Präexpositionsprophylaxe
PREP ALS SCHUTZ VOR HIV: ZU WENIG ANLAUFSTELLEN
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Die PrEP (Präexpositionsprophylaxe) ist eine Safer-Sex-Methode, mit der HIV-Negative sich mit HIV-Arzneimitteln vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen können.
Man unterscheidet die tägliche und die anlassbezogene PrEP. Die Deutsch-Österreichischen Leitlinien empfehlen eine PrEP allen Personen mit einem erhöhten HIV-Risiko ab 16 Jahren.
Dazu zählen etwa
- Männer, die Sex mit Männern haben, und trans* Personen, wenn sie im letzten halben Jahr Analverkehr ohne Kondom hatten und/oder voraussichtlich in den nächsten Monaten haben werden,
- Männer, die Sex mit Männern haben, und trans* Personen, die in den letzten zwölf Monaten eine sexuell übertragbare Erkrankung hatten,
- Partner*innen von Menschen mit HIV, die keine HIV-Therapie machen, bei denen die Therapie nicht richtig wirkt oder die die Therapie noch kein halbes Jahr lang erhalten,
- Menschen, die Sex ohne Kondom mit Partner*innen haben, bei denen eine undiagnostizierte HIV-Infektion wahrscheinlich ist,
- Drogen-injizierende Personen, die keine sterilen Spritzbestecke verwenden.
Für sie ist eine PrEP seit dem 1. September 2019 eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Das kleine HIV-Lexikon:
Was ist der Unterschied zwischen Prä- und Postexpositionsprophylaxe
HIV ist die Abkürzung für Human Immunodeficiency Virus. Es wird über Körperflüssigkeiten auf Schleimhäuten und verletzter Haut übertragen, meist beim Vaginal- oder Analsex, aber auch über kontaminierte Spritzen, bei Blutkontakt, unter der Geburt oder beim Stillen.
Aids steht für Acquired Immunodeficiency Syndrome und zählt zu den sexuell übertragbaren Krankheiten. Sie entsteht durch HI-Viren. Bei Aids kann das Immunsystem sich nicht mehr gegen Krankheitserreger wehren – auch solche, die für Gesunde sonst harmlos sind. Es kommt zu wiederholten Infektionen wie Lungenentzündungen oder Pilzerkrankungen oder auch speziellen Krebsformen, die tödlich verlaufen können.
ART, also die antiretrovirale Therapie, richtet sich bei HIV-positiven Personen gegen die HI-Viren. Eine HIV-Infektion ist noch nicht heilbar, mit einer ART kann die Viruslast aber mittlerweile bis unter die Nachweisgrenze gesenkt werden und die Betroffenen können beschwerdefrei leben. Für eine ART kommen Entry-Hemmer, Reverse-Transkriptase-Hemmer, Integrase-Hemmer, Protease-Hemmer und Capsid-Hemmer in Frage. Sie stoppen die Viren an unterschiedlichen Stellen ihres Vermehrungszyklus. Man nimmt lebenslang eine Kombination aus mehreren Wirkstoffen ein.
PrEP steht für Präexpositionsprophylaxe und meint einen medikamentösen Schutz vor einer HIV-Infektion. PrEP ist also eine Safer-Sex-Methode. Sie ist für HIV-negative Menschen mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko gedacht. Dazu nimmt man täglich eine Tablette mit 200 mg Emitricitabin und 245 mg Tenofovirdisoproxil (entspricht 136 mg Tenofovir) ein. Alternativ zur täglichen Einnahme gibt es die anlassbezogene PrEP.
PEP ist die Postexpositionsprophylaxe, also die Vorbeugung vor einer Infektion, nachdem eine HIV-negative Person einen Risikokontakt mit einer HIV-positiven Person hatte. Um eine Infektion zu verhindern, sollte man die Postexpositionsprophylaxe idealerweise innerhalb von zwei Stunden, spätestens nach 48 Stunden beginnen und dann vier Wochen lang die antivirale Kombination Tenofovir/Emtricitabin plus einen Integrase-Hemmer (Raltegravir oder Dolutegravir) einnehmen.
Warum gibt es die PrEP auf Kassenkosten?
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sagt dazu: „Deutschland ist eines der Länder mit den niedrigsten HIV-Neuinfektionsraten in Europa. Wir wollen die Zahl der Neuansteckungen noch weiter senken.“ Die PrEP ist laut BMG ein wirksames Instrument dazu. Eine Studie des Robert Koch-Instituts bestätigt, dass eine PrEP HIV-Infektionen wirksam vermeiden kann. Daten aus Ländern, in denen sie schon länger eingesetzt wird, zeigen ebenfalls, dass sie die Zahl der Neuinfektionen deutlich senkt.
