Lisa Dittmann läuft selbstbewusst und mit wehendem Kittel. Im Hintergrund ist eine Apotheke.© Inselfotografin Kinka Tadsen
Apotheken werden am 14. Juni laut - ebenso Lisa Dittmann, die sich für den Beruf der PTA stark macht.

Lage der PTA

OFFENER BRIEF ZUM APOTHEKEN-PROTESTTAG – „JETZT SIND WIR DRAN!“

Mit dem heutigen Protesttag unterstreichen Apotheken ihre Forderungen nach einer besseren Bezahlung der Arzneimittelabgabe, weniger Bürokratie und mehr Freiräumen bei Lieferengpässen. Gleichzeitig zeigt eine PTA auf, welche Hürden ihrem Beruf die Arbeit – und das Leben - erschweren.

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Heute bleiben viele Apotheken geschlossen. Sie setzen damit ein Zeichen gegen die politischen Hürden, die Apotheken ihre Aufgabe erschweren, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen, und die immer mehr Apotheken die wirtschaftliche Grundlage entziehen. 2022 gab es so viele Apothekenschließungen, dass die Zahl der Betriebsstätten ein Rekordtief erreicht hat.

Lisa Dittmann, PTA aus Idstein, will zu diesem Anlass nicht nur auf die Lage der Apotheken insgesamt, sondern insbesondere auch auf Missstände beim PTA-Beruf aufmerksam machen. Dazu wendet sie sich in einem offenen Brief an das Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach, der öffentlich immer wieder äußert, die Lage der Apotheken habe keine Priorität.

Offener Brief von PTA Lisa Dittmann

Am 23.05. sah ich im WhatsApp-Status einer ehemaligen Arbeitskollegin eine Kurzmeldung der Hessenschau vom hessischen Rundfunk mit der Überschrift: "Durchschnittsverdienst in Hessen liegt 2022 bei 4571 Euro brutto". Sie kommentierte den Beitrag mit: "Da waren wohl keine Apothekenmitarbeiter berücksichtigt".

Ich habe mir nun tagelang Gedanken gemacht, ob ich zu dieser Meldung etwas sagen möchte. Da das Thema gerade aktueller denn je ist, habe ich mich an den Hessischen Rundfunk mit einem Leserbrief gewandt und möchte auch an dieser Stelle nochmals meine Stellung dazu kundtun mit der Hoffnung, dass sich vielleicht doch etwas in Zukunft ändert.

Immer wieder wird bei dem Thema schlechtbezahlte Berufe im medizinischen Sektor von Pflegekräften und anderem Krankenhaus-Personal gesprochen. Uns PTA vergisst man total, was auch daran liegt, dass kaum einer diesen Beruf kennt. In den Köpfen der Bevölkerung steckt immer noch, dass die Apotheke DER Großverdiener schlecht hin ist – Abzocker, Geldmacher. Viele denken wohl auch, dass nur Apotheker in einer Apotheke beratend tätig sind. Das aber ein Großteil des pharmazeutischen Personal aus PTA besteht, weiß kaum jemand.

Den Beruf Pharmazeutisch-Technischer Assistent, kurz PTA, gibt es seit 1968. Damals standen noch hauptsächlich Arbeiten im Labor und der Rezeptur im Vordergrund. Mittlerweile hat sich das Aufgabengebiet deutlich erweitert und beinhaltet vor allem die Kundenberatung zu Gesundheitsthemen, die Abgabe von Medikamenten, aber auch viele kaufmännischen Aufgaben.

Wir sind mittlerweile in vielen Dingen dem Apotheker gleichgestellt. Allerdings arbeiten wir dabei eben "unter Aufsicht" eines diensthabenden Apothekers.

Die Ausbildung zum PTA findet an Berufsfachschulen statt, die zum großen Teil auch private Hochschulen sind, wie zum Beispiel die Hochschule Fresenius in Idstein. Das Schulgeld beträgt in solchen Schulen rund 400 Euro pro Monat. Seit 2020 übernimmt nun das Ministerium die Schulgebühren, um den Fachkräftemangel von PTA ein Stück weit entgegen zu wirken. PTA mit langer Berufserfahrung mussten also noch viele tausend Euro für die Ausbildung aufbringen.

Der Ausbildungsberuf der PTA gehört zu einem der wenigen, bei dem ein Staatsexamen abgelegt werden muss, obwohl kein Universitätsabschluss vorliegt. Nach der zweijährigen schulischen Ausbildung erfolgt das erste von insgesamt zwei Staatsexamen. Es gliedert sich in einen praktischen Teil (Chemie, Galenik, Botanik), in einen mündlichen Teil (Medizinproduktekunde, Gesetzeskunde, Gefahrstoffkunde) und einen schriftlichen Teil (Chemie, Botanik, Galenik, Arzneimittelkunde).

