Drei Optionen
SPANNUNGSKOPFSCHMERZEN
Seite 1/1 4 Minuten
Von den über 200 verschiedenen Kopfschmerzarten sind mit 86 Prozent Spannungskopfschmerzen und Migräne die häufigsten. Dabei leiden 64 Prozent aller Kopfschmerzbetroffenen unter Spannungskopfschmerzen (gegebenenfalls auch mit Nacken- und Schulterbeschwerden) und 22 Prozent unter Migräne.
Beide Kopfschmerzformen können die Lebensqualität der Betroffenen derart massiv beeinträchtigen, dass die meisten eine medikamentöse Linderung wünschen. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass Analgetika zu den meistverkauften Arzneimitteln zählen und 85 Prozent aller Schmerzmittel zur Kopfschmerztherapie eingesetzt werden. Um Betroffene optimal beraten zu können, sollten Sie in der Beratung die beiden häufigsten Kopfschmerzarten unterscheiden können.
Kopfschmerzform erkennen Der Spannungskopfschmerz ist ein episodischer Kopfschmerz, der typischerweise beidseitig als Einengung oder Druck wahrgenommen wird. Die Kopfschmerzgeplagten sprechen selbst häufig von einem Schraubstockgefühl. Der Schmerz wird in seiner Intensität als leicht bis mittelstark eingeschätzt und hält zwischen 30 Minuten bis zu sieben Tage an. Bei körperlicher Routineaktivität wie Gehen oder Treppensteigen nimmt er nicht zu, zudem wird er nicht von Übelkeit begleitet.
Eine Licht- oder Geräuschempfindlichkeit (nur eines von beidem) kann aber vorhanden sein. Besonders wichtig ist eine Differenzierung in eine episodische oder chronische Form, da letztere kein Fall für die Selbstmedikation ist. So ist ein Kunde, bei dem die Schmerzen an mehr als zehn Tagen im Monat auftreten und schon länger als drei Monate bestehen, immer an den Arzt zu verweisen. Die exakten Pathomechanismen bei der Schmerzentstehung sind unbekannt. Allerdings besteht eine erhöhte Druckempfindlichkeit, wenn der Arzt beim Betasten Druck auf Nacken und Schulter ausübt.
Nicht selten sind Verspannungen, die sich beispielsweise durch Stress oder eine angespannte Grundhaltung entwickeln, im Nacken- und Schulterbereich ein verstärkender oder auslösender Faktor für den Spannungskopfschmerz. Zudem können Triggerpunkte, kleine verhärtete Muskelbereiche, die Schmerzempfindlichkeit zusätzlich verstärken. Langandauernder Triggerschmerz kann das Nervensystem sogar so sensibilisieren, dass in der Folge schneller und häufiger Schmerzattacken ausgelöst werden.
Entspannungsmethoden und Bewegung Das Lockerlassen steht bei körperlicher oder psychischer Anspannung im Fokus. Physische und mentale Entspannungsübungen kombiniert mit Wärme und Bewegung helfen von Spannungskopfschmerz Geplagten langfristig, Verkrampfungen und Spannungen von der Muskulatur bis hin zu den Blutgefäßen zu lösen und neuen Schmerzattacken vorzubeugen.
Vor allem lassen sich durch gezielte physiotherapeutische Techniken Funktionsstörungen im Nacken verbessern oder beheben und können so die Anzahl der Kopfschmerztage reduzieren. Dabei tragen Übungen, die die Kopfschmerzgeplagten selbst regelmäßig zu Hause durchführen, entscheidend zum Therapieerfolg bei. Auch aerober Ausdauersport etwa zwei- bis dreimal die Woche für 30 bis 40 Minuten hilft, seltener unter Spannungskopfschmerz zu leiden.
Analgetika – Monopräparate Kommt es dennoch zu akuten Attacken, behandeln die meisten diese mit rezeptfreien Analgetika. Sie sorgen für eine ausreichende Schmerzfreiheit, um im Alltag und Berufsleben weiter funktionieren zu können – vorausgesetzt, sie werden frühzeitig und konsequent eingesetzt. Analgetika, die in der Selbstmedikation als Mittel der Wahl gelten, sind vor allem Präparate mit 500 bis 1000 mg Acetylsalicylsäure (ASS), 200 bis 400 mg Ibuprofen, 500 bis 1000 mg Paracetamol sowie 12,5 bis 25 mg Diclofenac.
