Arganöl
DAS FLÜSSIGE GOLD MAROKKOS
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Der zu den seltenen Sapoten-Gewächsen gehörende immergrüne Arganbaum (Argania spinosa L.) wird sieben bis zehn Meter hoch und kann ein stattliches Alter von bis zu 450 Jahren erreichen. Dies verdankt der Baum seiner hohen Widerstandsfähigkeit. Sie erlaubt es ihm, selbst auf den kargsten Böden und oftmals über lange Perioden hinweg ohne Wasser zu gedeihen.
Für die regionalen Berberfamilien gehört der Arganbaum, auch als Arganie bekannt, seit alters her fest zu ihrer Kultur. Er versorgt sie nicht nur mit Öl, sondern mit zahlreichen anderen Rohstoffen für den täglichen Bedarf. So dienen seine heruntergefallenen Äste als Brenn- und Bauholz und seine dattelgroßen Früchte als Nahrungsmittel. Die Blätter werden als Tierfutter genutzt, vor allem für Esel und Ziegen.
Letztere finden diese ganz offensichtlich auch sehr lecker. Denn wenn ihnen die Blätter nicht von Menschenhand serviert werden, versorgen sie sich eben selbst. Unerschrocken angesichts der scharfen Dornen des Baumes klettern sie nach Ziegenart geschickt in ihm hinauf und schnappen sich ihre Leckerei. Arganbäume, die gerade Besuch von ihren tierischen Verehrern haben, sind beliebte Motive – für Urlaubsfotos ebenso wie für Etiketten auf Produkten mit Arganöl.
Aufwändige Herstellung Zur Gewinnung von Arganöl werden nur die Kerne heruntergefallener Früchte verwendet. Das hat allerdings einen ganz praktischen Grund. Denn der Baum ist so zahlreich mit Dornen bestückt, dass eine direkte Lese schlicht nicht möglich ist. Nach alter Tradition erfolgt die Ölpressung durch Berberfrauen und bis heute in einem aufwändigen manuellen Verfahren. Nachdem die Früchte luftgetrocknet wurden, werden sie geschält und die darin liegenden Nüsse mithilfe von Steinen aufgeschlagen.
Anders lassen sich die äußert harten Nussschalen – 14-mal härter als die der Haselnüsse – nicht knacken. Endlich freigelegt röstet man die Nüsse über offenem Feuer und zermahlt sie in einer Handsteinmühle zu einer breiartigen Masse. Mit Wasser vermengt entsteht daraus eine Paste, aus der die Berberfrauen schließlich mit der Hand das Arganöl auspressen. Um einen Liter davon zu gewinnen, werden zwanzig Kilogramm Kerne benötigt. Die relativ geringe Ausbeute, die arbeitsintensive Herstellung und die Tatsache, dass der Baum lediglich in einem kleinen Bereich Marokkos wächst, erklärt, weshalb Arganöl vergleichsweise teuer ist.
Da steckt ordentlich was drin Der hohe Preis für Marokkos Gold ist mehr als gerechtfertigt. Denn es besitzt einen hohen Gehalt an wertvollen Stoffen für unsere Gesundheit. Entsprechend wurde und wird es in Marokko seit vielen Jahrhunderten nicht nur in der Küche und zur Pflege von Haut und Haaren, sondern auch als Heilmittel eingesetzt. Arganöl enthält nahezu doppelt so viel Vitamin E wie hochwertiges Olivenöl und hat zudem noch reichlich Antioxidanzien zu bieten.
Beachtlich hoch ist auch sein Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. Dieser liegt bei annähernd achtzig Prozent, was herausragend viel ist. Unter den ungesättigten Fettsäuren des Arganöls befinden sich vor allem auch die acht essenziellen, also für uns unverzichtbaren, Fettsäuren wie unter anderem Oleinsäure und Linolsäure. Letztere ist zweifach ungesättigt, gehört der Omega-6-Gruppe an und entfaltet zahlreiche positive Effekte in unserem Körper. Darüber hinaus befinden sich im Arganöl pflanzliche Sterine, die sich sonst in keinem weiteren pflanzlichen Öl finden.
