Corona-Maßnahmen
SCHUTZSCHIRM FÜR HERBST UND WINTER IN PLANUNG
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Der Herbst rückt näher. Nicht nach dem Thermometer. Aber für Bundes- und Landespolitiker, die Antworten auf die Frage finden müssen, wie sich Deutschland am besten auf die nächste kalte Jahreszeit mit der Pandemie einstellt. Am 3. August präsentierten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gemeinsam einen „Herbst-/Winterplan Corona“. Und bemühten dabei das Beispiel von Winterreifen und Schneeketten.
In einer ersten Stufe will die Ampelkoalition dem Land also quasi Corona-Winterreifen überziehen. Soll heißen: Normale bundesweite Schutzmaßnahmen für die kalte Jahreszeit vorsehen. Dabei geht es fast ausschließlich ums Masketragen. Wenn es aber irgendwann zwischen 1. Oktober 2022 und Ostern, also dem 7. April 2023, kritisch werden sollte, vor allem fürs Gesundheitswesen, müssen noch Schneeketten her. Das wären dann Schutzmaßnahmen, die die Bundesländer je nach Lage vorsehen können.
Bundesländer: Gute Grundlage, Ausnahmen nötig
Für die Bundesregierung gilt dasselbe wie für Autofahrer und Autofahrerinnen: Sie hofft, mit dieser Ausrüstung gut durch den Winter zu kommen. Die Gesundheitsminister der Länder berieten den Plan umgehend am 9. August auf einer Sonderkonferenz. Ihr Fazit: Der Vorschlag ist eine gute Grundlage. Aber bestimmte Ausnahmen von der Maskenpflicht für frisch Geimpfte und Genesene sind praktisch nur schwer kontrollierbar und damit umsetzbar.
Das sind die „Winterreifen“
Die wichtigsten bundesweit geltenden „Winterreifen“-Maßnahmen der Bundesregierung sind Maskenregelungen:
- FFP2-Masken- und Testnachweispflichten für den Zutritt zu Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und so weiter. Mit Ausnahmen für alle, die vor maximal drei Monaten geimpft wurden oder in diesem Zeitraum genesen sind.
- Regelungen in der weiter geltenden Corona-Arbeitsschutzverordnung, unter anderem zu Homeoffice-Angeboten, Testangeboten, Maskenregelung
Als weitere „Winterreifen“-Maßnahmen können die Bundesländer diese Regelungen erweitern um:
- FFP2-Maskenpflicht/Medizinische Maskenpflicht des Personals im öffentlichen Nahverkehr mit Bus und Bahn sowie in öffentlich zugänglichen Innenräumen
- FFP2-Maskenpflicht in Restaurants, Bars, Kultur-, Freizeit-, Sportbereich etc., mit Ausnahmen: Für alle, die vollständig geimpft sind und vor maximal drei Monaten zuletzt geimpft wurden. Für die, die in diesem Zeitraum genesen sind. Oder die tagesaktuell negativ getestet wurden
- Testkonzepte für Kitas und Schulen; Pflicht zu medizinischen Masken maximal zur Aufrechterhaltung des Präsenzbetriebs und für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 5
Das sind die „Schneeketten“
Außerdem sollen die Länder „Schneeketten“ aufziehen dürfen: Ab 1. Oktober könnten sie die Maskenpflicht nicht nur in allen öffentlich zugänglichen Innenräumen anordnen. Wenn die Situation es gebietet, könnten sie noch umfangreichere Pflichten festlegen. Dazu zählen
- noch strengere Maskenpflichten,
- Vorgaben für Hygienekonzepte in Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen etc.,
- Personenobergrenzen bei Veranstaltungen in Innenräumen.
Konkrete Kennzifern fehlen
Der Herbst-/Winterplan Corona ist Teil von zahlreichen abgestuften Neuregelungen fürs Infektionsschutzgesetz (IfSG). Sie sollen in ein bereits laufendes Gesetzgebungsverfahren eingefügt werden, um rechtzeitig in Kraft zu treten. Für die Länder fehlen weiter klare Grenzwerte, ab wann beispielsweise das Gesundheitswesen überlastet ist. Der Entwurf für ein geändertes IfSG listet zwar Kriterien für eine Überlastung auf, beispielsweise die Anzahl der mit oder wegen Corona in ein Krankenhaus aufgenommenen Patienten je 100 000 Einwohner in sieben Tagen. Doch eine konkrete Kennziffer fehlt. Schon im Frühjahr hieß es, diese könne ja von Bundesland zu Bundesland anders sein.