In den Semesterferien muss ein vierwöchiges Praktikum in der Apotheke erfolgen. Nach der Schulzeit erfolgt ein praktisches halbes Jahr und endet mit einem zweiten, mündlichen Staatsexamen (Apothekenpraxis).

Das Berufsbild der PTA hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Von der Assistentin und rechten Hand des Apothekers hin zu einem Beruf mit verantwortungsvollen und eigenständigen Tätigkeiten. Wie wichtig der Beruf der PTA ist zeigte sich kürzlich wieder, als es zu einem flächendeckenden Mangel an Antibiotika-, sowie Schmerz-, und Fiebersäften für Kinder durch Lieferengpässe der Pharmafirmen kam.

So war der Gedanke naheliegend, dass wir PTA, wie in der Ausbildung gelernt, aus den Rohsubstanzen und einer geeigneten Grundlage diese selbst herstellen, um unsere kleinsten Patienten optimal versorgen zu können. So wurde in vielen Apotheken gemörsert, suspendiert, konserviert, der Geschmack korrigiert und gepuffert, was die galenischen Fähigkeiten zuließen. 

Wäre da nicht wieder die Politik gewesen.

Denn im Sinne des Gesetzes war diese Art der Herstellung nun keine Rezeptur mehr, sondern eine Defektur. Also quasi eine Art Großherstellung. Also wird zum sowieso schon aufwendigen Dokumentationssystem neben einer Herstellungsanweisung, einem Herstellungsprotokoll und einer Plausibilitätsprüfung auch noch eine Prüfanweisung und ein Prüfprotokoll gefordert.

Wirtschaftlichkeit? Arbeitsaufwand? Zeitaufwand? Abrechenbarkeit auf Kassenrezept? Normal müsste man für solch einen Saft locker 20 Euro verlangen, beklagen sich viele Apotheker, wenn man alles miteinrechnet. Unterstützung seitens der Poltik? Fehlanzeige!

Im Lock-Down, als es plötzlich kein Desinfektionsmittel mehr gab, auch da waren wir PTA gefordert diese herzustellen, um die Bevölkerung schnell und unkompliziert versorgen zu können. Da waren die Apotheken und PTA dann wieder wichtig, mit ihrem erlernten galenischen Fachwissen.

A propos wichtig. Wichtig sind Apotheken auch an Wochenenden! Fordern manche gerade doch die 4-Tage-Woche, so würde mancher von uns sich zunächst einmal eine 5-Tages-Woche wünschen, da Apothekenpersonal grundsätzlich eine 6-Tage-Woche bei 40 Stunden Vollzeit hat.

Achja, Notdienst haben Apotheken auch, der gerne auch mal für unwichtige Einkäufe genutzt wird, getreu dem Motto: "Ich brauche noch dringend ein Nasenspray, da ich morgen in den Urlaub fliege." Aber sonst wird fleißig im Internet bestellt – klar, ist ja billiger, und mein Wick MediNight bekomme ich ja auch bei Shop-Apotheke, DocMorris und Co., die auch noch fleißig von Promis wie Günther Jauch beworben werden. Wer braucht schon pharmazeutisches Fachpersonal mit fundiertem Wissen?!

Jedes Jahr kommen circa 50 neue Wirkstoffe auf den Markt, es wird geforscht, weiterentwickelt et cetera. Da ist es wichtig, auf dem neuesten Stand zu bleiben. So gibt es seit 2001 die Fortbildungsrichtlinie der Landesapothekerkammer Hessen für Apotheker, seit 2005 auch für PTA, um Fortbildungspunkte zu sammeln. Nun will und soll man sich als PTA fortbilden, um für seine Kunden auf dem aktuellsten Stand zu bleiben, doch kostet ein Seminar um eine Zusatzqualifikation zur Fach-PTA zum Beispiel für Dermopharmazie oder Naturheilkunde zu erlangen schnell mal bis zu 2500 Euro, die man in der Regel selbst tragen muss.

In jedem anderen Beruf erlangt man durch stetige Fort- und Weiterbildung neue Karrierechancen in Form von einem höheren Posten oder einem besseren Verdienst. Dies ist in unserem Berufsbild nicht so. Wir PTA haben keinerlei Aufstiegschancen, egal wir bemüht und engagiert man auch ist!

Das Gehalt von PTA in öffentlichen Apotheken richtet sich nach dem aktuellen Tarifvertrag. Dieser ist aber nur bindend, wenn man als PTA Mitglied in der Apothekengewerkschaft ADEXA und sein Chef wiederrum Mitglied der ADA, dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken ist. Das Gehalt liegt bei Berufsanfängern bei 2419 Euro brutto. Im Vergleich laut Hessenschau Artikel vom 23.05. verdienen Reinigungskräfte im Schnitt 2225 Euro und Lageristen 2633 Euro brutto. Da stellt sich mir die Frage: Was läuft hier falsch?

