Biosimilars
PARENTERALE ZUBEREITUNGEN: OFFENE FRAGEN NACH G-BA-BESCHLUSS
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Die „Fachnews“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 13. Februar 2024 war unmissverständlich formuliert: „Ab dem 15. März 2024 müssen Apotheken die Regelungen des neuen § 40b in Abschnitt M der Arzneimittel-Richtlinie beachten. Hier werden Hinweise zur Austauschbarkeit von Fertigarzneimitteln mit biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen bei ärztlich verordneten Zubereitungen gegeben.“
Apotheken sollten von diesem Stichtag an ein „preisgünstiges Produkt“ auswählen. Am besten eines, für das ein Rabattvertrag der Krankenkasse geschlossen wurde. Dann sei „ein weiterer Kostenvergleich nicht notwendig“. Sonst „sind grundsätzlich die Bestimmungen der sogenannten Hilfstaxe zu berücksichtigen“.
Offene Fragen zur Umsetzung
Die Anweisungen klingen einfach. Aber das sind sie im Versorgungsalltag der Apotheken (noch) nicht. Das wurde Ende März auf einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars deutlich. Dort diskutierten Fachleute darüber, wie aus der G-BA-Theorie Versorgungspraxis werden soll: „Was folgt aus dem G-BA-Beschluss zur automatischen Substitution?“ Die Antworten auf diese Frage verhandeln derzeit der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen miteinander. Unterstützt wird der DAV dabei vom Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA). Parenterale Zubereitungen im onkologischen Bereich sind ein großes Segment, das von den Neuerungen betroffen ist. Jährlich werden allein davon rund fünf Millionen Zubereitungen hergestellt.
Gesucht: Retaxsichere Regelungen
„Es sind noch Punkte offen, die elementar wichtig sind“, sagte Stefan Fink, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des DAV. „Es sind noch nicht alle Preise geeint. Für die Apotheken ist deshalb unwägbar: Bei welchem Wirkstoff bekomme ich welches Geld?“ Es sei derzeit ein bisschen „wie ein Flug im Nebel“. Christiane Müller, Geschäftsführerin des VZA, ergänzte: Man sei sich schon einig, dass man die Regeln zum Austausch in der Hilfstaxe umsetzen wolle. Die technischen Details dazu für die Datenbank seien schon verhandelt. Sie sollen zum 1. Juni umgesetzt sein. Aber, so Müller: „Jetzt müssen wir gucken, dass wir retaxsichere Regelungen finden.“ Denn die lassen sich aus dem Beschluss nicht ohne Weiteres herleiten. Hinzu kommt: Die Hilfstaxe sieht bislang keine besondere Abgabehierarchie vor.
Was preisgünstig genau bedeutet, ist nicht sicher
Der G-BA hat zwar für die automatische Substitution eingeschränkt, dass das preisgünstige Arzneimittel mindestens für die Applikationsarten des verordneten Fertigarzneimittels sowie mindestens für dessen Anwendungsgebiete zugelassen sein muss. In der Anlage VIIa zur Arzneimittel-Richtlinie hat er zudem eine Übersicht über die Zusammenhänge von Biologika und deren Biosimilars erstellt, die Apotheken beim Austausch helfen soll. Doch einheitliche und gemeinsame Rabattverträge der Krankenkassen, von denen der G-BA für die automatische Substitution ausging, gibt es nicht. Diesen Weg hatte der G-BA zwar als „vorrangig“ bezeichnet. Doch nun ist offen, was ohne Rabattverträge „preisgünstig“ ist.
Christiane Müller vom VZA berichtete, am Anfang hätte es in den Verhandlungen die Idee gegeben, es dürfe nur das preisgünstigste Fertigarzneimittel abgegeben werden: „Das wäre Harakiri gewesen.“ Nun wolle man versuchen, mit mehr Augenmaß an die Sache heranzugehen. Einem kursierenden Rundschreiben zufolge werden wohl Miligrammpreise vereinbart werden. Und bis auf Weiteres wird empfohlen, für den Austausch Biologika oder auch Biosimilars mit einem möglichst hohen Abschlag zu wählen. DAV und GKV-Spitzenverband arbeiten zudem daran, verbindliche Substitutionsgruppen für Biosimilars miteinander zu vereinbaren. Die Anlage VIIa des G-BA helfe nur begrenzt, ist zu hören. Denn dort seien auch Medikamente aufgeführt, die gar nicht in Deutschland zugelassen sind.
