Gewichtskontrolle
WIE FUNKTIONIERT ABNEHMEN?
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Ein schneller Gewichtsverlust steigert die Motivation. Gefühle wie Stolz, Freude und Hoffnung treiben den Diät-Willigen an, noch mehr Körpergewicht in kürzester Zeit zu verlieren. Auch in der Gesellschaft und im medialen Umfeld sind diejenigen erfolgreich, die sich mit viel Disziplin an starre Vorgaben halten und eine große Gewichtsreduktion in kürzester Zeit erreichen.
Im Umkehrschluss wird Menschen, bei denen die Waage einen steigenden Verlauf anzeigt, Versagen und Disziplinlosigkeit zugeschrieben. Sie spüren Gefühle wie Frust, Angst, Scham und Schuld. Besonders nach einer vorzeitig und erfolglos beendeten Diätphase sind diese Gefühlsausprägungen stark. Das Selbstwertgefühl sinkt.
Die Set Point Theorie
Restriktive Diätmaßnahmen sind nicht nur ungeeignet für Langzeiterfolge, sie haben sogar negative körperliche Folgen auf Energiestoffwechsel und Muskelmasse (Jojo-Effekt). Trotz aller negativen Erfahrungen, die Zahl auf der Waage bleibt für viele Menschen der wichtigste Erfolgsmarker. Die Set Point Theorie wurde 1972 von Richard Nisbett definiert. Demzufolge hat jeder Organismus ein festgelegtes „Sollgewicht“, das aktiv durch den Körper reguliert wird.
Bei Abweichungen vom Sollgewicht steuert der Organismus aktiv entgegen, um Veränderungen des Gewichts zu vermeiden. Genetisch bedingt hätten einige Menschen einen höheren Set Point als andere und seien dadurch eher prädisponiert übergewichtig oder adipös zu werden.
Unsere Autorin Sabrina Thaden ist Ernährungstherapeutin. Mehr zu ihrer Person und ihrem fachlichen Hintergrund finden Sie unter www.nutrition-master.de.
Damit ist zwar eine gewisse Programmierung da, jedoch muss auch das Umfeld in Betracht gezogen werden. Aktuelle Studien zeigen, dass ein hoher Set Point und eine veränderte Regulierung der Kalorienzufuhr bei adipösen Menschen dazu führt, dass ein hohes Körpergewicht stabil gehalten wird. Lebensstilveränderungen bleiben von kurzer Dauer.
Adipositas medikamentös behandeln:
Warum der BMI nicht alles ist – ein Beispiel aus der Praxis
Frau Lange* ist 42 Jahre alt und hatte einen Start-BMI von 46,9. Der Leidensdruck durch das hohe Körpergewicht war groß und sie zog immer Maßnahmen in Erwägung, bei der sie in kürzester Zeit so viel Gewicht wie nur möglich abnehmen konnte. Frau Lange erklärte, dass sie erst mal 20 Kilogramm (kg) abnehmen müsse, dann sei sie so motiviert und beweglich, dass sie alles dafür tun würde, um diese Gewichtsabnahme auch halten zu wollen.
Hauptsache weniger Gewicht. Wenn sie weniger wiegen würde, dann würde sie sich in ihrem Körper auch wohl fühlen, weniger Schamgefühl spüren und die Bewegung passiere automatisch.
Frau Lange führte während einer Therapie eine restriktive Diätmaßnahme durch, die diesmal mit einer bioelektrischen Impedanzmessung (BIA) analysiert wurde, um aussagekräftige Messergebnisse zu erhalten.
Was passiert bei einer bioelektrischen Impedanzmessung (BIA)?
Die BIA-Messung ist eine wissenschaftlich validierte elektrische Widerstandsmessung am menschlichen Körper, die auf den unterschiedlichen Leitfähigkeiten der verschiedenen Körpergewebe basiert. Damit sind folgende Parameter messbar:
• Fettmasse (Gesamt- und viszerales Bauchfett),
• Fettfreie Masse,
• Muskelmasse,
• Gesamt- und extrazelluläres Wasser
• sowie Zellgesundheit.
Beim Betrachten des Gewichtsverlaufs, den Frau Lange im Zeitraum von November 2019 bis März 2020 erreicht hat, würden die meisten Menschen sagen, dass ihre Maßnahme sehr erfolgreich war und sie sehr diszipliniert ist. Sie hat im genannten Zeitraum fast 20 Kilogramm Körpergewicht verloren.
