Pillenbox und Medikamente© Tetiana Al-Attar / iStock / Getty Images

Ungeeignete Arzneimittel im Alter

ÜBERBLICK BEHALTEN!

Chronische Erkrankungen und Polymedikation sind Risikofaktoren bei der Arzneimitteltherapiesicherheit von alten Menschen. Um Arzneimittel zu erkennen, die im Alter öfter zu Nebenwirkungen führen, eignen sich Priscus-Liste und AMTS-Merkkarte.

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Mit Multimorbidität und Polymedikation (gleichzeitige Einnahme von mehr als fünf Arzneimitteln) erhöht sich das Risiko für Wechselwirkungen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW). So wurde in einer Studie festgestellt, dass sich die UAW-Symptomatik, die zur Notaufnahme von alten Menschen in Krankenhäuser geführt hat, häufig nicht spezifisch nur einem Arzneimittel zuordnen lässt und oft mehrere unspezifische Symptome oder Beschwerden umfasst. Beispielsweise Stürze oder delirante Syndrome werden oft auf die Arzneimitteltherapie zurückgeführt.

Viele ältere Patienten nehmen täglich zehn oder mehr verschiedene Medikamente ein. Je mehr es sind – gegen verschiedene Erkrankungen - umso mehr Nebenwirkungen können zusammenkommen. So treten anticholinerge Effekte als Hauptwirkung zum Beispiel bei Urologika oder Mittel gegen COPD und als Nebenwirkung von Antidepressiva oder Antipsychotika auf. Werden mehrere Arzneimittel mit anticholinergen Wirkungen eingenommen, kann die anticholinerge Last die Sturzgefahr erhöhen, Tachykardien und Kognitionseinschränkungen hervorrufen.

Bei Menschen über 60 Jahren gibt es zusätzliche physiologische Risikofaktoren, die die Metabolisierung von Wirkstoffen verändern, so zum Beispiel Nieren- oder Leberfunktionsstörungen. Deshalb wird vielfach eine Dosisreduktion bei alten Menschen empfohlen. Ziel ist es, bei der Beratung von alten Menschen auf risikobehaftete Arzneimittel zu achten, zu prüfen, ob weitere Risikofaktoren vorliegen und ob unkritische Alternativen existieren. Dazu gibt es Instrumente, die die Arbeit der PTA unterstützen.

Die PRISCUS-Liste Eine wichtige Arbeitshilfe, um potenziell ungeeignete Arzneimittel für alte Menschen zu bewerten und Alternativen zu suchen, ist die PRISCUS-Liste. Im Rahmen des Projektverbunds PRISCUS, der sich mit der Gesundheit und Gesundheitsversorgung alter Menschen befasst, haben Wissenschaftler unter Leitung von Professor Petra Thürmann 2011 eine Liste mit all jenen Medikamenten erstellt, die für ältere Menschen potenziell ungeeignet sind. Sie umfasst 83 für ältere Patienten möglicherweise ungeeignete Arzneimittel, mögliche Therapiealternativen zu diesen Substanzen, sowie weitere Empfehlungen für die klinische Praxis. Für den Fall, dass die Verordnung eines kritischen Arzneimittels nicht vermieden werden kann, werden Dosierungsvorschläge und Überwachungshinweise in der PRISCUS-Liste aufgeführt.

Die PRISCUS-Liste soll die Arzneimitteltherapie von älteren Patienten sicherer machen, indem sie hilft, möglicherweise ungeeignete Medikamente, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen zu vermeiden. Deshalb werden nicht nur die riskanten Arzneistoffe und ihre möglichen Nebenwirkungen aufgelistet, sondern es werden unbedenkliche Alternativen genannt. Zurzeit befindet sich die PRISCUS-Liste in Bearbeitung. Mit Unterstützung der AOK wurde eine Kurzfassung als PRISCUS-Liste für den Schreibtisch erstellt, die im Arbeitsalltag besser zu nutzen ist. Ein Ausdruck davon sollte auf jeder Station hängen, wo Arzneimittel gestellt werden. Rasch hilft ein Blick auf die Liste, zu beurteilen, ob in der Gesamtmedikation ein kritisches Arzneimittel vorhanden ist und potenziell zu Risiken führt.

Die AMTS-Merkkarte Eine weitere praktische Arbeitshilfe ist die AMTS-Merkkarte. Sie stammt aus dem AMTS-AMPEL-Projekt. Die Karte kann als verbindendes Instrument zwischen Ärzten, Apothekern, PTA und Pflegern fungieren. Sie enthält Informationen zu besonders risikobehafteten Arzneistoffen mit der Zuordnung der möglichen klinisch relevanten Nebenwirkungen sowie zu Monitoringmaßnahmen bei bestimmten Arzneimitteln. Sinnvoll ist, dass die am Medikationsprozess beteiligten Personen alle diese Karte besitzen und benutzen. Zum Aufbau der Karte: Die genannten arzneimittelinduzierten Symptome zielen auf besonders häufig auftretende Symptome im Alter – nämlich Sedierung/Sturzgefahr, Kognitionsstörungen und gastrointestinale Beschwerden.

Sie werden im gelben Bereich direkt mit kritischen auslösenden Arzneimittelgruppen in Verbindung gebracht. Kann die Pflegekraft eines der Symptome bei einem Bewohner feststellen, kann sie leicht einen möglichen Zusammenhang mit der Medikation herstellen und diesen Verdachtsfall mit dem behandelnden Arzt oder Apotheker beziehungsweise PTA besprechen. Im roten Abschnitt der Karte wird auf „Arzneimittel mit hohem Nebenwirkungsrisiko“ verwiesen, die möglichst zu vermeiden sind, weil sie im Alter aus verschiedenen Gründen problematisch sind. Hinter der Angabe von Gründen werden alternative Möglichkeiten oder auch Dosierungsempfehlungen angegeben. Im orangen Teil der Karte wird auf die Therapieüberwachung unter der Verordnung bestimmter Arzneimittel und Wirkstoffgruppen aufmerksam gemacht.

In der Spalte der Begründungen werden besonders häufige und belastende UAW benannt. In der weiteren Spalte werden Empfehlungen zur Überwachung der Dosierung und zum Management des Monitorings gegeben. Der letzte grün markierte Teil rät zu einer generellen Überwachung von wichtigen Laborwerten und Vitalparametern. Neben den allgemein empfehlenswerten Häufigkeiten der Kontrollen werden Medikamente benannt, unter welchen eine vermehrte Kontrolle als sinnvoll oder erforderlich angesehen wird. Abschließend gilt die Empfehlung einmal jährlich eine vollständige Überprüfung der gesamten Medikation jedes Patienten durchzuführen!

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Senioren von DIE PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 54.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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