Therapiesicherheit
CALOR-LISTE: WELCHE MEDIKAMENTE BEI HITZE GEFÄHRLICH WERDEN KÖNNEN
Seite 1/1 4 Minuten
Zugegeben, bei dem aktuellen Wetter steht es in den Apotheken nicht gerade oben auf der Prioritäten-Liste, welche Arzneimittel bei hohen Temperaturen Aufmerksamkeit erfordern. Doch: Die Universität Köln und die Medizinische Hochschule Hannover erarbeiten derzeit – rechtzeitig vor dem Praxistest nächsten Sommer – die sogenannte CALOR-Liste. Hier führen die Experten zukünftig Medikamente auf, die bei Hitze möglicherweise anders dosiert oder umgestellt werden sollten. Auch weitere Maßnahmen können erforderlich sein.
Die Liste soll 2026 fertig sein und Kliniken, Ärzte und Apotheken beim sicheren Umgang mit Medikamenten bei Hitze unterstützen. Bisher gibt es die Heidelberger Hitze-Liste mit zahlreichen Medikamenten, deren Wirkung bei Hitze verändert sein kann oder zu Problemen führen kann. Die neue CALOR-Liste soll aber noch mehr Sicherheit für den Umgang mit Medikamenten bei Hitze bieten.
Viele Medikamente sind bei Hitze unter Umständen gefährlich
Mehr als 25 Wirkstoffklassen von Medikamenten, die bei Hitze gefährlich werden können, listet der Entwurf bisher. Er wurde vorgestellt auf dem Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie in Berlin. Der Mediziner Pascal Nohl-Deryk von der Universität Köln fasste die bisherigen Ergebnisse der umfassenden Literaturrecherche zusammen und betonte, dass die Auswertung vorhandener Daten nicht ganz einfach ist.
„Nur 16 Prozent der Hausärzte nehmen derzeit in einer Hitzeperiode eine Therapieanpassung bei Patienten vor.“
Zum Thema Medikamente bei Hitze gebe es viele Übersichts-, aber weniger Originalarbeiten. Außerdem würden viele Mechanismen, durch die die Wirkung der Medikamente bei Hitze verändert wird, lediglich angenommen und seien nicht bewiesen. Die zentrale Thermoregulation unseres Körpers beispielsweise sei zudem noch gar nicht vollständig verstanden. Das kann dazu führen, dass auch Medikamente bei Hitze gefährlich werden können, von denen man das nicht unbedingt erwartet.
Professor Dr. Beate Müller, Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin an der Uni Köln warnt: „Nur 16 Prozent der Hausärzte nehmen derzeit in einer Hitzeperiode eine Therapieanpassung bei Patienten vor.“ Die Liste soll zukünftig zu mehr Sicherheit bei der Behandlung führen und konkrete Handlungsanweisungen zum Umgang mit Medikamenten bei Hitze geben.
Die finale Liste wird von einem Expertengremium in einem mehrstufigen Bewertungsverfahren erstellt und dann im Sommer 2025 einem dreimonatigen Praxistest unterzogen. Ärzte, Apotheken und Pflegepersonal dokumentieren während des Sommers ihre Erfahrungen mit Medikamenten bei Hitze. Das Expertengremium bewertet die Ergebnisse und stellt die finale Liste dann im Sommer 2026 zur Verfügung.
Mehr zu Hitze und Gesundheit:
Diese Medikamente sollte der Arzt bei Hitze anpassen
Viele Medikamente muss man bei Hitze möglicherweise in ihrer Dosierung anpassen. Die Heidelberger Hitze-Liste gibt hier zahlreiche Wirkstoffklassen an, bei denen über verschiedene Mechanismen
- die Wirkung verändert eintreten,
- die Fähigkeit zur Temperaturregulierung eingeschränkt sein kann
- oder besondere Überwachung nötig ist.
Gerade bei Medikamenten, die Einfluss auf den Wasserhaushalt haben, kommt man bei Hitze mitunter nicht darum herum, die Dosis anzupassen oder ein Trinkprotokoll zu führen. Diuretika oder Laxanzien können sonst rasch zur Austrocknung führen. Anticholinergika wie Spasmolytika für die Blase, Medikamente gegen Parkinson oder Neuroleptika können bei Hitze zum Problem werden, denn sie verringern die Schweißbildung. Der Arzt muss also hier die Dosierung anpassen. Ibuprofen kann, wenn es bei Hitze eingenommen wird, unter Umständen zu Nierenschäden führen. Auch hier braucht es ein genaues Auge auf die Dosierung, wie auch bei Antihistaminika, deren sedierende Wirkung in Kombination mit der Hitze das Sturzrisiko erhöht.
Auch bei Kindern kann es nötig sein, genau hinzuschauen. Zentrale Stimulanzien wie Methylphenidat können die Thermoregulation beeinflussen, indem sie die Gefäße verengen und das Kind weniger schwitzt. Hier und auch bei älteren Menschen mit bestimmten Medikamenten ist ein Trinkprotokoll bei Hitze sinnvoll. Das sind zum Beispiel Opioide, die die Aufmerksamkeit beeinträchtigen können, oder ACE-Hemmer, bei denen möglicherweise das Durstgefühl reduziert ist. Durch eine erhöhte Hautdurchblutung werden bei Medikamenten in Pflasterform die enthaltenen Wirkstoffe bei Hitze schneller freigesetzt; bei Fentanyl, Hormonen und Parkinsonmedikamenten muss möglicherweise der Arzt die Stärke anpassen. Wichtig bei der Beratung in der Apotheke ist der Hinweis, dass der Patient die Dosierung seiner Medikamente bei Hitze nur nach ärztlicher Rücksprache anpassen soll.
Die CALOR-Liste soll zukünftig helfen, für mehr Sicherheit bei der Einnahme von Medikamenten bei Hitze zu sorgen, indem Ärzte, Pflegepersonal und Apotheken konkrete Handlungsanweisungen zur Hand zu haben. Das ist auch gut so, denn es ist davon auszugehen, dass der Klimawandel zunehmend heißere Sommer bringen wird.
Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/calor-liste-soll-kommen-150941/
https://innovationsfonds.g-ba.de/projekte/versorgungsforschung/adapt-heat-hitzesensible-medikationsanpassung.592
https://dosing.de/Hitze/Medikamentenmanagement_bei_Hitzewellen.pdf
https://www.abda.de/aktuelles-und-presse/newsroom/detail/arzneimittel-und-hitze-vertragen-sich-nicht-immer/
https://www.swr.de/wissen/rki-warnt-vor-medikamenten-nebenwirkungen-bei-hitze-100.html
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/herz-und-kreislauf-im-klimastress-141326/seite/3/?cHash=e733e4c7ec02cc3d62504dc51c615cc3