Zwei Grüne Knollenblätterpilze im Wald© tomasztc / iStock / Getty Images Plus
Der Grüne Knollenblätterpilz ist extrem giftig und kann nach dem Verzehr zum Tod führen, wenn die Vergiftung nicht behandelt wird.

Pilzvergiftung

GIFTPILZ GEGESSEN – WAS TUN?

Herrlich, so eine Pfanne aus gesammelten Pilzen! Gefährlich, wenn sich giftige Exemplare ins Körbchen verirrt haben. Ein Toxikologe verrät, worauf beim Pilzesammeln zu achten ist, wie sich eine Pilzvergiftung äußert und ob das bloße Anfassen von Giftpilzen schon kritisch werden kann.

Seite 1/1 5 Minuten

Seite 1/1 5 Minuten

Geht der Sommer in den Herbst über, gehen viele Menschen „in die Pilze“. Die gefundenen Schätze wandern anschließend ins Risotto oder die Pilzpfanne. So weit, so gut – wenn es denn ausschließlich Speisepilze waren, die ins Körbchen oder den Beutel gewandert sind.

Denn viele Speisepilze haben Doppelgänger, die geschmacklich sogar ein Genuss sein können, der sich im Anschluss aber bitter rächt – in Form einer Pilzvergiftung. Ein Toxikologe informiert über echte und unechte Pilzvergiftungen, den Umgang mit einem Verdacht und die Therapie.

Welche Fehler gilt es beim Pilzesammeln zu vermeiden?

Ganz klar: Man sollte das eigene Wissen nicht überschätzen. „Es gibt leider immer noch Leute, die mit sehr rudimentären Pilzkenntnissen in den Wald gehen und dort Pilze sammeln“, sagt Martin Ebbecke, Klinischer Toxikologe und Leiter des Giftinformationszentrums GIZ-Nord.

Rund um das Pilzesammeln gibt es so einige Irrtümer, die schnell lebensgefährlich werden. „Zum Beispiel der, dass ein Pilz nicht giftig sein kann, wenn es daran Fraßspuren vom Wild gibt – das stimmt nicht“, sagt Ebbecke. Und auch auf Helfer zur Pilzbestimmung blickt der Toxikologe kritisch:

„Einem Pilz-Buch oder einer Pilz-App sollte man nicht sein Leben anvertrauen.“

Denn bei der Unterscheidung zwischen Gift- und Speisepilz kommt es manchmal auf Details an, die ein Foto gar nicht abbilden kann. Und so stellt auch die Deutsche Gesellschaft für Mykologie klar: Ein Foto reicht bei weitem nicht aus, um eine Freigabe für den sicheren Verzehr geben zu können. Auch der Geruch oder die Festigkeit des Pilzes spielen für die verlässliche Bestimmung eine Rolle.

Pilzvergiftung durch bloßes Anfassen – geht das?

Diese Gefahr sieht Ebbecke nicht. Man müsse den Pilz schon in gewissen Mengen verzehrt haben. „Einen Giftpilz bloß anzufassen – da sehe ich keine Gefahr einer schweren Vergiftung. Auch dann nicht, wenn man danach ohne Händewaschen eine Scheibe Brot isst.“

Welche Beschwerden treten bei einer Pilzvergiftung auf?

Das hängt davon ab, welcher Giftpilz im Körbchen, auf dem Teller und dann im Magen gelandet ist. „In der Medizin sprechen wir von sogenannten Pilzsyndromen, also von Vergiftungserscheinungen, die bei Pilzen mit ähnlichen Inhaltsstoffen vorkommen“, sagt Martin Ebbecke.

In Deutschland gibt es mehr als 15 solcher Pilzsyndrome.

Ein Beispiel: der Knollenblätterpilz. Den Kegelhütigen Knollenblätterpilz können Laien schnell mit einem weißen Champignon verwechseln. Den Grünen Knollenblätterpilz mit einem Täubling. Egal in welcher Form: Der Knollenblätterpilz ist ein besonders gefährlicher Giftpilz. Und leider auch einer, der gerade in dieser Saison besonders häufig zu finden ist. Schon der Verzehr von 50 Gramm kann tödlich enden.