Dabei raten Experten meist zu den höheren Dosierungen. Zudem hat sich beim akuten Spannungskopfschmerz die Applikation von Pfefferminzöl auf Schläfen und Nacken bewährt. So komplex die Schmerzentstehung ist, so verschieden sind die Wirkmechanismen der verschiedenen Substanzen. Während ASS und Ibuprofen über eine COX2-Hemmung wirken, greift Paracetamol in das dopaminerge, noradrenerge und serotonerge System sowie in das Endo-Cannabinoid-System ein.
Welches Mittel dem Kopfschmerzgeplagten am besten hilft, lässt sich allerdings nicht vorhersagen. Die Betroffenen müssen die verschiedenen Substanzen ausprobieren, da das Ansprechen auf die unterschiedlichen Wirkstoffe individuell ist. Deshalb kann es auch sinnvoll sein, mehrere Wirkstoffe und Wirkprinzipien zu kombinieren. Häufig lässt sich auf diese Weise eine bessere Wirkung erzielen.
Analgetika - Kombinationspräparate Auch in den Leitlinien zur Therapie des akuten Spannungskopfschmerzes werden Kombinationspräparate empfohlen, beispielsweise zwei Tabletten der fixen Wirkstoffkombination aus 250 bis 265 mg ASS, 200 bis 250 mg Paracetamol plus 50 bis 65 mg Coffein oder zwei Tabletten 500 mg Paracetamol plus 65 mg Coffein. Auch die neueste Wirkstoffkombination aus 400 mg Ibuprofen und 100 mg Coffein hat sich als sehr wirksam erwiesen.
Coffein ist ein Antagonist von Adenosin-Rezeptoren des Schmerz-sensorischen Systems und fungiert damit als Co-Analgetikum. Es liegen mehrere Studien vor, in denen Coffein-Kombinationen eine stärkere und schnellere Wirkung mit einer höheren Responderrate aufweisen als Analgetika ohne Coffein. Wie eine systematische Übersichtsarbeit der Cochrane-Gesellschaft zeigt, lässt sich durch den Zusatz von 100 mg Coffein ein zusätzlicher schmerzlindernder Effekt erreichen, der annähernd einer Verdopplung der Dosis von Schmerzmitteln wie ASS oder Paracetamol entspricht.
Doch Coffein verstärkt nicht nur die Wirkung der Analgetika, es beschleunigt sie auch. So demonstrieren Kopfschmerz-Studien, dass Standard-Schmerzmittel wie ASS, Paracetamol oder Ibuprofen schneller wirken, wenn ihnen Coffein zugesetzt wird. Die Ibuprofen-Coffein-Kombination kann ihre Überlegenheit auch im Vergleich mit schnell-freisetzendem Ibuprofen-Lysinat beweisen.
Zwar kann Ibuprofen-Lysinat auf nüchternen Magen (>10 Stunden nichts gegessen) schneller im Blut als Ibuprofen Säure mit Coffein anfluten. Allerdings erreicht die Ibuprofen-Coffein-Kombi nach einem Frühstück – und damit bei realistischeren Bedingungen – schneller höhere.
Praxistipp Analgetische Wirkstoffkombinationen mit Coffein können eine gute Empfehlung für Kunden mit Spannungskopfschmerzen sein, bei denen Monopräparate nicht ausreichend wirksam sind. Sie bieten eine höhere Chance für eine erfolgreiche Schmerzlinderung als Analgetika ohne Coffein, da sie schneller, stärker und bei mehr Patienten wirken.
Ihre Kunden müssen auch nicht befürchten, dass die Einnahme von Kombinationsanalgetika zu einer Abhängigkeit führt, die unweigerlich einen Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz hervorruft. Diese lange Zeit bestehende Vermutung hat sich nicht bestätigt. Experten sind sich einig, dass die Wirkstoffkombinationen bei bestimmungsmäßigem Gebrauch sicher sind und das Risiko für einen Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz bei ihnen nicht höher als bei Monopräparaten ist.
Praktisch bedeutet dies, dass Kombinationsanalgetika nicht häufiger als an zehn Einnahmetagen pro Monat eingenommen werden sollten. Zugleich merken Experten an, dass ein Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz selten ist. Die bekannte Zehnerregel beabsichtige nicht, dass Kopfschmerzpatienten ihre notwendige Medikation versagt wird. Sie soll vielmehr darauf aufmerksam machen, dass Betroffene bei mehr als zehn Tabletten im Monat ärztliche Hilfe suchen sollten, da dann die Grenzen der Selbstmedikation erreicht sind.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2022 ab Seite 66.
Gode Chlond, Apothekerin