Vor Publikum einen Vortrag halten und dabei frei sprechen. Für viele Menschen überhaupt kein Problem! Für Menschen mit Logophobie, der Angst vor dem öffentlichen Sprechen, eine schier unmögliche Herausforderung.© Stockbyte / iStock / Getty Images Plus
Vor Publikum einen Vortrag halten und dabei frei sprechen. Für viele Menschen überhaupt kein Problem! Für Menschen mit Logophobie, der Angst vor dem öffentlichen Sprechen, eine schier unmögliche Herausforderung.

Lampenfieber

LOGOPHOBIE: DIE ANGST VORM FREIEN REDEN – WAS HILFT

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Der Chef oder die Chefin beauftragt Sie, nach einer Fortbildung für Ihr Team eine PowerPoint-Präsentation mit den Learnings vorzubereiten – und zu halten. Für Menschen mit Logophobie, Sprechangst, eine Herausforderung.

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Vor einer größeren Gruppe frei sprechen: Für jemand mit Logophobie wächst sich eine solche Anforderung zu einem gigantischen Problem aus. Schließlich ist es etwas anderes, sich im Kreise von Freunden, Familie oder direkten Kolleg*innen an Gesprächen zu beteiligen. Man hat kein Publikum, man muss sich nicht beweisen, man braucht keine Sprechpraxis, um seine Meinung zu sagen oder vom letzten Urlaub zu erzählen.

Doch bei Menschen mit Logophobie sieht das vollkommen anders aus. Logophobie ist definiert als übermäßige Angst vor Wörtern oder dem Sprechen. Reaktion: eine übersteigerte Angst in Sprechsituationen.

Ist Logophobie Lampenfieber?

Wahrscheinlich kennt jeder diese Momente, vor einer Gruppe oder vor Kund*innen in der Apotheke zu sprechen. Der Herzschlag wird schneller, die Hände werden feucht, die Atmung wird schwerer, der Mund trocknet aus, die Zunge klebt am Gaumen. Das war’s! Reden geht eh nicht mehr, die PowerPoint-Präsentation brennt sich in die Leinwand ein. Der Chef ist enttäuscht. Boden, tu dich auf!

Aber ist das bloß Lampenfieber oder bereits Logophobie?

Eine grauenvolle Sprechsituation, die nicht nur den ganzen Tag, sondern das gesamte Leben beeinflussen kann. Doch was passiert da? Die meisten – Fachleute beziffern die Zahl mit 80 Prozent der Menschen – waren schon einmal in so einer Situation, als sie vor Publikum sprechen sollten. Das kann bereits in der Schule beginnen, wenn man vor der gesamten Klasse etwas sagen soll. Das Schlimme: Man kennt die Antwort, man ist gut vorbereitet, es kann eigentlich nichts schiefgehen. Und doch steht man da und bekommt keinen Ton heraus. Das Schreckgespenst nennt sich Lampenfieber. Auch im Zeitalter von Social Media, wo sich unzählige Menschen ununterbrochen der Allgemeinheit präsentieren, ist Lampenfieber für viele im wahren Leben immer noch ein Problem.

Die Aufregung, die Nervosität, sprich, das Lampenfieber vor einem öffentlichen Auftritt muss gar nichts Schlechtes sein. Der Körper reagiert beim Lampenfieber auf die Idee des Sich-Präsentierens mit der Ausschüttung der Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin. Auftraggeberin ist die Amygdala (Corpus amygdaloideum) im Gehirn, die an der Entstehung von Emotionen wie zum Beispiel Angst beteiligt ist. Sie wird daher auch als Angstzentrum des Gehirns bezeichnet. Sie ist noch ein Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten, als der Mensch als Jagender und Sammelnder unterwegs war und in Gefahrensituationen unmittelbar und direkt reagieren musste.

Er musste hellwach, seine Sinne mussten geschärft sein, Energiereserven mussten mobilisiert werden. Und das ging nur, wenn der Köper mittels „Wachmachern“ wie Stresshormonen entsprechend vorbereitet wurde. Der Impuls war: Lauf weg!! Sei wachsam! So ist das auch bei Sprechsituationen.

Es geht zwar nicht mehr um eine reale Gefahr, aber der Fluchtgedanke ist da.

Die meisten Menschen können diesen Moment überwinden und halten ihren Vortrag perfekt, nach ein paar Minuten ist die Angst vor dem Sprechen verflogen, da sie sich allmählich sicher fühlen. Schauspieler*innen, Pressesprecher*innen, Moderator*innen, Kommentator*innen kennen diese Situation nur zu gut.

