Jahresrückblick
ALLES WICHTIGE FÜR PTA 2024
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Jahresrückblicke sind so eine Sache: Entweder blickt man nur auf das Negative zurück oder beschönigt rückblickend alles, wohlwissend, was die Zukunft bereits brachte. Doch wie jedes Jahr gab es im Jahr 2024 sowohl schöne Momente wie auch Momente, die noch im Nachgang Wut, Ärger oder Traurigkeit auslösen.
Im Apothekenjahr 2024 gab es zahlreiche Neuzulassungen, die vielen Menschen künftig helfen werden. Es gab politische Höhepunkte, wie absolute Tiefpunkte – ja, es wurde sogar auf der Straße für Veränderungen protestiert. Und auch im deutlich kleineren Rahmen, nämlich der DIE PTA IN DER APOTHEKE Redaktion, veränderte sich etwas, gab es kleine Highlights.
Meilensteine 2024
Das E-Rezept hat es endlich geschafft. Seit Anfang des Jahres können Medikamente ganz papierlos den Weg von der Arztpraxis in die Kundenhände finden. Doch reibungslos lief der Start deshalb trotzdem nicht. Denn gerade zu Beginn des Jahres erschwerten die anhaltenden Lieferengpässe das Tagesgeschäft: Was tun, wenn ein (E-)Rezept nur 28 Tage erstattungsfähig ist, das Medikament aber einfach nicht geliefert wird? Wo notiert man die Gründe für die verspätete Abgabe?
E-Rezept
Weitere Fakten und Hintergrundwissen rund um das Arbeiten mit dem E-Rezept, zum Beispiel die Berechnung von Rezepturen ohne Hilfstaxe oder das Vorgehen bei der Abgabe von Teilmengen, finden Sie im Newsfeed unter dem Suchwort „E-Rezept“.
Noch nicht alle Rezeptformen gibt es digital. Immerhin: Das E-BtM-Rezept gibts in bestimmten Modellregionen seit Mitte des Jahres. Auch Privatversicherte können seit Sommer 2024 das E-Rezept nutzen. Doch T-Rezepte, der Sprechstundenbedarf, Überweisungen, Physiotherapie sowie Hilfsmittel sind weiterhin nicht in digitaler Form umsetzbar. Ganz papierlos läuft es also noch nicht. Aber wir haben ja alle auch noch ein paar Jahre Zeit…
Seien wir aber gnädig. Wenn die Zahl der E-Rezepte schlagartig von einigen Tausend auf mehrere Millionen ansteigt, sind Fehler legitim und unausweichlich. Waren Sie dieses Jahr besonders wachsam beim Rezept-Check? Die Erfahrungen der letzten Monate zeigte, dass die Vorsicht nicht verkehrt war. Denn es wurden Fälle von falsch übermittelten Wirkstoffen gemeldet oder gar von Arzneimitteln, die zwar übermittelt wurden, aber gar nicht verschrieben werden sollten. Bei den häufigsten Fehlern handelt es sich allerdings um Formfehler. Entweder um solche, die der neuen Technik geschuldet sind oder den Menschen, die neu mit dieser Technik arbeiten (müssen). Doch glücklicherweise folgten die Krankenkassen zumindest teilweise dem Aufruf des DAV zu Beginn des Jahres auf Formfehler-Retax zu verzichten. Ein kleiner Erfolg.
Highlights bei der DIE PTA IN DER APOTHEKE Redaktion
Seit Anfang des Jahres können Sie sich auch bei DIE PTA in der Apotheke mit DAPs-Punkten für Ihre Fortbildungsleistung belohnen. Falls Sie es noch nicht mitbekommen haben, hier wird erklärt, wie das DAPs-Punkte-sammeln funktioniert.
Im April reisten fünf PTA aus ganz Deutschland nach Wiesbaden, in die Redaktion von DIE PTA IN DER APOTHEKE. Ein spannendes Event für beide Seiten, mit regem Austausch, Workshops und guter Stimmung. Aus dieser Gruppendynamik bildete sich das PTA-Gremium. Es berät die Redaktion künftig bei praxisrelevanten Fragen – vielen Dank dafür. Dazu gab es dieses Jahr auch eine große Leserumfrage, denn die Meinung aller PTA war gefragt.
