Hautpflege
BITTERSTOFFE FÜR DIE HAUT
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Eine Studie des Forschungszentrums skintegral unter der Leitung von Professor Dr. med. Dipl. Biol. Christoph M. Schempp und PD Dr. rer. nat. Ute Wölfle aus dem Jahr 2015 wies in der menschlichen Haut T2R-Rezeptoren nach. Diese sind eigentlich für das bittere Schmecken zuständig. Pflanzliche Bitterstoffe sind aber nachweislich in der Lage, auch an diese Rezeptoren in der Haut zu binden.
So stimulieren sie die Bildung epidermaler Proteine und Lipide, die an der Hautbarriere beteiligt sind. Und: Bitterstoff-Rezeptoren werden verstärkt in gealterter Haut gebildet, somit könnte vor allem Altershaut von einer Pflege mit Bitterstoffen profitieren. Aber nochmal ganz von vorne: Bitterstoffe für die Haut? Wie passt das zusammen?
Was sind Bitterstoffe?
Alle Verbindungen, die den Rezeptor T2R aktivieren und so einen bitteren Geschmack aufweisen, heißen Bitterstoffe. Sie haben keine einheitliche Struktur, sondern nur den bitteren Geschmack gemeinsam. Chemisch betrachtet gehören pflanzliche bittere Substanzen daher zu unterschiedlichen Stoffgruppen, zum Beispiel zu den Monoterpenen, Aminosäuren oder Alkaloiden.
Ein interessantes Beispiel ist die Aminosäure Tryptophan: In seiner L-Form schmeckt es bitter, das D-Enantiomer aber schmeckt süß. Das zeigt noch einmal, dass es keine chemische Struktur gibt, die eine Substanz als Bitterstoff überführen könnte.
Bitterstoffe sind potenziell synthetisch herstellbar, so wie der bitterste bislang bekannte Stoff Denatoniumbenzoat. Natürlicherweise kommen sie aber in nahezu allen Pflanzen vor. Mensch und Tier machen sich die appetitanregende und verdauungsfördernde Wirkung zunutze. Die entsteht durch die reflektorisch gesteigerte Magen- und Gallensaftsekretion. Aus vielen Pflanzen wird der bittere Geschmack allerdings mittlerweile herausgezüchtet, um das Gewächs schmackhafter zu machen.
Der Bitterwert
Die Intensität eines Bitterstoffs – wie bitter ist die genannte Droge? – wird im sogenannten Bitterwert ausgedrückt. Ein Bitterwert von 10 000 bedeutet, dass ein Extrakt aus einem Gramm Droge in 10 000 Millilitern Wasser gerade noch bitter schmeckt.
Im Vergleich: Enzian und Wermut sind stark bitter, Schafgarbe mittel, die Wegwarte und der Löwenzahn schwach bitter. Je nach Aufbereitung einer Pflanze kann der Bitterwert variieren. In der Hautpflege wird einer der bittersten natürlichen Stoffe, das Amarogentin, verwendet. Dieser Stoff wird neben weiteren Stoffen aus der Wurzel von Gentiana lutea, dem gelben Enzian, gewonnen. Isoliertes Amarogentin hat einen Bitterwert von 58 Millionen.
Beispiele für Bitterwerte
Bitterwert | Substanz/Droge |
1000 | Chinarinde |
1000 - 2500 | Tausendgüldenkraut |
10 000 - 25 000 | Wermutkraut |
10 000 - 25 000 | Enzianwurzel |
58 000 000 | Amarogentin |
Die Entdeckung der Bitterstoff-Rezeptoren
Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts war kaum etwas zur Physiologie des Schmeckens bekannt. Wissenschaftler waren sich lediglich sicher, dass sich das Schmecken im Mund, insbesondere auf der Zunge, abspielt. Erst 1992 konnten Forschende das Signaltransduktions-Protein Gustducin nachweisen, das sich spezifisch in Geschmackszellen bildet.