Eine PTA im achten Berufsjahr verdient dann erst so „viel“ wie ein Lagerarbeiter. Ich möchte weiß Gott nicht den Beruf des Lageristen oder gar der Reinigungskraft schmälern! Aber: Der Beruf der PTA stirbt gerade aus, alle rufen Fachkräftemangel in der Pflege und im Krankenhaus. Bloß über diesen Beruf redet keiner!

Ich habe viel Geld in die Ausbildung gesteckt, habe auf der Hochschule Fresenius mein Staatsexamen mit 1,0 abgelegt, habe einen verantwortungsvollen Beruf ergriffen, bei dem es um die Gesundheit von Menschen geht: Ein falsch abgegebenes Medikament kann unter Umständen böse Folgen haben. Ich habe keinerlei Aufstiegschancen, arbeite sechs Tage die Woche und das bei schlechtem Lohn am Existenzminimum und mache mir Sorgen wie ich eine Familie ernähren, geschweige denn später von der Rente leben soll.

Jetzt sind WIR dran!

Das erste Mal in der Geschichte rufen Apotheken zum Protesttag auf – am 14. Juni bleiben die Apotheken geschlossen! Es geht unter anderem um die Stabilisierung der Arzneimittelversorgung in der Lieferengpass-Krise, um weniger Bürokratie, den Fachkräftemangel und die Honoraranpassung, damit auch adäquate Gehälter gezahlt werden können.

Ich hoffe inständig, dass sich nun endlich auch etwas an den Gehältern der PTA verändert. Denn: Inflationsbonus? Coronabonus? Fehlanzeige! Die letzte Tariferhöhung gab es zwar Anfang des Jahres mit drei Prozent, doch ist das bei unserem niedrigen Gehalt nur ein Tropfen auf dem heißen Stein gewesen, der durch die Inflation sowieso wieder sofort verpufft ist!

Im Vergleich: Die Mitarbeiter der Deutschen Bahn fordern unter anderem eine 4-Tage-Woche, eine 35-Stunden- statt 38-Stunden-Woche bei gleichem Gehalt, circa 550 Euro mehr Monatslohn, und eine Inflationsausgleichsprämie von circa 3000 Euro. In zwölf Monaten läuft der Vertrag dann wieder aus und die Diskussionen gehen von vorne los. Bis dahin wird das ganze Land wieder stillgelegt, bis die nächsten Forderungen fruchtbaren Boden finden. DAS nenne ich mal eine finanzielle Anerkennung und Tarifsteigerung, davon können wir PTA nur träumen!

Auch die Sorge vor Altersarmut wächst unter uns PTA. Laut einer Umfrage müssen sich vier von zehn berufstätigen Frauen hierzulande mit einer Rente von weniger als 1000 Euro pro Monat abfinden, trotz 40 Jahren Vollzeit. Um später eine Rente von 1000 Euro pro Monat zu bekommen, müssen derzeit laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales pro Monat 2844 Euro brutto verdient werden – und zwar durchgängig über 40 Jahre lang. Jetzt ist der PTA-Beruf auch ein Beruf für Frauen. Viele arbeiten in Teilzeit, um nebenbei ihre Kinder versorgen und betreuen zu können. Aber wie soll eine Frau, die vielleicht noch ein oder zwei Kinder hat und somit nicht voll eingezahlt hat, denn dann später von dieser Rente leben können?

Es ist einfach nur noch beschämend, traurig und enttäuschend, wenn man sieht, wie die Schere der Gehälter immer weiter auseinandergeht. Es gibt bald nur noch die großen Fische und die kleinen. Die aber mindestens genauso gute Arbeit leisten, aber eben nicht genug gesehen und anerkannt werden.

Der bundesweite Protesttag am 14. Juni ist bitter nötig für uns als Apotheke, aber eben auch für unseren Berufsstand der PTA. Ich wünsche mir, dass endlich was getan wird für unsere Berufsgruppe, wir PTA brauchen mehr Anerkennung, mehr Gehör, bessere Zukunftsaussichten und das bedeutet eben auch ein deutlich besseres finanzielles Gehalt!

Wacht endlich auf da oben! Es ist an der Zeit, dass sich was dreht! Wenn das Licht erstmal aus ist in den Apotheken, dann für immer!

#Lass das Licht an, Karl!

Lisa Dittmann, PTA aus Idstein

Lisa Dittmann (30) ist PTA in der Glaskopf-Apotheke in Glashütten. Sie kommt aus Idstein und hat ihre Ausbildung an der Hochschule Fresenius absolviert. 2018 war sie Finalistin beim Wettbewerb "PTA des Jahres".

Zur besseren Lesbarkeit hat Lisa Dittmann in ihrem Text das generische Maskulin verwendet. Die im Text verwendeten Pronomen beziehen sich auf alle Geschlechter.
Die Redaktion hat die angegebenen Daten des Leserbriefs nicht geprüft – Quellen liegen bei der Autorin.

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