Und weil es so viel Spaß macht, Produkte zu testen, Neuheiten auszuprobieren und seine fachliche Meinung mit anderen zu teilen, gab es in diesem Jahr gleich zwei PTA Expertenjury-Aktionen.
Die Cannabis-Legalisierung kann man definitiv auch zu den Meilensteinen zählen. Wer früher verschämt mit einem Joint bei Dämmerlicht durch den Park schlich, zeigt sich jetzt stolz mit Vaporizer auf der Straße. Und zwar bei Tag. Doch auch für Konsumenten von Medizinal-Cannabis änderte sich damit einiges. Dennoch bleibt es für viele Menschen befremdlich, wenn sie beim Schlendern durch die Stadt durch eine geruchstypische Wolke laufen. Es wird sich zeigen, ob die Menschen in Deutschland noch die Möglichkeit finden, sich daran zu gewöhnen oder ob sich mit einem möglichen Regierungswechsel dieses Gesetz wie der dazugehörige Rauch wieder verzieht.
Misserfolge 2024
Der größte Fail im Apothekenjahr 2024 war das Apothekenreformgesetz. Weder wusste man, wann es kommt, noch wie es genau gestaltet sein wird. Denn rechnete man nach Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs bereits im August mit der Reform, die in so mancher Berichterstattung sarkastisch als „Apothekenschwächungsgesetz“ betitelt wurde, verschob sich die Abstimmung durch den Bundestag wieder. Und wieder. Und wieder. Aber so hatte der Gesundheitsminister Karl Lauterbach Zeit, die Apothekenstreiks im Streiksommer 2024 in Hessen auf sich wirken zu lassen. Und vielleicht auch, sich den offenen Brief an die Bundesregierung der DIE PTA IN DER APOTHEKE-Autorin Linda Kämpf durchzulesen.
Dank der neusten politischen Entwicklungen stellt sich nun die Frage für das Jahr 2025: Kommt das Apothekenreformgesetz überhaupt? Und: Wozu dann der ganze Ärger? Denn neben Ampel-Aus und Neuwahlen im ersten Quartal 2025 scheint es schwer vorstellbar, dass politische Reformen, die nicht als existenziell für Deutschland eingestuft werden, mal „schnell noch durchgedrückt“ werden – und was eine neue Regierung plant, bleibt ungewiss. Auch wenn der amtierende Bundesgesundheitsminister die Ansicht vertritt, auch an der kommenden Regierung maßgeblich beteiligt zu sein. Die Unions-Partei stellte jedoch direkt klar, nicht mit den Trümmern der Ampel weiterarbeiten zu wollen. Wie es auch kommen mag, das Apothekenreformgesetz bescherte der Branche in jedem Fall eine schon lange nicht mehr dagewesene emotionale Berg- und Talfahrt.
Ampel-Aus, Neuwahlen und Reformstau
Am 16. Dezember hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage gestellt, bei der Abstimmung aber nicht das Vertrauen des Bundestags erhalten. Er hat dem Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier die Auflösung des Parlaments vorgeschlagen. Der Bundespräsident hat noch einige Tage Zeit für seine Entscheidung, vermutlich gibt es aber am 23. Februar 2025 Neuwahlen zum Bundestag.* Alle als wichtig eingestuften Gesetzesentwürfe sollen daher bis Weihnachten noch verabschiedet werden. Apothekengesetze zählen sicherlich nicht dazu. Das Apothekenreformgesetz dürfte Geschichte sein, zumindest in seiner jetzigen Form.
Ein Scheibchen davon jedoch, nämlich das Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit, in dem es unter anderem um die erweiterte Befugnis geht, Schutzimpfungen in der Apotheke zu verabreichen und die Einrichtung des neuen Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM), ist bereits durch die erste Lesung im Bundestag. Hier könnte es noch zu einer finalen Abstimmung vor Jahresende kommen.