Doch es gibt den Super-GAU

Das Lampenfieber hat allerdings eine übermächtige, gnadenlose Schwester namens Logophobie. Die oben bereits beschriebenen Symptome nehmen so stark überhand, dass man sich wie gelähmt fühlt. Man wird fahrig und bekommt einfach gar kein Wort mehr heraus. Das Ergebnis: Blackout mit einer phobieverstärkenden Versagensangst.

Logophobie ist eine tatsächlich krankhafte psychogene Redestörung in einer Publikumssituation, die sich entweder als eigenständiges Störungsbild darstellt oder als sekundäres Symptom unterschiedlicher Sprach-, Sprech-, Rede- und Stimmstörungen auftreten kann. Hier sind besonders Mutismus und Stottern zu nennen. Da Logophobie häufig im Zusammenhang mit sozialer Phobie (Angst vor dem Kontakt mit Menschen), spezifischer Phobie (Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen) oder Agoraphobie (Angst vor öffentlichem Raum) auftritt, werden bei der Behandlung Methoden aus der Verhaltenstherapie und des Selbstsicherheitstrainings angewendet.

Logophobiebeginnt oft früh und im Kleinen

Die Logophobie, was übersetzt Angst vor dem Wort bedeutet, kann sich tatsächlich auf bestimmte Wörter beziehen, die gewissermaßen als Schlüsselreiz entsprechende Panikattacken auslösen. Es handelt sich um eine tiefgreifende, anhaltende und abnorme Angst vor Wörtern. Die wahren Gründe sind noch nicht eindeutig erforscht. Man vermutet unter anderem auch genetische Veranlagung, wenn in der Familie bereits Phobien aufgetreten sind. Es werden Schockerlebnisse, Traumata, schlechte Erfahrungen als Gründe für die Ausprägung von Phobien angegeben.

Ebenso können äußere Faktoren wie Erziehung und Familienbeziehung einen großen Einfluss auf eine später entwickelte Logophobie haben. Haben Kinder zum Beispiel sozial oder situationsbedingt ängstliche Eltern als Vorbilder, dann manifestiert sich bei ihnen auch sehr häufig ein schwieriger Umgang mit der infrage kommenden Situation. Sie entwickeln wahrscheinlicher auch eine Logophobie.

Hat jemand bereits mehrfach die Erfahrung gemacht, dass in Vortragssituationen etwas sehr peinlich war oder irgendwie gewaltig schieflief, dann kann daraus auch eine regelrechte Phobie vor solchen Situationen, vor dem gesprochenen Wort entstehen. Das Schlimme ist, dass diese Gefühle vorhandene Fähigkeiten erheblich behindern und soziale Ängste fördern. Auch stetiges Vermeiden phobieauslösender Situationen kann dazu führen, dass es dem/der Betroffenen nicht mehr gelingt, die Anliegen und Bedürfnisse zu verwirklichen. Das macht aus Logophobie einen Teufelskreis!

Was hilft gegen Logophobie?

Grundsätzlich kann jeder Mensch von der Logophobie wie von jeder anderen sozialen Phobie betroffen sein, bei der Mehrzahl der Menschen prägt sie sich jedoch nicht so sehr aus. Bei einer starken Logophobie muss man davon ausgehen, dass es dem/der Betroffenen nicht möglich ist, allein dagegen anzukommen. Da es sich bei der Logophobie um eine psychogene Störung handelt, sind entsprechende psychotherapeutische, aber auch medikamentöse Behandlungsmethoden angeraten.

Die Medikamente, an erster Stelle Antidepressiva, da sie Ängste reduzieren, können in vielen Sprechsituationen hilfreich sein, weil sie helfen, bestimmte Anforderungen erfolgreich zu bewältigen. Allerdings ist zu bedenken, dass nicht kurzfristige, situationsbedingte Arzneigaben helfen. Bei Logophobie müssen sie über mehrere Monate regelmäßig und natürlich unter ärztlicher Beobachtung eingenommen werden.

Parallel dazu können bei Logophobie weitere, zum Beispiel psychotherapeutische Schritte gegangen werden. So helfen bei Angsterkrankungen vielfach kognitive Verhaltenstherapien. Mit zusätzlicher Logopädie lernt der/die Betroffene darüber hinaus eine verbesserte Sprech- und Atemtechnik, was dabei hilft, die Logophobie oder Sprechangst zu lindern. Es empfehlen sich Arbeitsgruppen mit ebenfalls Betroffenen, da dort das direkt gegebene positive Feedback oft für wahre Glücksmomente sorgt.

Logophobie: Angst vor dem Wort, vor der Sprache, vorm Sprechen.

Die wichtigste Kommunikation zwischen Menschen besteht aus Wörtern. Also sollte jeder die Möglichkeit haben oder die Fähigkeit (zurück-)gewinnen, sich anderen Menschen angstfrei mitzuteilen. Dann freut sich auch der Chef oder die Chefin.

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