Corona-Pandemie
IMPFEN ODER NICHT IMPFEN – DAS IST HIER DIE FRAGE
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Es ist gerade ein Jahr her, da sehnte sich im Sommer das ganze Land nach einer pharmazeutischen Innovation: einem Impfstoff gegen COVID-19. Inzwischen gibt es ihn – mehrfach sogar. Insgesamt vier Impfstoffe gegen das Corona-Virus sind in Deutschland zugelassen (siehe Grafik unten). Und nach anfänglichen Kapazitätsproblemen stehen mittlerweile auch ausreichend Impfdosen zur Verfügung: Zurzeit werden jeden Tag durchschnittlich 357 000 Dosen verimpft.
Dass so viele Impfungen durchgeführt werden können, das ermöglichen unter anderem die vielen Haus-, Fach- und Betriebsarztpraxen. Sie sind seit Mai 2021 sukzessive in die (bis heute beispiellose) Impfkampagne von Bund und Ländern einbezogen worden. Die Impfstoffe erhalten sie über die rund 18 700 öffentlichen Apotheken, die – zusammen mit dem pharmazeutischen Großhandel – die flächendeckende Versorgung sicherstellen.
Zum Erfolg der Impfkampagne trug auch die große und bislang stetig steigende Impfbereitschaft in der Bevölkerung bei. Das allerdings ändert sich gerade. Die Anzahl der täglichen Impfungen stagniert. Gleichzeitig bestimmt die hochansteckende Delta-Variante von SARS-CoV-2 immer stärker das Pandemiegeschehen. In Deutschland verursacht Delta nach Informationen des Robert-Koch-Instituts (RKI) inzwischen 95 Prozent aller Corona-Neuinfektionen. Das RKI rät daher dringend, die Angebote für die Impfung gegen COVID-19 wahrzunehmen.
Impfung: Wer hat noch nicht – wer muss nochmal?
Aktuell (Mitte August) sind in Deutschland gut 47 Millionen Menschen vollständig geimpft – also etwas mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Das bedeutet aber auch, dass die andere Hälfte der Deutschen noch keinen vollständigen oder gar keinen Impfschutz hat. Sie stehen deshalb im Fokus der Impfstrategie für den Herbst 2021. Hinzu kommen Senioren, die bereits frühzeitig geimpft wurden und ab September eine Auffrischungsimpfung bekommen sollten.
Ungeimpfte überzeugen scheint immer schwieriger zu werden. Eine Impfpflicht soll es in Deutschland dennoch nicht geben. Das haben Bundesregierung und Bundesländer in der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am 10. August noch einmal deutlich gemacht. Die Bundeskanzlerin und die Länderchefs appellieren jedoch eindringlich, schnellstmöglich die bestehenden Impfangebote anzunehmen: „Wer im Herbst einen vollständigen Impfschutz haben möchte, muss jetzt mit der Impfung beginnen“, heißt es im Beschluss der MPK.
„Wer im Herbst einen vollständigen Impfschutz haben möchte, muss jetzt mit der Impfung beginnen.“
Gleichzeitig soll der Zugang zu Impfungen weiter erleichtert werden durch niedrigschwellige und zielgruppenbezogene Angebote. Dazu zählen unter anderem mobile Impfaktionen, bei denen man sich unkompliziert und ohne Termin gegen COVID-19 impfen lassen kann: auf dem Parkplatz im Wohnviertel, vor dem Supermarkt oder dem Jobcenter, am Strand, in Kirchen und Moscheen oder im Umfeld von Festivals und Konzerten. Zudem sind Arbeitgeber aufgefordert, ihre Mitarbeiter bei der Impfung zu unterstützen. Sie sollen informieren, betriebliche Impfangebote schaffen und Beschäftigte für die Impfung freistellen.