Grüner Knollenblätterpilz
Der Grüne Knollenblätterpilz enthält eine ganze Reihe an Toxinen. Die beiden Hauptgifte sind die Phallolysine und Amatoxine. Wobei die Phallolysine wegen ihrer Unbeständigkeit gegen Erhitzung bei Pilzvergiftungen in der Regel keine Rolle spielen. Die hitzeresistenten Amatoxine hingegen, insbesondere das α-Amanitin (AMA), sind für den Menschen am gefährlichsten. AMA verhindert die Bildung von mRNA  durch Hemmung der RNA-Polymerase II. Dadurch fällt die Proteinsynthese in den Leberzellen aus. Es kommt zur Apoptose.

„Das Tückische am Knollenblätterpilz: Menschen, die eine Vergiftung überlebt haben, sagen, dass er ein sehr schmackhafter Speisepilz war“, sagt Ebbecke. Hat man einen Knollenblätterpilz erwischt, schlägt der Pilzgenuss aber nach rund zwölf Stunden in einen Alptraum um. „Er verursacht heftigste Magen-Darm-Probleme, also Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle“, beschreibt Ebbecke. Nach etwa zwei bis drei Tagen tritt eine scheinbare Besserung ein. Weswegen die Pilzvergiftung fälschlicherweise zunächst häufig für eine harmlose Lebensmittelvergiftung gehalten wird.

Etwa fünf Tage nach der Aufnahme des Giftes kommt es jedoch zum akuten Leberversagen. Die typischen Symptome hiervon sind unter anderem Ikterus, Gerinnungsstörungen und hepatischer Enzephalopathie. Es folgen schließlich ein Leberkoma und nach etwa zehn Tagen ohne Behandlung der Tod.

Ihr Kunde vermutet, giftige Pilze gegessen zu haben. Und jetzt?

Beim Verdacht auf eine Pilzvergiftung rät Ebbecke, sich in das nächste Krankenhaus zu begeben. „Am besten denkt man noch daran, Putzreste oder übrige Exemplare der Pilze mitzunehmen.“ Denn: Wie genau die Vergiftung behandelt wird, hängt davon ab, welchen Giftpilz man verzehrt hat.

Jeder Anhaltspunkt, welcher Pilz da auf dem Teller gelandet sein könnte, hilft den Medizinerinnen und Medizinern weiter. „Allein von der ersten Symptomatik sicher darauf zu schließen, um was für einen Giftpilz es sich handelt – das geht nicht“, sagt Ebbecke.

Beratung gibt es auch bei den regionalen Giftnotrufzentralen, die rund um die Uhr besetzt sind. Eine einheitliche Notrufnummer gibt es nicht, einen Überblick gibt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf seiner Webseite.

Und wie wird eine Pilzvergiftung behandelt?

Für den Knollenblätterpilz existiert ein Gegengift, Silibinin, welches aus der Mariendistel gewonnen wird. Silibinin verhindert, dass die Leber die Gifte des Knollenblätterpilzes aufnimmt. Daneben werden Aktivkohle, Benzylpenicillin und N-Acetylcystein verabreicht. Die Behandlung erfolgt stationär. Die Notwendigkeit einer Lebertransplantation kann nicht ausgeschlossen werden.

Bauchschmerzen nach einem harmlosen Pilz – woran liegt's?

Dann könnte eine unechte Pilzvergiftung Schuld sein. „Bei einer echten Pilzvergiftung hat man einen Pilz mit giftigen Inhaltsstoffen gegessen“, sagt Martin Ebbecke. Eine unechte Pilzvergiftung liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein eigentlich genießbarer Pilz verdorben war. Auch dann kann der Körper mit heftigen Magen-Darm-Beschwerden reagieren.

„Pilze sind sehr eiweißreich. Eiweiße neigen allerdings dazu, schnell zu verderben, werden also durch Bakterien zersetzt“, erklärt Martin Ebbecke. Das kann übrigens auch mit den Pfifferlingen aus dem Supermarkt passieren. Sind die Pilze schleimig oder machen auch nur den Eindruck, nicht mehr genießbar zu sein, gilt also: lieber entsorgen.

Magen-Darm-Beschwerden können auch dann auftreten, wenn man Pilze in größeren Mengen roh isst. „Sicherlich dürfen ein paar Champignons in den Salat oder einige rohe Steinpilz-Scheiben auf das Gericht“, sagt Ebbecke. „Aber prinzipiell sollte man Pilze sorgfältig garen.“

Quellen:
dpa
https://flexikon.doccheck.com/de/Amanitin
https://www.dgfm-ev.de/pilz-des-jahres/2019-gruener-knollenblaetterpilz
https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Gruener_Knollenblaetterpilz

×