Schwangere Frau hält Paracetamol in der Hand.© Mykola Sosiukin / iStock / Getty Images Plus
Experten geben Entwarnung: Bei Fieber und Schmerzen ist Paracetamol in jeder Phase der Schwangerschaft auch weiterhin das Mittel der Wahl.

Schwangerschaft

KEINE PANIK VOR PARACETAMOL

Als einer der bewährtesten Wirkstoffe gegen Fieber und Schmerzen wird Paracetamol auch in der Schwangerschaft als Mittel der Wahl angesehen. In den letzten Jahren gab es jedoch Zweifel.

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Einige Verunsicherung über Paracetamol in der Schwangerschaft folgte einer Studie aus dem Jahr 2021, die ein erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen beim Ungeborenen ergab. Die Autoren riefen zum Handeln auf. Doch Experten geben jetzt Entwarnung.

Das europäische Netzwerk für Informationen zu Teratogenität ENTIS sowie die Experten von Embryotox, der Datenbank der Berliner Charité zu Arzneimitteln in der Schwangerschaft, kritisieren die Studie scharf.

Paracetamol in der Schwangerschaft

Die ENTIS-Wissenschaftler werfen den Autoren der Studie „Paracetamol use in pregnancy – a call for precautionary action“ aus dem Jahr 2021 Panikmache vor. Übersetzt bedeutet der Titel: „Paracetamol-Gebrauch in der Schwangerschaft – ein Aufruf zu vorbeugenden Maßnahmen“. Das klingt nicht nur plakativ, sondern ist es nach Einschätzung von ENTIS und Embryotox auch.

Bei der Veröffentlichung handelt es sich um eine Analyse von Daten aus den Jahren 1995 bis 2020, die von 13 Wissenschaftlern unter der Leitung des Kopenhagener Neurologen Professor Dr. David M. Kristensen durchgeführt wurde. Die Auswertung, die ein erhöhtes Risiko für Autismus und Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) durch Anwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft ergab, weist nach Ansicht von ENTIS und Embryotox jedoch gleich mehrere schwere Mängel auf.

Studienfehler führen zu Vorurteilen

Zum einen wurden die Daten teils durch Fragebögen ermittelt, mit denen die Eltern eine Selbsteinschätzung ihrer Kinder vornahmen. Diese Methode der Datenerhebung ist ungenau und nicht wissenschaftlich. Außerdem wurde nicht erfasst, zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft welche Dosen Paracetamol eingenommen wurden. Genetische und familiäre Faktoren, die ebenfalls zur Entstehung von Autismus und ADHS beitragen können, fanden keine Berücksichtigung.

Nach Angaben der ENTIS- Experten liegt das Risiko für ADHS und Autismus beim Ungeborenen nach Kontakt mit Paracetamol im Mutterleib nicht statistisch relevant höher, wenn man die erwähnten Unsicherheiten herausrechnet. Nach Einschätzung von ENTIS waren die Autoren generell voreingenommen gegenüber der Anwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft.

Entwarnung von Experten

Die deutlichen Worte der ENTIS-Experten und auch der Forscher von Embryotox sorgen für etwas mehr Sicherheit in der Beratung von Schwangeren. Die Maßnahmen, die von Professor Kristensen und seinem Team gefordert werden, sind letztlich trivial. Die Kopenhagener Forscher raten nämlich dazu, Paracetamol nur anzuwenden, wenn es medizinisch unumgänglich ist, und dann nur in geringstmöglicher Dosis.

Die Stellungnahme von ENTIS lautet dazu spitz: „Die Autoren scheinen zu schlussfolgern, dass schwangere Frauen Paracetamol wahllos einnehmen.“ Im Statement heißt es weiter: Die Veröffentlichung dieser Ansichten führe dazu, dass Paracetamol in Situationen, in denen es gebraucht wird, nicht angewendet würde. Es könnten dann Alternativen zum Einsatz kommen, die weniger sicher und gut untersucht seien.

Kann ich Schwangeren Paracetamol empfehlen?

Am HV darf also nach Ansicht der Experten weiter Paracetamol als Mittel der Wahl gegen Schmerzen und Fieber in der Schwangerschaft empfohlen werden. Auch die Wissenschaftler von Embryotox schließen sich dem Statement der ENTIS an.

Kein Arzneimittel dürfe leichtfertig eingenommen werden, aber Paracetamol sei sicher und gut verträglich, so die Berliner. Ganz ausschließen könne man ein Risiko nie. Dazu seien Studien in einer Größenordnung notwendig, wie es sie zu keinem Medikament gibt.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/paracetamol-bleibt-erste-wahl-141145/
https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/paracetamol/
Bauer, A.Z., Swan, S.H., Kriebel, D. et al.: „Paracetamol use during pregnancy — a call for precautionary action“, Nature Reviews Endocrinology, 23. September 2023. https://www.nature.com/articles/s41574-021-00553-7
https://www.entis-org.eu/entis-news/official-entis-position-statement-paracetamol-acetaminophen-apap-use-in-pregnancy

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