Schmöker des Monats
MISS MERKEL: MORD AUF DEM FRIEDHOF
Seite 1/1 4 Minuten
Das habe ich auch nicht gewusst – und ich bin Journalistin. Meisterhaft hat sie es verheimlicht, dass es auch als Ex-Kanzlerin etwas anderes gibt als Politikbücher zu schreiben. Okay, es mag ein bisschen seltsam gewesen sein, dass ihr Gatte Joachim – im Buch liebevoll Achim genannt – ihr einen süßen Mopswelpen zu Weihnachten geschenkt hat und sie ihn, weil der Hund so niedlich aussah, mit dem Namen eines russischen Tyrannen belegte, so quasi als ironischen Gegenentwurf.
Aber da konnte man ja auch noch nicht wissen, dass so bald nach der Drucklegung des Cosy-Krimis ein Krieg ausbrechen würde. David Safier hat schon andere Bücher geschrieben. „Jesus liebt mich“ oder „Mieses Karma“. Sie sind verfilmt worden, er hat Preise dafür bekommen. Jedes Mal legte er einen gewissen absurden Witz an den Tag, war immer klug, unterhaltsam und spannend. Diesmal also musste Angela Merkel dran glauben.
Sie ist seinen Worten nach in den Osten nach Klein-Freudenstadt gezogen, wird dort von einem schusseligen Personenschützer namens Mike bewacht und sorgt dafür, dass Putin genügend Auslauf bekommt. Ihr Ehemann Achim ist auch schon in Rente, und er hat neben Quantenchemie noch zwei weitere Hobbies, nämlich Wandern und Scrabble. „Miss Merkel“ hat schon einmal ermittelt, in „Mord in der Uckermark“ grub sie dem dortigen, absolut unfähigen Kommissar das Wasser ab, was ehrlich gesagt nicht besonders schwer war.
Dabei kommen ihr die Fähigkeiten zu Hilfe, die sie als Politikerin so meisterhaft beherrschte: Erstens Probleme so lange ignorieren, bis man sie nicht mehr ignorieren kann (zum Beispiel Handlungen mit Todesfolge) und zum Zweiten den andern immer glauben zu lassen, er wäre schlau, weil man dann besonders gut nachdenken kann.
Ein Bestatter, der Shakespeare liest Diesmal lernt Angela beim täglichen Spaziergang einen Mann kennen, der ihr imponiert: Der sitzt inmitten eines Friedhofes auf einer Bank und liest Shakespeare. Noch dazu sieht er aus wie ein schön gealterter französischer Filmschauspieler, weshalb sie ihn Aramis nennt, obwohl er in Wirklichkeit Kurt Kunkel heißt. Der Herr ist seines Zeichens Bestatter, was ja eigentlich ein Beruf ist, bei dem es an Arbeit nie mangelt.
Trotzdem hat er es geschafft, sein Institut in Grund und Boden zu wirtschaften, genau wie sein Konkurrent Ralf Borscht. Und dann ist da noch der zwielichtige Gärtner Fred Galka. Der steckt irgendwann kopfüber tot in einem frisch ausgehobenen Grab, denn der Mörder ist nicht immer der Gärtner – manchmal ist er auch das Opfer. Die scharfsichtige Angela ist also wieder gefordert. Warum treffen sich die beiden Bestatterkinder heimlich? Was sollen die Erpresserbriefe bedeuten, die Angela unter Zuhilfename ihres Bodyguards in deren Schreibtischen finden? Warum explodiert plötzlich die Fackel in der Hand der Bestattergattin?
Doch wohl nicht nur, weil sie einen Satanistenkult auf dem Friedhof auslebt. Der arme Putin wird so oft aus Tarnungszwecken zu Spaziergängen genötigt, dass der Hund überlegt, den Tierschutz einzuschalten. Er überlebt einen Granatenanschlag, stellt an seinem Frauchen den verdächtigen Geruch eines anderen Männchens fest und beginnt deshalb im letzten Viertel des Buches dann und wann zu knurren, was für Putin völlig unüblich ist.
Angela und der magentafarbene Blazer Gatte Achim, der zum Wanderurlaub aufgebrochen war, kehrt vorzeitig aus irgendeinem dunklen Gefühl heraus in die Uckermark zurück. Er überrascht Angela dabei, wie sie nach einem Frisörbesuch ihren magentafarbenen Blazer wieder herausholt und sich im Schlafzimmerspiegel bewundert; will sie sich doch mit dem Shakespeare-interessierten Bestatter vor seinem Institut zum Tee treffen.
Daraus wird dann nichts, zum Glück, denn Angela erkennt, dass sie mit ihrer wahren Liebe bereits verheiratet ist: dem zuverlässigen Chemikus, dessen einzige Schwäche dessen Drögheit und zu selten gewechselte Socken sind. Apropos Frisör: Von Silvio mit den blonden Strähnchen, der sie Angie-Bangie nennt, erfährt sie stets den neuesten Klatsch („In langen Verhandlungen, die Angela in ihrer Intensität an jene über die Griechenlandhilfen erinnerte, hatten beide sich auf einen rötlichen Braunton für ihre Haare geeinigt.“).
Silvio weiß immer alles, wie das Friseure nun mal an sich haben. Und so führt er mit seinen Plaudereien auch die Lösung des Falles herbei, der in der Friedhofskapelle stattfindet, stilecht und plausibel, denn Bestatter denken sich nun mal nichts dabei, wenn sie in eine solche dringend gerufen werden.
Was in 16 Jahren Kanzlerschaft geschah Nicht nur der spektakuläre Mordfall gibt dem Leser Gehirnschmalz auf. Nein, wir erfahren noch zusätzlich, was uns lange verschwiegen wurde in den letzten sechzehn Jahren. Zum Beispiel, dass Angela Merkels Magen echt stabil war: „Sie hatte in ihrem Leben schon viele üble Gerüche ertragen, so zum Beispiel das strenge Moschus-Parfüm des weißrussischen Präsidenten Lukaschenko, bei dem man nur froh sein konnte, dass keine paarungsfreudigen Moschustiere in der Nähe waren. Oder jenen von 27 Staatschefs nach einer durchgemachten Nacht beim EU-Krisengipfel.“
Der einzige Mann, der sie je erschreckt hat, war Helmut Kohl, als er ihr mit Pfälzer Saumagen drohte; der einzige, der sich ihr ungestüm näherte, war Macron, der sie vor laufenden Kameras dauernd tätscheln wollte. Haben Sie sich übrigens auch immer gefragt, wie die Ehe von Professor Joachim Sauer und Angela Merkel so lange halten konnte – obwohl die beiden sich fast nie sahen?
Sie weiß, dass er in praktischen Dingen einfach nicht so helle ist: „Aber natürlich sagte sie so etwas nicht laut. In einer guten Ehe gehörte es sich nicht, die Schwächen des anderen aufzudecken. Achim hatte ja auch nie ein Wort darüber verloren, dass sie als Kanzlerin pro Jahr ein Kilo zugelegt hatte.“ Lebensweise ist sie ja, das muss man ihr lassen! Ach übrigens: Viel Spaß beim Lesen. Auf die Lösung kommen Sie nie.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2022 ab Seite 124.
Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin
David Safier Miss Merkel: Mord auf dem Friedhof
Klappenbroschur Kindler Verlag, 352 Seiten, 16 Euro ISBN: 978-3-463-00029-9v