Weitere Maßnahmen sollen den Plan ergänzen
Minister Lauterbach ergänzte, der Herbst-/Winterplan Corona sei nur Teil eines umfangreicheren 7- Punkte-Plans. Dazu zählten auch eine Impfkampagne mit neuen Impfstoffen, ein Pandemieradar mit tagesaktuellen Daten, Test- und Behandlungskonzepte sowie Schutzkonzepte für Pflegeheime. Bundesjustizminister Buschmann betonte: „Vorbereitet sein, Verhältnismäßigkeit wahren, vulnerable Personen schützen: An diesen drei V orientiert sich unser Corona-Schutzkonzept.“ Freiheitseinschränkungen dürfe es nur geben, wenn sie erforderlich seien: „Lockdowns und Ausgangssperren erteilt unser Konzept deshalb eine Absage.“
„Vorbereitet sein, Verhältnismäßigkeit wahren, vulnerable Personen schützen: An diesen drei V orientiert sich unser Corona-Schutzkonzept.“
Paxlovid®-Dispensierrecht für Ärzte?
Debattiert wird mit Blick auf die Coronalage im Herbst und Winter aber auch über die richtige Medikamentenstrategie. Im Mittelpunkt steht dabei derzeit das antivirale Präparat Paxlovid®. Das Bundesgesundheitsministerium plant, die SARS-CoV-2-Arzneimittelverordnung zu ändern, um Ärzten Dispensierrechte einzuräumen. Paxlovid® oder andere Präparate werden nicht namentlich genannt im Verordnungsentwurf, aber: Hausärztinnen und Hausärzte sollen vom Bund beschaffte, zugelassene antivirale Medikamente zur Behandlung von Corona-Erkrankten direkt bevorraten und abgeben dürfen – ohne den üblichen Weg über die Apotheken. Weiterhin sollen Hausärzte und Hausärztinnen es Pflegeheimen per Verordnung ermöglichen, dieselben Medikamente zu lagern und bei Bedarf an Bewohner zu geben.
Lauterbach hatte schon Anfang Juli getwittert, was er sich von Paxlovid® verspricht: viel weniger Krankenhauseinweisungen Älterer und mehr COVID-Lebensrettung. Im Verordnungsentwurf heißt es zur Begründung fürs neue Dispensierrecht: „Die höchste Gefährdung für schwere Erkrankungen betrifft Menschen höheren Alters, mit Vorerkrankungen oder unzureichendem Immunschutz.“ Insbesondere für diesen Personenkreis solle mit der Änderung die Versorgung mit den vom Bund beschafften zugelassenen antiviralen Arzneimitteln verbessert werden. Zwar hat die Bundesregierung eine Million Dosen Paxlovid® geordert. Doch offenbar wurden noch nicht einmal 30 000 abgegeben.
Von den 1 000 000 Dosen Paxlovid® wurden weniger als 30 000 abgegeben.
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Bleiben Apotheken auf Paxlovid® sitzen?
„Jetzt bleibt also nicht nur der Bund auf seinen Dosen sitzen, sondern auch die Apotheken, die eifrig Paxlovid® an Lager gelegt haben“, kommentierte die Pharmazeutische Zeitung die geplante Änderung. Die ABDA lehnt sie ab: Die geringe Verordnungsmenge gehe auf die zögerliche Verordnungspraxis der Ärzte zurück, nicht auf die Apotheken. Außerdem widerspreche eine Abgabe in Hausarztpraxen dem Ziel, dass Infizierte gerade nicht schnurstracks in die Praxis kommen sollen.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, schreibt hingegen in seinem jüngsten Rundbrief: „Das wird die Versorgung von Risikopatienten verbessern.“ Auch habe man „Fantastereien einiger Apotheken-Vertreter, Paxlovid® als OTC-Präparat abgeben zu können“, verhindert. Die Bundesärztekammer hat den neuen Kurs ebenfalls begrüßt und verlangt, dass weitere Arztgruppen Paxlovid® abgeben dürfen, sofern sie COVID-19-Patienten behandeln.
Nur zur Erinnerung: Viele offizielle Vertreter der Ärzteschaft waren verärgert, als Apotheker und Apothekerinnen eine ärztliche Aufgabe übertragen bekamen, nämlich die Möglichkeit zu impfen. Erst gegen Corona, dann auch gegen Grippe. Auch die pharmazeutischen Dienstleistungen stießen auf ärztliche Gegenwehr. Einige von ihnen forderten im Gegenzug das Dispensierrecht. Nun scheinen sie es zu bekommen – zumindest in kleinem Rahmen.
Quellen:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html#c23063
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/fortentwicklung-infektionsschutzgesetzes-ifsg.html
https://www.gmkonline.de/Presse.html?newsID=199
https://www.hausaerzteverband.de/presse-medien/pressemitteilungen/nachrichten-detailansicht/rundbrief-des-bundesvorsitzenden-ulrich-weigeldt-am-08082022
https://www.bundesaerztekammer.de/presse/aktuelles/detail/stellungnahme-der-baek-zur-sars-cov-2-arzneimittelversorgungsverordnung
https://www.diepta.de/news/covid-19-medikamente-paxlovidr-abgabe-kuenftig-an-der-apotheke-vorbei