„Wir wollen die Zahl der Neuansteckungen noch weiter senken.“
Deshalb wurde der gesetzliche Anspruch auf ärztliche Beratung, Untersuchung und Arzneimittel im Rahmen der PrEP gegen HIV im Jahr 2019 im Terminservice- und Versorgungsgesetz festgehalten. Seither steigt die Anzahl der PrEP-Nutzenden in Deutschland; Ende 2023 waren es schätzungsweise rund 40000. Unter realistischen Bedingungen schützt eine PrEP zu 86 Prozent vor HIV. Werden weitere Safer-Sex-Praktiken berücksichtigt, kann die Schutzwirkung auf 99 Prozent steigen.
Reicht es nicht, eine Postexpositionsprophylaxe anzubieten?
Bei der Postexpositionsprophylaxe gegen HIV kommt zusätzlich zu den Arzneimitteln der PrEP auch ein Integrase-Hemmer wie Raltegravir oder Dolutegravir zum Einsatz. Damit sind zusätzliche Nebenwirkungen verbunden. Häufig sind das Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlafstörungen. Insbesondere Dolutegravir begünstigt auch eine Gewichtszunahme.
Außerdem muss es bei der Postexpositionsprophylaxe schnell gehen: Sie sollte in den ersten zwei Stunden nach dem Risikokontakt begonnen werden, spätestens innerhalb von 48 Stunden. Das ist nicht immer möglich. Wer also zur Risikogruppe für eine HIV-Infektion gehört, handelt verantwortungsvoll, indem er oder sie eine PrEP in Anspruch nimmt.
So funktioniert eine PrEP als Schutz vor HIV
Im Erstgespräch klären spezialisierte Ärzt*innen ab, wie hoch das HIV-Infektionsrisiko ist und ob eine PrEP in Frage kommt. Falls ja, wird ein Rezept über die Kombination 200 Milligramm (mg) Emtricitabin und 245 mg Tenofovirdisoproxil für drei Monate ausgestellt. Alle drei Monate erfolgt ein PrEP-Check, der die Wirkung kontrolliert und bei dem die Patient*innen auf andere sexuell übertragbare Krankheiten wie Syphilis und Gonorrhoe getestet werden. Bei Bedarf gibt es dann ein Folgerezept.
Die Anwender*innen nehmen täglich eine Tablette zu einer Mahlzeit ein (sofern sie nicht die anlassbezogene PrEP nutzen). Der Wirkspiegel baut sich in der Anal-, Darm-, Vaginal-, Penis- und Mundschleimhaut unterschiedlich schnell auf. Eine PrEP schützt vor HIV deshalb frühestens am dritten Tag beim Analsex, erst ab dem achten Tag beim Vaginalsex. Möchte man die PrEP wieder absetzen, sollten Personen, die nur Analsex haben, das Präparat nach dem letzten ungeschützten Verkehr noch mindestens zwei Tage einnehmen. Wer (auch) Vaginalsex hat, sollte die Tabletten noch mindestens sieben Tage lang weiter einnehmen.
Da das Risiko einer HIV-Infektion beim Oralsex äußerst gering ist, gibt es hierfür keine Empfehlung (es wird nach einem Oralsex-Risikokontakt übrigens auch keine Postexpositionsprophylaxe angeboten).
Anlassbezogene PrEP
Die anlassbezogene PrEP ist ein alternatives Einnahmeschema zum Schutz vor einer HIV-Infektion. Die Emtricitabin/Tenofovir-Tabletten werden dabei nur vorübergehend eingenommen. Etwa zu einer Sexparty oder in einer Fernbeziehung rund um einen Besuch – im besten Fall kombiniert mit anderen Safer-Sex-Methoden.
Die Leitlinien empfehlen sie nicht generell, sondern raten zur täglichen PrEP. Auch bei Vaginalsex wird die anlassbezogene PrEP nicht empfohlen. Studien zeigen jedoch, dass die anlassbezogene PrEP beim Analverkehr zuverlässig schützt. Bei Männern, die Sex mit Männern haben, kann sie deshalb individuell angewendet werden.
Für eine anlassbezogene PrEP nehmen die Anwender 24 bis spätestens 2 Stunden vor dem Sex zwei Tabletten Emtricitabin/Tenofovir ein, dann täglich eine weitere Tablette bis zwei Tage nach dem letzten Sex.
Welche Nebenwirkungen hat eine PrEP?
Die meisten Anwender*innen vertragen eine PrEP mit dem HIV-Medikament Emtricitabin/Tenofovir gut. Besonders zu Beginn der Einnahme kann es jedoch zu Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen und Müdigkeit oder Schlafstörungen kommen. Tritt Schwindel auf, sollte man nicht Auto fahren (oder schwere Maschinen bedienen).