Ähnlich steht es um die für Apotheken ebenfalls relevante Notfallreform. Die Einrichtung sogenannter integrierter Notfallzentren soll die Versorgung der Bevölkerung rund um die Uhr verbessern. Eine notdienstpraxisversorgende Apotheke ist bei der Planung ebenfalls vorgesehen. In Zentren ohne solche Versorgungsverträge mit Apotheken erhalten Notärzte ein eingeschränktes Dispensierrecht. Die Reform wird heftig kritisiert, inwieweit sie noch umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten.
Ebenfalls umstritten und doch schon durch die erste Lesung im Bundestag ist das Gesetz zur Stärkung der Herzgesundheit, in dessen Zentrum die Vorsorge und Früherkennung von Herzkreislauf-Erkrankungen steht. Bei Verabschiedung kämen drei neue pharmazeutische Dienstleistungen auf die Apotheke zu: Beratung, Messung und Kurzintervention zur Prävention tabakassoziierter Erkrankungen.
*Stand zu Redaktionsschluss am 23. Dezember.
Ob man die diesjährigen Lieferengpässe noch zu den Misserfolgen oder eher zu den thematischen Dauerbrennern zählen kann, ist Geschmackssache. Obwohl bereits 2023 das Lieferengpassgesetz verabschiedet wurde, halten sich Versorgungsprobleme bei bestimmten pädiatrischen Arzneimitteln oder Wirkstoffen wie Salbutamol oder Azithromycin hartnäckig. Sogar Kochsalzlösung gab es phasenweise nicht in entsprechender Qualität. Dem Winter schaute der Gesundheitsminister in einem kürzlich gegebenen Interview noch gelassen entgegen und vertraute auf seine Gesetze zur Bekämpfung der Versorgungsproblematik.
Die deutschen Apothekenmitarbeiter*innen hingegen halten keine großen Stücke auf die erlassenen Gesetze. 50 Cent und ein paar veränderte Abgaberegelungen besänftigten nicht alle Gemüter. Und auch die Abrechnung nach Dringlichkeitsliste für Kinderarzneimittel stoß in der Praxis auf einige Kritik. Sehen Sie also ebenso gelassen in den Winter wie Herr Lauterbach?
Kleinere und größere Dramen 2024
Mit der Änderung der Medizinprodukteverordnung sind Vaginalzubereitungen mit lebenden Milchsäurekulturen keine Medizinprodukte mehr. Schlagartig gab es nur noch ein Präparat auf dem Markt, das die Anforderungen als Arzneimittel besaß. Wie es für andere Präparate weitergeht, ist nur teilweise geklärt. Und noch eine unschöne Meldung für Frauen 2024: Forschende fanden giftige Metalle in allen untersuchten Tampon-Marken. Kein gutes Jahr für den weiblichen Intimbereich.
Alle, die viel im Labor arbeiten, waren auch sicherlich hiervon geschockt: Talkum wurde als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Doch es verbarg sich ein Aber hinter dieser Meldung.
Der Hype um sogenannte Abnehmspritzen wie Ozempic®, Wegovy® oder Mounjaro® brach auch dieses Jahr nicht ab. Doch eine Schlagzeile fiel besonders auf: Frauen sollen durch die Wirkstoffe ungewollt schwanger geworden sein.
Erfolge 2024
2024 gab es deutlich mehr Arzneimittel-Neuzulassungen als im vergangenen Jahr, bereits im ersten Halbjahr 66 Prozent mehr. Es gab neue Präparate gegen Krebs, Biologicals, jede Menge Orphan Drugs und vor allem Hoffnung für Patient*innen mit schwer zu therapierbaren oder gar bislang unheilbaren Krankheiten.
So hat es die erste Alzheimer-Therapie dieses Jahr zur Marktreife gebracht. Zwar nur für eine bestimmte Gruppe Erkrankter und in Verbindung mit einigen Risiken, aber eben auch mit Signalwirkung für alle an Alzheimer erkrankten Menschen.