Diese Phytosterine verfügen über entzündungshemmende Eigenschaften, wodurch unter anderem arthritische und rheumatische Beschwerden gelindert werden sollen. In der traditionellen Medizin Marokkos wird das Öl aufgrund der Sterine übrigens auch gegen Akne und Neurodermitis eingesetzt. Da die Phytosterine die Fettaufnahme über den Darm regulieren, wirken sie als natürlicher Cholesterinsenker. Zudem stimulieren sie Kreislauf und Immunsystem.
Weitere wichtige Mitstreiter für die Gesundheit im Arganöl sind Triterpenoide. Sie schützen besonders die Gesundheit von Galle, Herz und Leber. Ebenso bekämpfen sie Viren und unterstützen die Regeneration von verletztem Gewebe und Narben. Sie verfügen zudem über desinfizierende Eigenschaften und bieten einen natürlichen Hautschutz vor UV-Strahlung.
Beliebt bei Gourmets Auf Grund seiner hochwertigen Inhaltsstoffe und seines feinen nussigen Geschmacks ist Arganöl in den Küchen geschätzt – inzwischen auch in unseren Breiten. Es passt gut zu Salaten, aber auch zu warmen Speisen. Allerdings sollte man es auf warme Gerichte erst geben, wenn diese fertig zubereitet sind.
Denn beim Erhitzen oder Braten gehen die Wirkstoffe, die Arganöl so wertvoll machen, zu einem großen Teil verloren. Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Öl zum Schutz vor Oxidation, also vor dem Ranzigwerden, dunkel und zwischen zehn und zwanzig Grad Celsius gelagert werden sollte.
Unter UNESCO-Schutz
Einst in ganz Afrika und auch in Südeuropa verbreitet, wächst der Arganbaum heute nur noch im südwestlichen Marokko. Diese natürlich vorkommenden Bäume wurden 1998 von der UNESCO zum Weltkultererbe erklärt und unter Naturschutz gestellt: in einem eigens dafür geschaffenen, Arganeraie genannten Biosphärenreservat von etwa 820 000 Hektar.
Delikatesse auch für Haut und Haare Arganöl findet wie erwähnt seit langem auch Anwendung in der Kosmetik. Das liegt zum einen an seinem hohen Gehalt an Vitamin E. Es wehrt schädliche freie Sauerstoffradikale ab, schützt auch Haut und Haare und hält ihre Widerstandskraft sowie Vitalität aufrecht. Selbst das Haarwachstum und die Haarfülle kann Arganöl verbessern. Wird es äußerlich aufgetragen, kann das enthaltene Vitamin E die Regeneration von sonnenverbrannten und vernarbten Hautbereichen intensiv unterstützen.
Zum anderen machen die vielen ungesättigten Fettsäuren das Arganöl zu einem so wirksamen Pflegemittel. Denn sie spenden Haut und Haaren reichlich Feuchtigkeit und Elastizität, bewahren sie vor dem Austrocknen und schädlichen Umwelteinflüssen: ideal für trockene und stark beanspruchte Haut und Haare. Die im Arganöl ebenso vertretenen Saponine bauen auf der Haut einen Hydro-Lipid-Film auf.
Mittels dieser hauchdünnen Schicht wird die Geschmeidigkeit der Oberhaut gefördert, was Falten entgegenwirkt und zudem eine Art antimikrobiellen Schutzschirm aufspannt. Nicht zuletzt wirken die Saponine lindernd bei Entzündungen. Der hohe Gehalt an Polyphenolen vervollständigt das pflegende Portfolio dieses Öls.
Denn diese pflanzlichen Antioxidanzien schützen die Zellen der Haut ebenso vor den schädlichen Auswirkungen freier Sauerstoffradikale. Damit helfen sie, die Haut glatt und geschmeidig zu halten. Sicher finden sich auch bei Ihnen in der Apotheke zahlreiche Kosmetikprodukte mit dem wertvollen Öl, das Sie Ihren Kunden empfehlen können.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2022 ab Seite 23.
Birgit Frohn, Diplombiologin und Medizinjournalistin