Barbiepuppe auf hellblauem Hintergrund mit einem Papierherz auf dem Intimbereich © dvulikaia / iStock / Getty Images Plus
Richtig beraten bei Intimbeschwerden erfordert Fingerspitzengefühl und Fachwissen.

Tabuthema

RICHTIG BERATEN BEI INTIMBESCHWERDEN

Der Intimbereich ist für die meisten Menschen ein Tabuthema. In der Apotheke braucht es deshalb viel Feingefühl und Fachwissen, um die richtigen Fragen stellen und die passenden Informationen geben zu können. 

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Es ist Zeit für eine Enttabuisierung des Intimbereichs – speziell bei der Beratung in der Apotheke. Worauf sollte man also achten und wann muss ein Arzt oder eine Ärztin helfen? Hier kommt kompaktes Beratungswissen für die Selbstmedikation.

Meist sind es Frauen, die Rat in der Apotheke suchen. Aber auch Männer sollten sich um ihren Intimbereich kümmern, denn sonst kann es schnell unangenehm werden. Für alle beginnt eine gute Pflege mit der richtigen Reinigung.

Reinigung ist das A und O – aber bitte richtig

Für Frauen gilt: Die Vagina selbst, also die Verbindung zwischen Scheidenausgang und Gebärmutterhals, braucht meist keine Reinigung. Im Gegenteil: Hier herrscht ein empfindliches, fein austariertes Gleichgewicht zwischen nützlichen Milchsäurebakterien und anderen Keimen. Ähnlich wie im Darm erfüllt das Mikrobiom Reinigungs- und Schutzfunktionen, das Epithel sondert zudem Sekret ab und Eingriffe von außen stören meist mehr als sie nützen. Für eine gesunde Vagina gilt also:

Finger weg also von Scheidenspülungen, Joghurt-Tampons und Intimsprays.

Ein leichter Geruch ist völlig normal, ebenso wie Ausfluss. Verändert sich der Geruch oder die Menge des Ausflusses, könnte eine Erkrankung dahinterstecken. Der äußere Intimbereich, also die Vulva mit den kleinen und großen Schamlippen beziehungsweise der Penis mit Eichel, Vorhaut und der Hodensack sollten mit einer seifenfreien, an den Haut-pH angepassten Waschlotion gesäubert werden. Reizende, stark parfümierte Duschgele verträgt die empfindliche Haut nicht gut.

Wichtig ist auch, dass der Dammbereich, also die Zone zwischen Geschlechtsorgan und Anus, in die Reinigung mit einbezogen wird. Hier können sich sonst Pilze oder Bakterien vermehren, die Infektionen auslösen. Die Vorhaut sollte, wenn vorhanden, täglich zurückgezogen und das Smegma, der weiße Belag aus abgestorbenen Zellen und Sekreten, entfernt werden. Wichtig gerade für Frauen: beim Toilettengang stets von vorne nach hinten abwischen! Sonst drohen Infektionen.

Empfehlen kann man zur Reinigung für Frauen, die eine spezielle Waschlotion möchten, Intimwaschlotionen. Diese gibt es für Frauen vor den Wechseljahren mit einem pH von 3,5 und für Frauen nach der Hormonumstellung, die weniger Milchsäurebakterien in ihrer Vaginalflora aufweisen. Hier liegt der pH eher im neutralen Bereich. Oft sind Kamille oder andere pflegende Zusätze enthalten, während für die jüngeren Frauen Salbei oder Teebaumöl zugesetzt sind.

Nicht übertreiben, aber gezielt vorbeugen

Wie eingangs erwähnt, ist ein leichter Geruch völlig normal. Keinesfalls sollte der Intimbereich überpflegt werden, Tücher und Intimdeos reizen die empfindliche Schleimhaut nur und bringen sie erst recht aus dem Gleichgewicht. Das fördert die Entstehung von Infektionen. Diese machen sich dann durch Juckreiz oder Brennen, fischigen Geruch oder durch veränderten, stärkeren Ausfluss bemerkbar.