Die Fehler wie bei Generika nicht wiederholen
Dr. Christopher Kirsch, stellvertretender Vorsitzender der AG Pro Biosimilars, kritisierte die Folgen des Beschlusses vehement. „Wir gießen die Biologika in ein System, was bei den Generika nachweislich nicht funktioniert“, warnte er. Die Kombination aus Hilfstaxe-Preisabschlägen und erwarteten Rabattverträgen sei „hochproblematisch“. Walter Röhrer, Vorsitzender der AG Pro Biosimilars, hatte zuvor mit Daten untermauert, dass günstige Biosimilars heute schon für Wettbewerb im Markt und hohe Einsparungen sorgten. 2023 seien es rund 1,85 Milliarden Euro gewesen: Durch Open-House-Rabattverträge, regionale Verordnungsquoten der Kassenärztlichen Vereinigungen, Festbetrge oder auch Abschläge über die Hilfstaxe. 2022 sei hier die Rabatthöhe für biosimilare Wirkstoffe in parenteralen Zubereitungen drastisch erhöht worden. Und die Versorgungsanteile von Biosimilars seien hoch. Sie übernähmen quasi die Hauptrolle in der Versorgung.
Auch die Versorgungssicherheit sprach Röher an: Der Großteil der Herstellungsstätten finde sich in Europa. Doch auch die USA, Südkorea und Indien spielten eine wichtige Rolle für robuste Lieferketten und Versorgungssicherheit. Der Vorwurf der AG: Zu großer Preisdruck im bundesdeutschen Markt setzt beides aufs Spiel. Thomas Müller, Leiter der Abteilung 1 im Bundesgesundheitsministerium, stellte aber klar: „Hohe Marktanteile sind noch kein Zeichen dafür, dass wir das Sparpotenzial ausgereizt haben.“ Die schwierige Finanzsituation der Krankenkassen sei bekannt, deshalb: „Auch bei den Biosimilars ist Wettbewerb notwendig. Und der Wettbewerb muss sich im Preis zeigen.“
Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Branchenverbandes Pro Generika, zu der die AG gehört, verfolgte Müllers Ausführungen mit Skepsis. Er hatte im Vorfeld der Veranstaltung in einem Interview betont, dass GKV-Spitzenverband und Apothekerschaft hoffentlich „Mittel und Wege finden, dass wir nicht in dieselbe Situation rasseln, wie wir sie bei Generika haben“. Seine Fantasie, wie hier die Lösung aussehen könnte, sei aber begrenzt.
Biopharmazeutika
Biopharmazeutika: Auch Biologicals oder Biologika genannt. Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, die neue Behandlungsmöglichkeiten bei Erkrankungen wie u.a. Krebs oder Rheuma bieten. Im Vergleich zu herkömmlichen chemisch-synthetisierten Arzneimitteln ist die Herstellung biotechnologisch hergestellter Arzneimittel sehr viel komplexer und aufwändiger, da die Produktion in lebenden Organismen (zum Beispiel Zellkulturen bestimmter gentechnisch veränderter Säugetierzellen) erfolgt.
Biosimilar: Nachfolgeprodukt eines patentfreien und biopharmazeutisch hergestellten Arzneimittels. Biosimilars sind vergleichbar (similar) zum Originalprodukt und weisen keine klinisch relevanten Unterschiede in Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit zum Originalprodukt auf.
Biosimilar gleich Generikum? Nein. Zwar sind beide Nachfolgeprodukte eines Referenzarzneimittels. Nach Ablauf des Patentschutzes sind sowohl Biosimilars als auch Generika kostengünstigere Alternativen zum Original. Biosimilars sind aber keine Generika, da sie aufgrund ihrer komplexen Herstellung eine biologische Variabilität aufweisen. Deshalb unterscheiden sich auch die Herstellungs- und Zulassungsverfahren von Biosimilars von denen chemisch-synthetisch hergestellter Arzneimittel.
Quellen
Veranstaltung der AG Pro Biosimilars: https://probiosimilars.de/veranstaltungen/symposium-zum-gba-beschluss/
DAZ online: „Zwischen Erkenntnis und Ignoranz – Das Krebsarzneimittel-Paradoxon“ (21.3.2024)
G-BA Fachnews: „Zubereitungen aus Biologika: Ab 15. März gelten Hinweise zur Austauschbarkeit in der Apotheke“
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