Durch die PrEP kann sich die Nierenfunktion verschlechtern. Deshalb ist sie bei einer Creatinin-Clearance von unter 60 Millilitern pro Minute kontraindiziert. Der dreimonatige PrEP-Check überprüft den Nierenwert mit, um diese potenzielle Nebenwirkung frühestmöglich zu erkennen. Schäden an den Nierenkanälchen können außerdem die Knochendichte sinken lassen. Diese Nebenwirkung der PrEP ist insbesondere für trans*Frauen wichtig, die nach einer Hodenentfernung einen Androgenmangel haben und damit ohnehin ein erhöhtes Osteoporose-Risiko.
Mit den Hormontherapien während der Transition sowohl von trans*Frauen als auch trans*Männern sind hingegen keine Wechselwirkungen mit dem PrEP-Präparat bekannt, ebenso wenig mit „Partydrogen“ wie MDMA oder Ketamin.
Der Haken an der PrEP: Im Osten kaum Anlaufstellen
Die wohl größte Hürde zu Beginn der PrEP ist, eine Praxis zu finden, die diese anbietet. Nur Ärzt*innen, die eine Spezialisierung auf HIV nachweisen, dürfen die PrEP zu Lasten der Krankenkasse verordnen. Praxen mit HIV-Schwerpunkt sind der Deutschen Aidshilfe zufolge beispielsweise zu finden
- über das Suchtool des Bundesgesundheitsministeriums,
- das Suchtool der dagnä (Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin)
- oder über die Angebotsliste von prep.jetzt.
Hierbei zeigt sich jedoch schnell: Im Osten Deutschlands sind kaum Praxen und Ambulanzen zu finden, die eine PrEP zur HIV-Prophylaxe anbieten. Während es in Berlin noch zahlreiche Anlaufstellen gibt, sieht es schon in Potsdam mau aus. Auch im hohen Norden Deutschlands um Flensburg und Kiel sowie in Nordhessen und Teilen von Baden-Württemberg sind PrEP-Praxen rar.
Florian Michel* aus der Nähe von Dresden berichtet von einer monatelangen Odyssee, bis er endlich seine PrEP verordnet bekam. Die Karte der dagnä hat ihm in ganz Sachsen nur sechs auf HIV spezialisierte Praxen angezeigt: „Aber sehr viele von ihnen schreiben gleich auf ihrer Homepage, dass sie keine Möglichkeit mehr haben, neue Patienten aufzunehmen.“
Die Infektiologische Ambulanz der Uniklinik in Dresden wies ihn ab; sie könnten ihn erst behandeln, wenn er positiv sei. „Da kommt man sich ganz doof vor“, resümiert Michel. Aus der Community erhielt er ähnliche Berichte: „Viele waren in den Praxen, die eigentlich voll waren, und einige waren sehr unzufrieden mit der Sensibilität der Ärzte.“ Auch Michel hat in seinem Umfeld diese Erfahrung gemacht: Er musste darüber diskutieren, warum er eine PrEP möchte; ob er sein Liebesleben nicht im Griff habe? Ihm wurde vorgeworfen, er „nehme das nur, um rumzuhuren.“
Mittlerweile ist er in einer Schwerpunktpraxis in Taucha bei Leipzig untergekommen und konnte seine PrEP beginnen, um sich vor HIV zu schützen. Doch auch jetzt bekommt er den Mangel an spezialisierten Ärzt*innen noch zu spüren. „Ich hatte mir im Juni unglücklicherweise eine Gonorrhö eingefangen. Meine Schwerpunktpraxis in Leipzig hat mich noch getestet und mir den Befund geschickt, dann war sie jedoch im Urlaub und mein Hausarzt ebenfalls.“ Ihm blieb nur die kassenärztliche Vertretung in Riesa, wo ihn eine Internistin behandelte – die von PrEP noch nie gehört hatte. „Sie war aber sehr interessiert und ich habe ihr den Namen des Medikaments dagelassen“, merkt Michel an.
*Name geändert
Quellen:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/terminservice-und-versorgungsgesetz/prep
https://www.diepta.de/fortbildung/detail/immer-noch-praesent/hiv-aids
https://flexikon.doccheck.com/de/Integrase-Inhibitor
https://www.aidshilfe.de/hiv-prep
https://www.aidshilfe.de/hiv-prep/einnahmeschema
https://www.diepta.de/news/ab-sofort-auf-rezept
https://www.aidshilfe.de/hiv-prep/prep-checks
https://www.apotheken-umschau.de/medikamente/beipackzettel/truvada-200-mg245-mg-filmtabletten-1380424.html?file=4ef941622a6d7359ae6fbf24276d5cfe
https://gesund.bund.de/suchen/aerztinnen-und-aerzte/vorauswahl-hiv-prep
https://www.dagnae.de/schwerpunktarztsuche
https://prep.jetzt/index.php/aerzteliste