Durch die BIA-Messung konnte analysiert werden, wie sich die restriktive Diätmaßnahme auf die verschiedenen Körpergewebe auswirkt. Adipöse Menschen haben einen überdurchschnittlichen Muskelanteil, da das Tragen hoher Körpermasse viel Kraft und damit verbunden auch eine starke Muskulatur benötigt.
Die zwei Typen bei der BIA-Messung
TOFI bedeutet „Thin outside, fat insight“, also nach außen hin schlank, aber innerlich zum Beispiel viel Leberfett durch eine hochkalorische Ernährungswahl mit viel Zucker und gesättigtem Fett. Der BMI und das Körpergewicht erscheinen dann sehr gut, die Blutwerte aber nicht. Es besteht die Gefahr eines metabolischen Syndroms.
FOTI bedeutet „Fat outside, thin inside“, nach außen hin zu dick, innerlich schlank. Dies sind Menschen, die zwar einen erhöhten BMI zwischen 25 bis 35 haben, zum Beispiel aufgrund von hormonellen Erkrankungen oder Lipödem. Sie haben aber oft aufgrund einer ausgewogenen Ernährung sehr gute Blutwerte.
Diese verlor Frau Lange hauptsächlich. Die Fettmasse verringerte sich zwar auch, jedoch deutlich weniger. Nach kurzer Zeit wird sie daher den Jojo-Effekt erleben und der Fettanteil wird sich erhöhen.
Realistische Ziele sind individuell
Gewichtsabnahme, die nicht nach kürzester Zeit mit dem Jojo-Effekt endet, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Dazu zählen unter anderem
- Ausgangsgewicht,
- Alter,
- Geschlecht,
- Anzahl bisheriger Diäten und
- Folge- beziehungsweise Begleiterkrankungen.
Manchmal ist das Gewicht zu halten schon eine Leistung
Für Menschen, die jahrelang starre Diäten versucht haben, über 50 Jahre alt sind, Folgeerkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus haben und Insulin spritzen und/oder einen dauerhaft hohen Stresspegel haben, liegt ein realistischer Gewichtsverlust bei 0 bis 0,5 kg pro Woche. Bereits das Gewicht zu halten, ist ein großer Erfolg.
Als Frau Lange während ihrer restriktiven Diät die BIA-Messergebnisse sah, wurde sie emotional ernüchtert. Für die Zukunft lernte sie, dass nicht nur die schnellstmögliche Gewichtsabnahme als erfolgreich gilt.
Zunächst entschied sie sich für ein Wiegeverhalten von einmal pro Woche. Dafür richtete sie sich einen festen Tag und feste Bedingungen ein, an denen sie sich wiegen konnte, statt entweder mehrmals täglich oder wochenlang gar nicht. Um dauerhaft motiviert zu bleiben, wurden in ihrer Verhaltenstherapie auch andere Erfolgskriterien formuliert.
Diese Erfolgskriterien sollen dabei helfen, dass Frau Lange auch in Phasen einer Stagnation oder leicht schwankenden Gewichtsphasen weiterhin ihre Ernährungs- und Bewegungsziele verfolgt statt in Frust zu verfallen.
Ein Erfolgstagebuch kann helfen langfristig zu motivieren.
Es ist wichtig, dass die neue Herangehensweise an Erfolg und Emotionen in der Therapie gut geübt wird, beispielsweise anhand eines Erfolgstagebuchs:
- Was kann ich körperlich alles wieder schaffen (zum Beispiel wieder mit meinen Kindern auf dem Spielplatz spielen)?
- Wie verbessern sich die Blutwerte?
- Wie viele Schritte mehr erreiche ich jeden Tag?
- Wie verbessern sich die BIA-Werte?
Das Fallbeispiel von Frau Lange zeigt, dass ein Fokussieren nur auf BMI und Gewichtszahl bei schwerer Adipositas nicht zielführend ist. In der Gesellschaft und bei den Beteiligten im Gesundheitsbereich ist ein Umdenken wichtig, wenn es um Erfolgsentwicklungen geht. Es müssen weitere Kriterien neben der Zahl auf der Waage bei der Gesundheitsbetrachtung berücksichtigt werden.