Gut 6,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben Stand Mitte August mindestens eine Impfdosis erhalten. Vor allem mit Blick auf die Delta-Variante sei es besonders wichtig, die Zweitimpfung zeitgerecht wahrzunehmen, so die Bundesregierung. Denn erst mit der zweiten Impfung erzielen die Impfstoffe die volle Schutzwirkung von 70 bis 95 Prozent (siehe Grafik). Die Zeitabstände zwischen den Impfungen sind je nach Impfstoff unterschiedlich. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt:
- Comirnaty (BioNTech/Pfizer): 3 bis 6 Wochen
- Spikevax (Moderna): 4 bis 6 Wochen
- Vaxzevria (AstraZeneca): 9-12 Wochen
- Kreuzimpfung (Vaxzevria/mRNA-Impfstoff): ab 4 Wochen
- Ausnahme ist das Covid-19 Vaccine Janssen (Johnson & Johnson), das nur einmal verabreicht werden muss.
Eine Besonderheit ist dabei die sogenannte Kreuzimpfung: Wer bei der ersten Impfung das Vakzin von AstraZeneca erhalten hat, sollte bei der zweiten Impfung einen mRNA-Impfstoff (BioNTech oder Moderna) bekommen, so die Empfehlung der STIKO. Denn: „Die Kreuzimpfung hat eine ähnliche Impfeffektivität wie zwei mRNA-Impfstoffe,“ sagt die Frankfurter Ärztin und stellvertretende Vorsitzende der Ständigen Impfkommission Professor Dr. Dr. Sabine Wicker in einem Interview des hessischen Rundfunks. In den Zulassungsstudien sei die Effektivität der Kreuzimpfung auf etwa 94 bis 95 Prozent bestimmt worden. Die Impfeffektivität von zwei AstraZeneca-Impfungen liege bei 70 bis 80 Prozent, so Wicker.
Auch für die Impfung von Genesenen gelten besondere Regeln. Für Personen, die bereits eine SARS-CoV-2-Infektion hatten, empfiehlt die STIKO nur eine Impfstoffdosis, denn die bereits hohe Antikörperkonzentration bei Genesenen könne durch eine zweite Impfstoffdosis nicht weiter gesteigert werden. Die Impfung kann bereits vier Wochen nach dem Ende der COVID-19-Symptome verabreicht werden. Bei Patienten mit asymptomatischer Infektion: vier Wochen nach der Labordiagnose. In der Regel sollten Genesene spätestens sechs Monate nach der Infektion geimpft werden. Die gleichen Zeitfenster gelten auch für die Zweitimpfung von Personen, die sich nach der ersten Impfung mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert haben. Um die Infektion sicher nachzuweisen genügt inzwischen ein Erregernachweis mittels PCR-Test.
Für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen werden in Deutschland ab September 2021 Auffrischimpfungen angeboten. Zu den vulnerablen Gruppen zählen insbesondere Senioren und Höchstbetagte, Patienten mit Immunschwäche oder Immunsuppression sowie Pflegebedürftige. Zwischen der ersten Impfserie und der Auffrischimpfung sollen mindestens sechs Monate liegen. Gesicherte Studiendaten zu Corona-Auffrischimpfungen gibt es allerdings noch nicht. RKI und STIKO halten sich deshalb bedeckt, was klare Empfehlungen hinsichtlich Notwendigkeit, Zeitabstand und Impfstofftyp angeht. Aus immunologischer Sicht spreche nach aktuellem Kenntnisstand nichts dagegen, zu einem späteren Zeitpunkt mit einem anderen COVID-19-Impfstoff geimpft zu werden, heißt es auf der Website des RKI.
Digitale Impfzertifikate aus der Apotheke
Wer vollständig geimpft ist und das mit einem digitalen Zertifikat auf seinem Smartphone nachweisen will, kann dieses Zertifikat inzwischen wieder in vielen öffentlichen Apotheken bekommen. Nachdem Ende Juli eine Schwachstelle beim Zugang zum Webportal des Deutschen Apothekerverbands (DAV) entdeckt wurde, hatte der Verband die Ausstellung der Zertifikate vorübergehend deaktiviert. Inzwischen wurde der Zugang zum Modul „Digitales Impfzertifikat“ in die Telematikinfrastruktur integriert. Alle daran angebundenen Apotheken können die Zertifikate jetzt wieder ausstellen.
