Intelligente Wundauflage
NEUE HOFFNUNG FÜR CHRONISCHE WUNDEN
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Viel Zeit ist vergangen, seitdem der Hamburger Apotheker Paul Beiersdorf 1882 die „Guttapercha-Pflastermulle“ zum Patent anmeldete. Er würde sehr staunen, wenn er die neueste Entwicklung aus Amerika sehen könnte: eine flexible, hautartige Polymersubstanz, versehen mit einer elektronischen Komponente. Das Smart-Pflaster kann nicht nur aktiv in die Wundheilung eingreifen, sondern auch chronische Wunden heilen.
Denn gerade bei diesen können herkömmliche Wundauflagen wenig ausrichten; stets ist man auf der Suche nach neuen Verfahren, um beispielsweise „offene Beine“ (Ulcus cruris) oder diabetische Wunden zu heilen, die oft genug lebensbedrohliche Konsequenzen oder Amputationen nach sich ziehen können. Eine Weiterentwicklung der Behandlungsmethoden ist gefragt. Ein Forscherteam der Stanford University entwickelte deshalb bisherige Ansätze für tragbare Geräte weiter, die eine Überwachung und ein aktives Eingreifen zur Förderung der Heilung chronischer Wunden ermöglichen sollen.
Hydrogel als leitende Schicht
Für den Kontakt zur Wundoberfläche entwickelte man ein Hydrogel, das so konzipiert wurde, dass es sicher an der Wundoberfläche haftet, sich aber bei Bedarf durch eine geringe Erwärmung über 37 Grad sauber und sanft ablösen lässt, ohne die Wunde zu beschädigen. Dieses Hydrogel besitzt auch leitende Eigenschaften, die eine Verbindung mit der darüber liegenden elektronischen Komponente des Systems ermöglicht. Eine Microcontroller-Einheit, Sensoren, ein elektrischer Stimulator und eine Antenne befähigen zur Kommunikation mit einem Mobiltelefon. Besonders innovativ: Die Schicht mit der Elektronik misst nur 0,1 Millimeter.
Im „Pflaster“ überwachen die Sensoren biophysikalische Veränderungen im Wundbereich und bieten so eine Möglichkeit zur Messung des Zustands in Echtzeit. Sie erfassen Leitfähigkeits- und Temperaturänderungen in der Haut. Wenn die sogenannte elektrische Impedanz steigt, ist das ein Zeichen für Heilungsprozesse. Wenn die lokale Temperatur sinkt, bedeutet das ein Abklingen der Entzündung. Bei gegensätzlichen Entwicklungen kann das System dann eingreifen. Heilt die Wunde aber schlecht oder wird eine Infektion festgestellt, wird die zentrale Verarbeitungseinheit aktiviert, die dann eine leichte elektrische Stimulation in Gang setzt. Das kann sich bei Heilungsprozessen günstig auswirken, einen Gewebeverschluss beschleunigen und Infektionsprozesse unterdrücken.
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Bei Mäusen eine um 50 Prozent verbesserte Wundheilung
Wieder mussten Labormäuse herhalten, um das System zu testen. Und das verlief durchaus erfolgreich: Die Mäuse erlebten einen beschleunigten Wundverschluss, die Durchblutung des Gewebes wurde erhöht, die Narbenbildung reduziert. Insgesamt gab es bei den Nagern eine um 50 Prozent verbesserte Regeneration der Haut mit dem neuen, smarten Wundverband. Die Forscher führten das auf eine Aktivierung von Genen in Monozyten und Makrophagen zurück, die die Heilung und Neubildung des Gewebes verbessern konnten.
Es gibt wohl erhebliches Potential für die Methode – aber es wird natürlich noch dauern, bis das Konzept reif für den klinischen Einsatz ist. Ganz am Anfang steht nun die Vergrößerung des Pflasters für den Einsatz am Menschen, denn Mäuse sind ja so klein. Auch eine kostenminimierende Massenproduktion muss überdacht werden. Aber trotzdem: Die Forschenden sind optimistisch, dass ihr System eines Tages Patienten mit chronischen Wunden zugutekommen kann.
Quelle: wissenschaft.de