipöse Menschen seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden und weniger verdienen als ihre normalgewichtigen Kolleg*innen. Diese Diskriminierung betrifft nicht nur das Berufsleben, sondern auch den Alltag, etwa durch unpassende Sitzgelegenheiten in öffentlichen Verkehrsmitteln oder abfällige Bemerkungen in Supermärkten.
Allerdings gibt es zum Gesundheitsrisiko durch Übergewicht und Adipositas irreführende Aussagen, teilweise sogar von Menschen in Heilberufen. Oft ist es nicht das Gewicht selbst, das zu Folgeerkrankungen führt, sondern die Ernährung und das Aktivitätslevel. Das heißt: Es gibt sowohl mehrgewichtige Menschen, die sich gesund ernähren und Sport treiben, als auch norm- und untergewichtige Menschen, die sich ungesund ernähren und inaktiv sind. Und das sind keine Ausnahmen. Zwischen 40 und 50 Prozent der übergewichtigen Frauen und 30 bis 40 Prozent der übergewichtigen Männer sind stoffwechselgesund. Unter den Adipösen liegt der Anteil bei 15 bis 30 Prozent.
Hinzu kommt, dass die Gesundheit vieler Menschen mit Adipositas oder Übergewicht nicht (nur) unter ihrem Mehrgewicht leidet, sondern beispielsweise unter Stress, hormonellen Dysbalancen und anderen Faktoren. Diese wiederum können nicht nur für die Folgen der Adipositas ursächlich sein, sondern auch für das Mehrgewicht selbst. Möchten Menschen mit Übergewicht abnehmen, müssen sie diese Faktoren mitberücksichtigen und gegebenenfalls zuerst behandeln (lassen).
Genetischer Einfluss auf Adipositas und Übergewicht
Die genetische Veranlagung spielt eine große Rolle bei der Entwicklung von Adipositas. Kinder adipöser Eltern haben ein deutlich höheres Risiko, ebenfalls übergewichtig zu werden. Das liegt nicht nur am familiären Ernährungs- und Bewegungsverhalten. Es wird geschätzt, dass etwa 60 bis 70 Prozent der Veranlagung zu Adipositas genetisch bedingt sind.
Stress und Schlaf bei Adipositas
Zudem beeinflussen Umweltfaktoren wie Stress und Schlafmangel das Gewicht erheblich. Chronischer Stress schadet der Gesundheit und begünstigt Adipositas. Denn er erhöht den Energieumsatz des Gehirns und damit das Verlangen nach Nahrung. Außerdem erhöht er die Cortisolausschüttung. Cortisol senkt den Energieverbrauch des Körpers und fördert die Fettablagerung. Schlafmangel begünstigt wiederum chronischen Stress.
Hormone und Medikamente mit Einfluss auf das Gewicht
Hormonelle Ungleichgewichte, wie sie bei einer Schilddrüsenunterfunktion oder dem Cushing-Syndrom auftreten, können ebenfalls zu Adipositas führen. Unter den Arzneimitteln sind es zum Beispiel Glucocorticoide, Antidepressiva und Antipsychotika, die als Nebenwirkung eine Gewichtszunahme haben können. Daher ist es wichtig, dass Ärzt*innen diese Aspekte bei der Behandlung von Adipositas berücksichtigen. Möchten Menschen mit Übergewicht und Depression abnehmen, kommt eventuell die Umstellung auf eine andere Substanz in Frage. Sie als PTA können in der Apotheke hierzu aufklären.
Essstörungen und Adipositas
Essstörungen wie Binge Eating sind häufig mit Adipositas verbunden. Ein geringes Selbstwertgefühl in Bezug auf das Körpergewicht führt dazu, dass die Betroffenen unbedingt dünn sein und abnehmen möchten. Sie verbieten sich ganze Mahlzeiten oder bestimmte Lebensmittel. Anschließend kommt es – gerade wegen des vorherigen Verzichts – zu einem Essanfall. Dieser Kontrollverlust wird als „Versagen“ beim Diäthalten empfunden. Deshalb wird die Nahrung umso strikter reguliert, es folgen weitere Essanfälle.
Der Übergang zwischen dem Versuch abzunehmen und einer Essstörung ist fließend. Die wiederkehrenden Hungerphasen stören das Hormonsystem. Das Gespür für Hunger und Sättigung geht verloren. Der Cortisolspiegel kann steigen.
Adipositas und Darmmikrobiom
Das Darmmikrobiom spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Körpergewichts. Die Bakterien, die im Dickdarm leben, beeinflussen mit ihren Metaboliten den menschlichen Stoffwechsel und die Gesundheit. Eine vielfältige Darmflora kann das Risiko für Adipositas senken. Welche einzelnen Bakterienstämme sich wie auswirken, lässt sich aber nicht verlässlich vorhersagen.