Zur Vorbeugung von Vaginalinfektionen während einer Antibiotikabehandlung eignen sich Produkte mit Milch- oder Ascorbinsäure, die den pH während der Therapie im sauren Bereich halten und so die Ansiedlung von Pilzen verhindern. Da auch die Milchsäurebakterien durch das Antibiotikum geschädigt werden, macht ein anschließender Wiederaufbau Sinn. Das kann mit Vaginalkapseln geschehen, die lebende Bakterien an die richtige Stelle bringen, oder auch mit Produkten zum Einnehmen. Nach einer Behandlung gegen bakterielle Vaginose verringert ein Wiederaufbau der Vaginalflora Rückfälle.

Vaginalpilz richtig behandeln

Einer der Hauptgründe für einen Besuch in der Apotheke ist, was den Intimbereich angeht, der Verdacht auf eine Pilzinfektion. Frauen fragen dann oft nach einem konkreten Produkt oder äußern eine Diagnose. Hier ist sensible Beratung gefragt, denn eine Vaginalmykose kann sich ähnlich äußern wie andere ärztlich behandlungsbedürftige Erkrankungen. Diese Fragen sollten Sie immer stellen:

  1. Hatten Sie schon einmal einen Scheidenpilz?
  2. Wurde die Diagnose in der Vergangenheit schon einmal ärztlich gestellt?
  3. Welche Beschwerden haben Sie genau und seit wann?
  4. Wie reinigen Sie Ihren Intimbereich?
  5. Sind Sie schwanger?

Für die Selbstmedikation ist es unerlässlich, dass die Frau über 18 Jahre alt ist und die Erstdiagnose schon einmal durch einen Arzt beziehungsweise eine Ärztin bestätigt wurde. Wichtig ist auch die Abgrenzung zu bakteriellen Infektionen. Das lässt sich klären, indem konkret nach den Beschwerden gefragt wird. Starker, fischiger Geruch und dünnflüssiger, gefärbter Ausfluss sind Hinweise auf bakterielle Beteiligung oder andere Ursachen, die Patientin gehört umgehend in ärztliche Behandlung. Gleiches gilt für Schwangere. Pilzinfektionen können das Risiko für Komplikationen erhöhen und sollten schnellstmöglich behandelt werden! Für Rezeptbelieferungen gilt: immer darauf hinweisen, dass zum Einführen kein Applikator verwendet werden darf!

Vaginalmykosen zeichnen sich aus durch mitunter starken Juckreiz und quarkähnlichen, bröckeligen Ausfluss, der aber kaum oder leicht säuerlich riecht. Manchmal sind die Schamlippen gerötet, mitunter sind weiße Beläge sichtbar. Das Risiko für eine Pilzinfektion steigt durch unsachgemäße Reinigung, Antibiotikaeinnahme, Trockenheit der Schleimhaut und das Tragen von Synthetik-Unterwäsche. Auch Männer erwischt es gelegentlich, auch bei ihnen sind starker Juckreiz und weißer Belag typisch.

Am besten wirksam bei Vaginalpilz sind Drei-Tages-Therapien mit Clotrimazol.

Ein-Tages-Therapien empfehlen sich nur, wenn sie ausdrücklich gewünscht sind oder die Compliance sonst infrage steht. Wichtig ist, dass der äußere Intimbereich einschließlich des Afters mit der Creme behandelt wird. Sonst können dort Pilze überleben und sich erneut ausbreiten. Am besten wendet man die Creme zweimal täglich an, bis sie leer ist. Das gilt auch für Männer. Eine Partnerbehandlung macht nur Sinn, wenn auch bei ihm Beschwerden bestehen. Je nach „Zustand“ der Vagina stehen Vaginaltabletten oder Zäpfchen zur Verfügung. Die Zäpfchen schmelzen und benötigen keine zusätzliche Feuchtigkeit, was sie bei Neigung zu Trockenheit angenehmer macht.

