3D-Darstellung von Lungeninfektion durch Pseudomonas aeruginosa© Dr_Microbe / iStock / Getty Images Plus
Der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa zählt weltweit zu den häufigsten Ursachen von nosokomialen Lungenentzündungen bei Beatmung.

Pseudomonas aeruginosa

KLINIKKEIM ALS TROJANER ENTTARNT

Antibiotikaresistenzen fordern jährlich fünf Millionen Todesopfer. Der besonders gefürchtete Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa widersetzt sich vielen gängigen Antibiotika. Das macht ihn zu einem der gefährlichsten Krankenhauskeime – bis jetzt.

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Vor allem Menschen mit schwachem Immunsystem erkranken an durch Pseudomonas aeruginosa ausgelösten Lungenentzündungen. Bei beatmeten Patienten enden diese in der Hälfte der Fälle tödlich. Schweizer Forscher sind nun dem Mechanismus auf die Spur gekommen, mit dem der Keim die Lunge angreift.

Professor Urs Jenal und sein Team fanden heraus, wie Pseudomonas es schafft, in die Schleimhaut einzudringen. Außerdem konnten sie nachweisen, wie die Bakterien kommunizieren.
Das könnte ein Durchbruch in der Behandlung des gefürchteten Krankenhauskeims sein – und weiterer Erreger.

So zerstört Pseudomonas aeruginosa die Lungenschleimhaut

Die Forscher des National Center of Competence in Research (NCCR) Anti Resist in Basel züchteten zunächst Lungenorganoide aus menschlichen Stammzellen. Diese simulieren die Verhältnisse im menschlichen Körper. Diese Organoide infizierten die Forscher mit Pseudomonas aeruginosa und beobachteten, wie der Keim agiert.

Sie fanden heraus, dass die Infektion in drei Phasen verläuft.

  1. Zunächst nutzen die Bakterien die im Schleim der Lunge vorhandenen Nährstoffe, um sich rasch auszubreiten. Nur wenige Keime kommen mit dem Lungenepithel direkt in Kontakt, es bleibt intakt.
  2. In Phase zwei heften sich Bakterien an die Becherzellen in der Schleimhaut an und nutzen sie als Trojanische Pferde. Die befallenen Zellen sterben schließlich ab und platzen. Das verursacht regelrecht Löcher im Lungenepithel.
  3. An diesen Löchern wachsen in Phase drei gezielt immer mehr Bakterien und dringen ins Gewebe ein.

Binnen 24 Stunden nach der Infektion ist Pseudomonas aeruginosa in der Lage, die schützende Epithelschicht der Lunge zu zerstören.

Von Natur aus Antibiotika-resistent

Anders als manches Vorurteil besagt, ist Pseudomonas kein menschengemachtes Monster. Der Keim wurde nicht erst durch Antibiotika-Übergebrauch gegen viele Wirkstoffe resistent. Er stammt aus Feuchtgebieten in der Natur und weist natürliche Resistenzen auf.

„Wir stehen kurz davor, in eine post-antibiotische Ära einzutreten, in der häufige Infektionen wieder lebensbedrohlich werden.“

Entsprechend seinen Lebensgewohnheiten findet man ihn in Feuchtbereichen von Kliniken und anderen Einrichtungen wie Pflegeheimen, wo er dann zum Problem wird. Gerade auf geschwächte Personen überträgt er sich leicht, zum Beispiel über die Hände des Pflegepersonals. Nicht nur Lungenentzündungen sind die Folge, sondern auch schwere Harnwegsinfektionen oder sogar eine Sepsis drohen.

Krankenhauskeim nutzt eigene Zellen als trojanische Pferde

Bisher war unklar, wie der Keim es schafft, die Schutzbarriere in der menschlichen Lunge zu durchbrechen. Diese arbeitet nämlich äußerst effizient und ist für viele Keime schier undurchdringlich. Die Schutzbarriere besteht zum einen aus einer Schleimschicht, die potenzielle Eindringlinge bindet und durch ausgeklügelte Mechanismen nach draußen transportiert. Zum anderen liegt darunter eine weitere Schicht aus eng gepackten Epithelzellen, die die tieferen Gewebeschichten schützt. Um diese Barriere zu überwinden, müssen die Bakterien ihr Verhalten während der Infektion mehrmals ändern.

In Phase eins brauchen sie hohe Mobilität, um sich zu verteilen, müssen in Phase zwei aber rasch an die Oberfläche des Epithels binden können. In den Becherzellen angekommen, ist eine rasche Aktivierung der Virulenzfaktoren wichtig, um die Zellen unter ihre Kontrolle zu bringen, so dass sie schließlich platzen und die tieferen Schichten freiliegen.

Man weiß, dass die Bakterien über kleine Signalmoleküle miteinander kommunizieren, aber konnte bisher keine genauen Messungen durchführen.

Keim-Kommunikation erstmals nachvollzogen

Durch einen eigens entwickelten Biosensor ist es den Schweizer Forschern gelungen, die Konzentrationen an Signalmolekülen in Echtzeit zu messen. So ist man nun in der Lage, die Kommunikation zwischen den Bakterien während des Infektionsprozesses nachzuvollziehen. Das könnte in Zukunft helfen, Verteidigungsstrategien gegen die Keime zu finden.

Kampf gegen resistente Erreger

Die Studie ist Teil des NCCR AntiResist, eines von der Schweizer Regierung geförderten Projektes. Unter der Führung dreier international renommierter Infektionsbiologen werden hier seit 2020 Strategien gegen die zunehmenden Antibiotikaresistenzen erarbeitet. Mit der erfolgreichen Zucht von Lungenorganoiden haben die Forscher einen wichtigen Schritt erreicht.

In Zukunft sollen die Ergebnisse der gewebebasierten Studien in der Forschung genutzt werden. Konkret plant das Institut die Entwicklung neuer Screening-Plattformen für neue Antibiotika. Die Zeit drängt, so das NCCR auf seiner Homepage. Wir stehen, so schreiben die Forscher, „kurz davor, in eine post-antibiotische Ära einzutreten, in der häufige Infektionen wieder lebensbedrohlich werden“.

Quellen:
https://www.n-tv.de/wissen/Multiresistente-Erreger-Forschende-schauen-hochgefaehrlichem-Krankenhauskeim-bei-Infektion-der-Lunge-zu-article25014242.html
https://www.biozentrum.unibas.ch/news/detail/lung-organoids-unveil-secret-how-pathogens-infect-human-lung-tissue
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/nosokomiale_Erreger/Pseudomonas.html
https://www.nccr-antiresist.ch/de/

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