Therapieansätze bei Adipositas und Übergewicht: Diäten helfen nicht beim Abnehmen
Die Behandlung von Adipositas umfasst eine Kombination aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft empfiehlt Abnehmen bei einem BMI über 30. Ab BMI 25 rät sie dazu, Übergewicht zu reduzieren, wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen:
- wenn das Gewicht Gesundheitsstörungen bedingt,
- wenn andere Erkrankungen durch das Gewicht verschlimmert werden,
- bei einer abdominalen Adipositas und
- wenn die Betroffenen einen hohen psychosozialen Leidensdruck haben.
Strenge Diäten sind nicht effektiv und können zu einem Jo-Jo-Effekt führen. Daher ist eine langfristige Änderung des Lebensstils notwendig, um die Gesundheit von Personen mit Adipositas zu erhalten und zu fördern. Das sind die Grundlagen der Adipositas-Therapie:
- Ernährungstherapie: Eine gesunde, leckere und kalorienreduzierte Ernährung ist entscheidend. Es ist wichtig, dass diese an die individuellen Bedürfnisse und das Umfeld der Betroffenen angepasst ist. Eine professionelle Ernährungsberatung kann dabei helfen, langfristige Erfolge zu erzielen.
- Bewegungstherapie: Regelmäßige körperliche Aktivität hilft, die Beweglichkeit zu erhalten oder zu verbessern. Abnehmen durch den erhöhten Energieverbrauch ist jedoch nach aktuellen Erkenntnissen unrealistisch.
- Verhaltenstherapie: Diese Form der Psychotherapie zielt darauf ab, ungesunde Verhaltensmuster zu erkennen und zu ändern. Dazu gehört, ein flexibles, achtsames Essverhalten zu entwickeln und Stressbewältigungsstrategien zu erlernen.
Medikamente und chirurgische Eingriffe bei Adipositas
Arzneimittel können die Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie unterstützen. Ein großer Anteil der Adipositas-Betroffenen kann nur mit ihrer Hilfe dauerhaft abnehmen. Zu den gängigen Medikamenten gehören Orlistat, Dapagliflozin und die sogenannten Abnehmspritzen. Diese Inkretin-Mimetika verzögern die Magenentleerung, reduzieren das Hungergefühl und wirken sich positiv auf den Insulinstoffwechsel aus.
- Liraglutid (bei Typ-2-Diabetes Victoza®, bei Adipositas Saxenda®)
- Semaglutid (bei Typ-2-Diabetes Ozempic® bei Adipositas Wegovy®)
- Tirzepatid (bei beiden Indikationen Mounjaro®)
Für manche Betroffene kann eine bariatrische Operation eine Option sein. Dieser chirurgische Eingriff verkleinert den Magen dauerhaft oder reversibel, was die Nahrungsaufnahme begrenzt. Solch eine Operation ist jedoch mit Risiken verbunden und erfordert eine lebenslange Nachsorge, einschließlich der Supplementierung von Vitaminen und Mineralstoffen. Auch hierbei ist es möglich, dass die Patient*innen ihr Übergewicht nur zeitweise abnehmen und dann einen Jo-Jo-Effekt erleben.
Fazit
Adipositas ist eine komplexe Erkrankung, die durch viele Faktoren beeinflusst wird. Ein ganzheitlicher Therapieansatz, der sowohl physische als auch psychische Aspekte berücksichtigt, ist essenziell für eine erfolgreiche Behandlung. Die Gesundheit der Menschen mit Adipositas steht im Vordergrund, nicht allein ihr Gewicht. Langfristige Erfolge erzielt eine Kombination aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie. Unterstützend können Medikamente und chirurgische Eingriffe wirken.
Ein Verständnis für die genetischen, hormonellen und umweltbedingten Einflüsse auf das Körpergewicht hilft, die richtigen Maßnahmen zur Gewichtsreduktion zu ergreifen. Dabei ist es wichtig, die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen zu berücksichtigen und sie in ihrem Kampf gegen Adipositas zu unterstützen. Gesellschaftlich wäre zu wünschen, dass Adipositas besser verstanden und akzeptiert würde – dass die Betroffenen nicht mehr unter Diskriminierung und Mobbing zu leiden hätten und dass ihre Gesundheit als ihr privates Gut verstanden wird. Nur eine umfassende, interdisziplinäre Herangehensweise kann langfristige Erfolge erzielen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.