Eine Ärztin betastet die Halslymphknoten einer Patientin, die vor ihr sitzt.© NataBene/iStock/Getty Images Plus
Fusobakterien könnten ein Durchbruch in der Therapie von Kopf- und Halskrebs sein.

Mund-Mikrobiom

FUSOBAKTERIEN: STEHT DIE KREBSFORSCHUNG VOR EINEM DURCHBRUCH?

Kopf- und Halskrebs gehören zu den Krebsarten, die eine geringe Chance auf Heilung haben. In der Forschung wird daher stets versucht, neue Therapien zu finden. Ein britisches Team hat nun eine bedeutende Entdeckung gemacht. Das Besondere: Sie hatten das Gegenteil erwartet.

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Fusobakterien aus dem menschlichen Mundraum sind bisher dafür bekannt, Krebs zu fördern. Die aktuelle Forschung bringt sie auch als mögliche Ursache für Endometriose ins Spiel. Die Bakterien beeinflussen Dickdarm-, Speiseröhren- und Brustkrebs besonders negativ. Sie fördern das Wachstum der Tumoren durch Wechselwirkungen mit dem Immunsystem.

Britische Forscher haben Kopf- und Halstumoren mit Fusobakterien behandelt, um zu sehen, ob diese Krebsart ähnlich auf die Keime reagiert. Doch es kam anders: Der Krebs wuchs nicht stärker, sondern er heilte aus.

Durchbruch in der Krebsforschung entgegen den Erwartungen

Das Team um Miguel Reis-Ferreira, Facharzt für Kopf- und Halskrebs beim Guys and St Thomas‘ NHS Foundation Trust in London, gab bestimmte Mengen der Fusobakterien in Petrischalen mit Tumorzellen. Nach wenigen Tagen war der Krebs bei einem Teil der Kulturen völlig verschwunden. In der Krebsforschung ist das ein Durchbruch.

Die anschließende Analyse von 155 Patientendaten ergab Erstaunliches: Waren deren Tumoren mit Fusobakterien infiziert, sank das Sterberisiko um bis zu 65 Prozent. Die Wissenschaftler waren davon vollkommen überrascht. Sie hatten erwartet, dass die Krebszellen ähnlich wie die andere Tumorarten eher zum Wachstum angeregt oder widerstandsfähiger gegen Strahlung würden. Das Gegenteil war der Fall.

Bakterien könnten Krebs heilen

Bereits geringe Mengen der Bakterien reichten aus, um die Zahl der lebensfähigen Krebszellen um 70 bis 99 Prozent zu reduzieren. Außerdem können die Fusobakterien als eine Art Biomarker dienen, um abzuschätzen, wie die Behandelten auf ihre Therapie reagieren. Die neuen Erkenntnisse könnten die Krebsforschung einen großen Schritt weiterbringen.

Gerade Tumoren im Kopf- und Halsbereich sind oft tückisch und schwer zu behandeln. Die Chancen auf eine Heilung stehen meist schlecht. Dazu zählen Krebs im Mund, Rachen im Kehlkopf, der Nase oder den Nebenhöhlen. Die Überlebensrate innerhalb der ersten fünf Jahre liegt bisher zwischen 28 und 67 Prozent.

Krebsforschung mit Bakterien schon vor 133 Jahren

Der New Yorker Arzt William B. Coley legte 1891 den Grundstein für die Immuntherapie gegen Krebs. Seine Forschung an Streptokokkentoxinen, bekannt als Coley’s Toxine, führte er am Memorial Hospital über 40 Jahre an mehr als 1000 an Krebs erkrankten Menschen durch. Besonders gegen Knochenkrebs mit inoperablen Metastasen erzielte er gute Erfolge. Da viele seinen Methoden aber nicht trauten, gerieten Coley und seine Toxine in Vergessenheit. Die aktuelle Krebsforschung greift sie nun wieder auf.

Aktuelle Studie ist nur der Anfang

Wie genau die Fusobakterien den Krebs bekämpfen, muss die Forschung noch zeigen. Im Fortschreiten anderer Krebsarten spielt eine Wechselwirkung der Keime mit dem Immunsystem eine Rolle. Die Heilung bei Kopf- und Halskrebs beruht wahrscheinlich auf einer direkten Abtötung der Krebszellen durch die Bakterien und einer Abwehrreaktion des Immunsystems.

Weitere Forschung ist nötig, um Genaueres zu erfahren. Auch, warum genau diese Art von Krebs durch die Bakterien heilt, während andere Tumoren stärker wachsen, müssen die Forscher noch herausfinden.

Quellen:
https://www.n-tv.de/wissen/Uberraschende-Erkenntnisse-Bakterienart-im-Mund-kann-Krebszellen-toeten-article25122089.html
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/06/16/fusobakterien-koennte-endometriose-auch-bakterielle-ursachen-haben
https://www.helmholtz-hiri.de/de/newsroom/news/detail/news/fusobakterien-und-krebs/
https://www.nature.com/articles/s41586-024-07182-w
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cac2.12588
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/andere-krebsarten/kopf-hals-tumoren.html
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1888599/

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