18 Jahre später, 2010, wies eine amerikanische Arbeitsgruppe nach, dass Bitterstoff-Rezeptoren in den Bronchien vorkommen. Werden sie aktiviert, führt das zur Bronchodilatation. Dieser Vorstoß führte zur Ausweitung des Forschungsfeldes auf weitere Organe. Zunächst konzentrierte es sich auf den gesamten Magen-Darm-Trakt. Im Laufe der Zeit erstreckte es sich dann sukzessive auf alle anderen extraintestinalen Organe.
Bitterstoff-Rezeptoren der Haut
Im Verlauf dieser Entwicklung konnte ein Forschungsteam Bitterstoff-Rezeptoren in der menschlichen Epidermis nachweisen. Pflanzliche Bitterstoffe wie das bereits erwähnte Amarogentin, können an T2R-Rezeptoren der Epidermis binden und damit einen Calcium-Einstrom auslösen. Daraufhin bildet der Körper Proteine. Dazu gehören Keratin-10, Involucrin und Transglutaminase. Sie nehmen wichtige Funktionen beim Aufbau der Hautbarriere ein. Bislang nicht eindeutig nachweisbar ist die Beteiligung von Bitterstoffen an der Synthese von Hautlipiden in Keratinozyten.
Junge Keratinozyten weisen im Vergleich mit älteren Keratinozyten eine schwächere Färbung des Bitterstoff-Rezeptors auf. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ältere Keratinozyten eine größere Anzahl dieser Rezeptoren besitzen. Ein Grund hierfür könnte ein Ausgleich der sukzessive dünner werdenden Hornschicht sein. Durch die vermehrte Bildung der spezifischen Rezeptoren kann der Körper zum Beispiel eigene Aminosäuren besser ausnutzen.
Hautpflege mit Bitterstoffen
Durch diverse Hautkrankheiten kann es zu einer Schädigung der Epidermis kommen. Damit wird die wichtige hauteigene Barrierefunktion gestört. In der Folge ist die Haut nicht mehr in der Lage, sich nach außen vor dem Austrocknen zu schützen. Infektionsanfälligkeit und Juckreiz sind die Folge. Durch den durch die Bitterstoffe induzierten Calcium-Einstrom können wichtige Proteine, die am Aufbau der Hautbarriere beteiligt sind, gebildet werden. Interessant ist die Anwendung solcher Zubereitung folglich für Neurodermitis- und Psoriasis-Betroffene und für Menschen mit trockener Haut. Alternde Haut profitiert insbesondere, da in ihr mehr T2R-Rezeptoren vorliegen und sie das Potenzial besser ausschöpfen kann.
33 Probanden haben an einer Placebo-kontrollierten Studie teilgenommen. Diese zeigte, dass ein Extrakt aus der Wurzel des Gelben Enzians die Lipidsynthese in der äußersten Schicht der Epidermis erhöhen kann. Relevant ist diese Erkenntnis für Patienten mit atopischer Dermatitis und für die trockene Altershaut.
Empfehlung im HV – Ja oder Nein?
Die Forschung zur äußerlichen Anwendung von Bitterstoffen steht noch ganz am Anfang. Klinische Studien und Nachweise gibt es nur vereinzelt. Diese konnten allerdings eine hautregenerierende und barrierestärkende Wirkung von topisch applizierten Bitterstoff-Zubereitungen nachweisen.
Wie genau diese formuliert sind, geht aus den wissenschaftlichen Veröffentlichungen nicht hervor. Eine gesunde Skepsis ist demnach angebracht – bislang existiert im deutschsprachigen Raum nur eine von Herstellenden finanzierte Studie. Zudem gibt es kaum verifizierte Erfahrungswerte.
Dennoch lohnt es sich, dieses Forschungsfeld im Auge zu behalten, da es potenziell interessant ist und vielen Betroffenen helfen könnte. Im Zweifelsfall könnte eine topische Bitterstoff-Zubereitung die vorhandene Basistherapie ergänzen.