Platzhalter Titelbild PTA© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Schmöker des Monats

VOM WINDE VERWEHT

Lust auf einen richtig dicken Schmöker? Auf ordentlich Herz und Schmerz, Hochmut und Leidenschaft, Schicksal und Liebeswirren? Dann sollten Sie sich unbedingt an den Roman aller Romane wagen – Gone with the wind.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Okay, das Buch hat je nach Auflage um die 1000 Seiten. Wird aber nie langweilig. Wenn überhaupt ein Roman untrennbar mit einem Film verbunden ist, dann „Vom Winde verweht“. Wie kein anderer Streifen, den ich kenne, verschmelzen hier die Hauptdarsteller mit den Protagonisten des Buches. Und so wird Scarlett O’Hara für immer wie Vivien Leigh aussehen und Rhett Butler wie Clark Gable, der Göttliche.

Bildhübsch, eigenwillig und egozentrisch Die sehr junge, sehr hübsche, sehr pikante Scarlett ist Tochter eines reichen Plantagenbesitzers in Amerikas Südstaaten. 1861 spielt die Geschichte, und schwarze Sklaven gehören zum Alltag, sie erledigen alle Arbeit auf den Baumwollfeldern. Scarlett hat jede Menge Verehrer, die sie genüsslich gegeneinander ausspielt. Doch in Wahrheit liebt sie nur einen: Ashley Wilkes, die größte Schlaftablette aller Zeiten.

Aber das sieht die Südstaatenschöne nicht. Ashley will seine Kusine heiraten, die rehäugige Melanie; sie ist von bedächtig-biederem Gemüt. Also quasi das Gegenteil von Scarlett. Als Ashley am Vorabend des Sezessionskrieges seine Verlobung bekanntgibt, ehelicht sie aus lauter Trotz Melanies Bruder Charles. Der kann sein Glück nicht fassen, obwohl Scarlett in seiner Gegenwart beinahe ohnmächtig wird vor Langeweile.

Scarlett in Atlanta Der Krieg beginnt, Charles fällt sogleich, und Scarlett ist mit 17 Witwe. Da ist Rhett Butler schon aufgetaucht: Der gut aussehende Gentleman hat sich leider unsterblich in die hübsche Scarlett verliebt, weiß das aber zu verbergen, gottseidank, denn sie weiß es nicht zu schätzen. Der Sezessionskrieg, der die USA beinahe in Nord- und Südamerika gespalten hätte und der in der Abschaffung der Sklaverei mündete, bildet den Hintergrund der Liebesgeschichte; erzählt von einer begnadeten Journalistin, denn das war die Autorin in Wirklichkeit.

Scarlett wechselt zur etwas einfältigen Tante Pittypat nach Atlanta, zusammen mit Melly, die ein Kind von Ashley erwartet. In einer dramatischen Szene hilft sie dem Baby zu Hause auf die Welt, denn der einzige Arzt im Ort muss gerade tausende Verwundete versorgen – übrigens einer der eindringlichsten Szenen im Film.

Rhett Butler wird Ehemann Nr. 3 Und nun geht es auf den besagten 1000 Seiten ewig hin und her: Scarlett mäandert durch die Männerwelt, denn sie muss ja die Familie erhalten, und der Verlobte ihrer Schwester kommt da gerade recht (er hat ein gut gehendes Sägewerk). Und ach, Rhett Butler kommt wieder mal zu spät. Scarlett schafft sich eine Kutsche an und fährt als Geschäftsfrau durch die Gegend, was von ihrer Umwelt mit hochgezogenen Augenbrauen kommentiert wird. Am Schluss kriegt Rhett sie doch, aber sie liebt immer noch Ashley…. Erst am Ende des vierstündigen Films (und des dicken Buches) kommt sie zur Besinnung. Wie es ausgeht, verrate ich aber nicht.