Trockenheit oft stark belastend

Vaginale Trockenheit ist die zweite „Baustelle“, wegen der Frauen die Apotheke aufsuchen. Mangelnde Sekretbildung kann verschiedene Gründe haben. Zum einen verändert sich mit sinkendem Östrogenspiegel die Zusammensetzung der Vaginalflora und auch die Bildung von Vaginalsekret nimmt ab. Zum anderen können Hormonpräparate die Problematik auslösen. Manche Frauen haben ständig mit Trockenheit zu kämpfen, andere nur während des Geschlechtsverkehrs oder zu bestimmten Zeiten im Menstruationszyklus. Unterschiedliche Produkte stehen zur Verfügung, für die Auswahl können ein paar gezielte Fragen hilfreich sein.

  1. Ist das Problem neu und plötzlich aufgetreten? Seit wann besteht es?
  2. Haben Sie kürzlich Medikamente eingenommen oder angewendet? Welche?
  3. Sind Sie schwanger?
  4. Haben Sie noch weitere Beschwerden?

Gerade ältere Frauen leiden oft sehr unter der lästigen Trockenheit. Fettsalben können angeboten werden, aber auch Zäpfchen, die ebenfalls eine Fettkomponente liefern. Cremes enthalten oft feuchtigkeitsbindende Inhaltsstoffe, die durch ihr Wasserspeichervermögen länger auf der Schleimhaut bleiben. Hilft das alles nicht oder bestehen weitere Beschwerden, sollte ein Arzt/eine Ärztin sich darum kümmern. Hormonhaltige Salben oder auch die Anwendung eines Hormonersatzpräparates sind auf Rezept erhältlich und bessern die Symptomatik meist schnell. Manchmal stecken aber auch entzündliche Hauterkrankungen hinter den Beschwerden.

Verletzungen, die zum Beispiel bei der Rasur oder nach der Geburt bestehen, behandelt man am besten mit Sitzbädern mit Kamille oder Heublume. Gegen Wundsein im Intim- oder Analbereich gibt es spezielle Pflegeprodukte zur Vorbeugung. 

Achtung!
Ganz wichtig für die Beratung ist der Hinweis, dass paraffinhaltige Cremes und Salben die Reißfestigkeit von Kondomen und Diaphragmen beeinträchtigen können! Cortisoncremes haben im Intimbereich nichts zu suchen, auch Hautpflege nicht. Manche Emulgatoren und andere Inhaltsstoffe sind nicht schleimhautverträglich.

Männer sollten immer ärztlichen Rat einholen

Männer sind in der Regel kein Fall für die Selbstmedikation in der Apotheke, es sei denn, sie haben eine Pilzinfektion mit den typischen Beschwerden. Schmerzen, Hautveränderungen oder sogar Ausfluss aus dem Penis müssen unbedingt ärztlich abgeklärt werden! Sie können Hinweise auf ernste Erkrankungen sein, unter anderem auf sexuell übertragbare Infektionen. Auch Schmerzen beim Wasserlassen sind ein Fall für den Urologen. Blasenentzündungen beim Mann sind selten, gehören aber in Behandlung. Sie sind nur durch den Arzt/die Ärztin von sexuell übertragbaren Infektionen wie Tripper oder Syphilis oder auch von Prostatabeschwerden zu unterscheiden.

Ganz allgemein ist es ratsam, sich gut um seinen Intimbereich zu kümmern. Die tägliche Reinigung bietet Gelegenheit, sich die Haut genau anzuschauen und Veränderungen zu besprechen. Ist etwas ungewöhnlich, ist ein Arztbesuch nötig. Scham ist hier übrigens völlig fehl am Platze! Die entsprechenden Fachärzte kennen die Probleme, für sie ist das Alltag und überhaupt nicht peinlich. Schwierigkeiten sollten angesprochen werden, denn so manche Beschwerden unter der Gürtellinie werden sonst mitunter richtig unangenehm- womöglich auch für den Partner oder die Partnerin.

Quellen:

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/wenn-es-ploetzlich-unten-juckt-143736/

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/schleimhaut-braucht-schutz-140111/

https://www.aidshilfe.de/

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