Good News für ein kleines Lächeln im Alltag
Es sind gerade die kleinen Meldungen, die häufig untergehen und im Vergleich viel weniger Raum einnehmen als Skandal-Meldungen. Doch sie sind wertvoll, denn sie zeigen, dass die Welt nicht so schlecht ist, wie es immer scheint. Vielleicht haben Sie diese daher dieses Jahr überlesen:
- Pharma- und Kosmetikunternehmen müssen sich jetzt an den Kosten für die Abwasserreinigung beteiligen. Eine schöne Entscheidung für unsere Umwelt.
- Für bestimmte Produktgruppen entfiel 2024 endlich die Präqualifizierungspflicht. Und weitere werden folgen.
- Ein neues Carbapenem, eine Unterklasse der Beta-Lactam-Antibiotika, soll es bald zur Marktreife schaffen. Und zwar im Einsatz gegen Blasenentzündung.
- Ein Gerichtsurteil stellt klar: Die Abgabe der Pille Danach darf nicht verweigert werden.
Eine neue Krebstherapie könnte ebenfalls vielen Menschen mit (bislang) als unheilbar eingestuften Tumoren helfen. Hierbei handelt es sich nicht um einen neuen Arzneistoff, sondern um ein neues Verfahren, das vor allem Kindern und Jugendlichen mit Osteosarkomen helfen könnte.
Ebenfalls als Erfolg zu bewerten ist die erste lange Nacht des Impfens im Oktober 2024. Es beteiligten sich zahlreiche Apotheken an der Aktion, sogar die Tagesschau berichtete. Auch von Ärzt*innen-Seite blieb es friedlich. Das Impfen ist, seit es Apotheken in bestimmten Fällen erlaubt ist dies durchzuführen, ein heiß diskutiertes Thema. Doch anscheinend bringen große Aktionen auch zwei gegensätzlich gesinnte Lager zusammen. Zumindest berichten dies eingefangene Stimmen während der Aktion, aber lesen Sie selbst.
Expopharm 2024
Die diesjährige Expopharm in München hatte mehr zu bieten als das „Gesundheitsminister-Bashing“ auf dem Deutschen Apothekertag. Die Redaktion lädt Sie hier auf einen kleinen Rundgang ein.
Last but noch least gab es 2024 auch mehr Gehalt für PTA. Und nicht nur das, auch die wöchentliche Arbeitszeit wurde gesenkt, der Urlaubsanspruch angehoben und auch die Auszubildenden wurden berücksichtigt. Ein Schritt in die Vier-Tage-Woche? Gerechten Lohn für Fachkräfte? Wertschätzung im Arbeitsalltag? Wir wollen nicht übertreiben. Aber die Anpassung des Bundesrahmentarifvertrages zum August 2024 wird wohl einigen von Ihnen ein Lächeln beschert haben. Sie haben es verdient, es waren fordernde Jahre.
Auch wenn sich durch eine Datumsgrenze nicht jeder Ballast einfach abschmeißen lässt, wünscht Ihnen die Redaktion von DIE PTA IN DER APOTHEKE für das kommende Jahr 2025 alles Gute, Gesundheit und trotz aller Widrigkeiten weiterhin Freude an Ihrem Beruf!
Quellen:
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/11/07/was-bedeutet-der-ampel-bruch-fuer-die-apotheken
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/11/07/sorge-keine-zusammenarbeit-mit-ampel-truemmern
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw41-de-notfallversorgung-1020968
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/gesetz-zur-staerkung-der-oeffentlichen-gesundheit.html
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/notfallreform.html
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw45-de-gesundes-herz-gesetz-1025112
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/lauterbach-will-zweiten-anlauf-fuer-apothekenreform-151257/
https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/gesetzesvorhaben/versorgung-arzneimittel-2183420
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/albvvg.html
https://pm-report.de/gesundheitswesen/2024/halbjahresbilanz-2024-zwei-drittel-mehr-arzneimittelzulassungen-als-vor-einem-jahr.html