Zehn Jahre schrieb Margaret Mitchell an dem Buch Margaret Mitchell, die Autorin des Romans, bekam vor genau 85 Jahren den Pulitzer-Preis für diese Geschichte. Geschrieben hat sie sie auf einer Reiseschreibmaschine. Die junge Frau war zur Zeit der Entstehung ans Bett gefesselt; ihr Mann besorgte ihr eine Remington, und sie fing an zu tippen – zehn Jahre lang sollte das Gehämmer der Tasten die Ehe begleiten, die wohl dennoch glücklich war.

Am 30. Juni 1936 erschien das Buch, nachdem Mitchell auf Verlangen des Verlegers noch schnell den Namen der Hauptfigur geändert hatte – Pansy O‘Hara klang ihm nicht mondän genug. Das Werk wurde mit 30 Millionen Auflage erfolgreichster Roman aller Zeiten. Dasselbe passierte dem Film, der von David Selznick nach Mitchells Vorlage gedreht worden war. Nie zuvor und nie danach war ein Streifen kommerziell so erfolgreich.

Das Casting war nicht einfach Legendär war auch die Suche nach den Hauptdarstellern: Olivia de Havailland sollte „Melly“ spielen, Lesley Howard den Ashley, und für Rhett Butler stand von Anfang an Clark Gable fest. Doch die Suche nach der Hauptdarstellerin zog sich über zwei Jahre. Eine Schauspielerin nach der anderen wurde verworfen – hier passte der Typ nicht, da waren die Papiere nicht in Ordnung, woanders waren die Studiobosse nicht einverstanden. Bis der berühmte Filmschauspieler Laurence Olivier seine hübsche junge Freundin ans Set mitbrachte.

Vivien Leigh, die bis dahin nur kleinere Rollen gespielt hatte, war in den Augen aller die Idealbesetzung und – peng – sie hatte die Rolle! Leider konnten die beiden Hauptdarsteller sich nicht ausstehen. Vivien Leigh warf Gable des öfteren vor, nach Knoblauch zu stinken, was ihr die leidenschaftlichen Kussszenen zur Tortur machte. Gable wiederum musste bei den Tanzszenen auf einem Podest stehen, weil Scarlett ja zu ihm aufschauen sollte und nicht umgekehrt.

Clark Gable, der Erfolgreiche, tat Miss Leigh verächtlich als „unbedarft“ ab und behandelte sie oft nicht gut. Für den legendären Brand von Atlanta hatte man die Filmkulissen von „King Kong“ angezündet, die noch herumstanden: Man konnte die Szene, in der Scarlett und Rhett aus der Stadt fliehen, also genau einmal drehen – leidenschaftliche Umarmungen inklusive.

Acht Oscars Alles an dem Film war Superlative: Für die aufwändigen historischen Kleider wurden mehrere tausend Kostüme angefertigt, 2400 Menschen arbeiteten am Set, 1000 Pferde kamen zum Einsatz und 1400 Kilometer Film wurden belichtet. „Vom Winde verweht“ erhielt 13 Oscar-Nominierungen, davon wurden 1940 acht verliehen – unter anderem an Vivien Leigh als beste Hauptdarstellerin (Clark Gable war auch nominiert, bekam aber keinen) und Hattie McDaniel als beste Nebendarstellerin.

Letztere war schwarz und musste das Gebäude durch einen Nebeneingang betreten, damit sie ihren Preis entgegen nehmen konnte. Heute sieht man den Plot durchaus kritisch – man wirft dem Film und damit auch dem Buch eine verharmlosende Darstellung der Sklaverei vor. Und trotzdem bleibt er ein Klassiker, mit dem sich der echte Bücherwurm outet, denn er ist schon ziemlich lang, der Roman, in dem Scarlett den Männern den Kopf verdreht und bis zum Ende glaubt, die Welt muss sich ihren Wünschen fügen. Und wenn es mal nicht klappt, dann sagt sie sich: „Schließlich, morgen ist auch ein Tag!“ – der klassische letzte Satz von einer, die nie aufgibt. Viel Spaß beim Lesen!

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 05/2022 ab Seite 132.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin

Margaret Mitchell Vom Winde verweht
Taschenbuch Ullstein, 1120 Seiten, 16 Euro ISBN: 9783548261898

×