Hund© damedeeso / iStock / Getty Images

Schmöker des Monats

DER UNDOGMATISCHE HUND

Da hat er seinen Meister gefunden: Stubbs, der quirlige Jack Russell-Terrier ist im Leben des Literaturkritikers Denis Scheck – nun ja, beinahe – die Nummer eins. Zusammen mit seiner Frau hat er ein Buch über ihn geschrieben.

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Wer ab und zu mal Fernsehen schaut und gern liest, der kommt an ihm nicht vorbei: In der Sendung „Druckfrisch“ präsentiert Denis Scheck allmonatlich die seiner Ansicht nach besten Bücher, allerdings auch knallhart die schlechtesten. Seine Art mag man oder mag man nicht. Ich persönlich hatte da so meine Vorurteile gegen die Person des Moderators: Ein Dandy, dachte ich, sei der, vor allem interessiert an Oldtimern, dreiteiligen Anzügen aus feinstem Stoff, einer guten Flasche Wein und den sonstigen schönen Dingen im Leben. Irgendwo im fernen Elfenbeinturm urteilte er über Dinge, die die meisten Menschen nur peripher interessieren. Der, dachte ich, würde sich niemals die Gummistiefel schmutzig machen. Wenn er überhaupt welche hätte.

Geistreich, humorvoll, komisch Tja, so kann man sich irren. Ich musste meine Gedankenwelt in dieser Hinsicht von Grund auf reformieren, denn sein Verlag schickte mir ein Buch: Der undogmatische Hund, geschrieben von Denis Scheck und seiner Frau Christina Schenk. Ich habe noch kein geistreicheres und lustigeres Hundebuch gelesen, kein selbstkritischeres und kurzweiligeres. Ganz davon abgesehen, lernte ich vergnüglich dazu, und das tut man ja immer gern. Aufgebaut ist es folgendermaßen: Es zeichnet den Werdegang des kleinen Terriers Stubbs in der Familie Scheck/Schenk nach und wechselt sich ab mit den Hunden der Weltliteratur. Natürlich kann er es nicht lassen, Bücher zu besprechen, zum Beispiel „Wolfsblut“ von Jack London, Stephen Kings „Cujo“, Thomas Manns „Herr und Hund“.

Am schönsten ist es aber, wenn der Autor vom erzieherischen Einfluss des eigenen Hundes auf ihn, den Geistmenschen erzählt. Er wundert sich: „Die Beziehung zu einem Hund ist von allen Beziehungen, die ein Mensch aufbauen kann, vielleicht die merkwürdigste. Höchstens vergleichbar der Zuneigung, die wir Pferden oder Katzen entgegenzubringen in der Lage sind. Aber was uns mit einem Hund verbindet, reicht tiefer. Die ersten Wochen und Monate mit Stubbs hatten etwas Magisches, unterlagen einem Zauber, wie ich ihn vorher und seitdem nie wieder erlebt habe.“

Da ist es schon komisch, wenn er von den ersten Welpenwochen erzählt: Er, Scheck, mitten in der Nacht mit dem Minihund Stubbs im Hinterhof eines Kölner Mietshauses, den Parka über dem gestreiften Pyjama. Frierend darauf achtend, dass der Hund Pipi macht. Der gestrenge Literaturkritiker, der seinen Hund auf Reisen so sehr vermisst, dass er sich einen ihm ähnlichen Stoffhund in den Koffer knautscht. „Stubbstitut“ nennt er den. „Hundehaltung“, so die Erkenntnis, „ist a way of life“. So kann man’s auch sagen.

Von Funktionskleidung und Turnierhundesport Scheck im Hundesportverein, weil die Gattin mit Stubbs dort eine Prüfung machen möchte: „Menschen, die zu einer Bundessiegerprüfung im Turnierhundesport nach Schwanewede fahren, sind komische Menschen. Also schon sehr sympathisch, aber eben auch schon sehr komisch.“ Während er, wahrscheinlich wieder frierend, die verschiedenen Sorten der Funktionskleidungsvielfalt betrachtet, sinniert er über sich selbst. Wie ist er bloß hierher geraten? Was hat ihn hierhergeführt? „Mein Hund. Stubbs ist mein Blindenhund.

Er eröffnet mir den Blick in Bereiche des menschlichen Lebens, in die ich bislang nie geschaut habe. Vielem und vielen bin ich nur dank ihm begegnet.“ Gut so, Stubbs! Der Terrier macht alles mit. Er lässt sich vom Schauspieler Dietmar Bär mit einem Spezial-Spielball beglücken, schläft friedlich neben dem Autorentisch auf der litCOLOGNE, nimmt huldvoll die Aufmerksamkeiten eines Sternekochs entgegen, kehrt schon mal eigenmächtig von einem Spaziergang zurück, um vom Côte de Boeuf eines ihm sympathischen Ehepaares zu kosten: „Als wir den Gastraum betraten, war Stubbs kurz davor, eine Adoptionsurkunde zu unterschreiben.“

Er wird von Donna Leon, Martin Walser und der Nobelpreisträgerin Herta Müller gestreichelt, spielt Fußball mit Thomas Gottschalk und bekommt von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Titel „Wichtigtöle des deutschen Literaturbetriebs“ verliehen (nicht nett!). Wenn Scheck nach Hause kommt, begrüßt ihn der Hund schon an der Tür, mit Lieblingsstofftier, und dann machen die beiden so eine Art Polonaise um den Küchentisch: „Ist das kindisch? Unbedingt. Aber mir doch egal. Wer hat schon Lust, den ganzen Tag erwachsen zu sein? Ich jedenfalls nicht.“

Was wäre die Welt ohne… Stubbs Scheck hat gelernt: Ein Hund kostet Geld. Aber das gibt er klaglos aus. In Apulien (Stubbs kommt möglichst mit auf europäische Reisen) wird er bei der Rückgabe eines Mietwagens einmal für eine Sonderreinigung um 250 Euro erleichtert, weil sich Hundehaare auf der Rückbank befinden. „Offenbar“, grantelt der Autor, „sammelt eine studierte Fachkraft die bei Avis mit goldenen Pinzetten auf.“ Und er erzählt von Leuten, die noch spleeniger sind als er: New Yorker Millionärinnen, die ihrem Maltester zwölf Millionen Dollar hinterlassen.

Wenn Oprah Winfrey einmal das Zeitliche segnet, dürfen ihre vier Hunde sich sogar über 30 Millionen freuen (die werden schon merken, dass man Geld nicht fressen kann). In Anlehnung an unsere Serie „Was wäre die Welt ohne….“ (letzte Seite) sinniert er über das Leben nach Stubbs, er ist ja immerhin schon zehn Jahre alt: „Ich fühle mich in keiner Hinsicht gewappnet, gefeit, geschützt. Ich bin nicht gut vorbereitet.“ Aber Scheck wäre nicht Scheck, hätte er nicht einen wirklich guten Rat aus der Weltliteratur parat, diesmal den von Charles M. Schulz. Der lässt Charley Brown folgenden Dialog mit Snoopy führen: „Eines Tages werden wir alle sterben!“ sagt Charlie auf einem Steg am See sitzend zu seinem Hund. Worauf Snoopy erwidert: „Ja, das stimmt. Aber an allen anderen Tagen nicht.“ Wie tröstlich.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 01/2022 ab Seite 108.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin

Denis Scheck, Christina Schenk Der undogmatische Hund
Eine Liebesgeschichte zwischen einer Frau, einem Mann und einem Jack Russell Gebunden, Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 22 Euro ISBN: 978-3-462-04951-0

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