Corona-Strategie: Planung für einen heißen Herbst?
Die MPK legte in ihrer letzten Sitzung am 10. August auch die Grundzüge der Corona-Strategie für Herbst und Winter fest. Sie folgte dabei den Vorschlägen und Empfehlungen der Konferenz der Gesundheitsminister (GMK), die sich einen Tag zuvor auf gemeinsame Positionen geeinigt hatte. Die wichtigste Empfehlung beider Gremien: Die epidemische Notlage (epidemische Lage von nationaler Tragweite) soll auch über das zurzeit geltende Enddatum 11. September 2021 hinaus verlängert werden. Die Entscheidung darüber fällt der Bundestag – und zwar voraussichtlich am 7. September.
Nur wenn die epidemische Lage verlängert wird, können die Bundesländer weiterhin Infektionsschutzmaßnahmen umsetzen. Diese hat die MPK, mit Blick auf eine mögliche vierte Pandemie-Welle vorsorglich schon einmal verschärft: Spätestens ab dem 23. August 2021 müssen alle Personen, die weder vollständig Geimpfte noch Genesene sind, einen negativen Antigen-Schnelltests vorlegen, der nicht älter ist als 24 Stunden. Oder einen negativen PCR-Tests, der nicht älter als 48 Stunden ist. Damit erhöht sich der Druck auf nicht Geimpfte, denn für sie sind die Tests zwingende Voraussetzung für den Zugang zu
- Krankenhäusern
- Alten- und Pflegeheimen sowie Einrichtungen der Behindertenhilfe
- Innengastronomie
- Veranstaltungen und Festen in Innenräumen
- für die Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen (etwa Friseur, Kosmetik, Körperpflege
- Sport im Innenbereich (Fitness-Studios, Schwimmbäder oder Sporthallen)
- für die Beherbergung (Test bei Anreise und zwei Mal pro Woche während des Aufenthalts)
Gleichzeitig beschloss die MPK, dass es ab 11. Oktober keine kostenlosen Bürgertests mehr geben wird. Davon ausgenommen sind Personen, die nicht geimpft werden können oder für die keine Impfempfehlung vorliegt (zurzeit sind das zum Beispiel Kinder unter 12 Jahren). Für sie sind Antigen-Schnelltests auch weiterhin kostenlos. Dass für alle anderen ab Oktober Geld für Tests verlangt werde, begrüßt die Bundesapothekerkammer (BAK): Wenn Schnelltests künftig Geld kosten, würden sich mehr Unentschlossene für eine Impfung entscheiden, so BAK-Präsident Thomas Benkert: „Dieser Weg ist gut, richtig und notwendig.“
Quellen:
https://impfdashboard.de/
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/coronavirus-impfung-faq-1788988 Hessenschau vom 31. Juli 2021, Hessischer Rundfunk: https://www.hessenschau.de/gesellschaft/stiko-mitglied-eine-kreuzimpfung-ist-effektiver-als-zweimal-astrazeneca,interview-stiko-100.html
https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Durchfuehrung_Impfung.html#FAQId15634370
Grafik „Zugelassene COVID-19-Impfstoffe: Angaben gemäß Zulassung“: Quelle und aktueller Stand unter https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/coronavirus-inhalt.html;jsessionid=886262C1327BB37A07D9827EA899DB42.intranet241?nn=169730&cms_pos=2
https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/covid-19/covid-19-node.html
Pressemitteilung „Ministerpräsidentenkonferenz: BAK-Präsident begrüßt Impfschub durch Testkosten“, ABDA am 10. August 2021.