Eine Frau zeigt mehrere Fotos ihres Gesichts, jeweils mit einer anderen Emotion.© SIphotography/iStock/Getty Images Plus
Trauer? Grübeln? Angst? Die Symptome einer Depression sind nicht bei allen Betroffenen gleich. Forschende erkennen sechs Typen.

Hirnscan

MRT ERKENNT SECHS VERSCHIEDENE ARTEN VON DEPRESSIONEN

Nach dem Tod ihres Partners durch Depressionen erforscht die Psychiatrie-Professorin Leanne Williams die Erkrankung mit bildgebenden Verfahren und künstlicher Intelligenz. Sie findet heraus: Es gibt sechs verschiedene Arten von Depressionen. Und alle müssen unterschiedlich behandelt werden.

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Etwa 30 Prozent der Betroffenen leiden an einer behandlungsresistenten Depression. Und bei bis zu zwei Dritteln aller Depressiven gelingt es nicht, die Symptome vollständig auf ein gesundes Maß zurückzuführen. Laut der Professorin für Psychologie und Verhaltensforschung Leanne Williams werden Medikamente nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ verschrieben. Und es kann Jahre dauern, bis ein wirkendes Mittel gefunden wird – wenn überhaupt. Doch warum ist das so? Williams setzte sich zum Ziel, herauszufinden „wie wir es gleich beim ersten Mal richtig machen können.“

Bildgebende Verfahren des Gehirns in Kombination mit maschinellem Lernen können verschiedene Arten von Depressionen und Angstzuständen erkennen. Eine aufwendige Studie, geleitet von Professorin Williams, teilt diese Arten nun in sechs verschiedene Biotypen ein, die jeweils unterschiedliche MRT-Bilder aufweisen. Je nach Typ haben verschiedene Behandlungsformen – wie Antidepressiva oder Gesprächstherapien – mehr oder wenige Aussicht auf Erfolg.

Depressionen betreffen verschiedene Hirnregionen

801 Probanden mit Depression wurden also unter Magnetresonanztomografie (MRT) sowohl im Ruhezustand als auch beim Lösen von Aufgaben getestet. Die Wissenschaftler konzentrierten sich bei der Auswertung auf Hirnregionen und Verbindungen dazwischen, von denen bereits bekannt war, dass sie bei Depressionen eine Rolle spielten. Mithilfe der sogenannten Clusteranalyse gruppierten sie die Hirnbilder der Patienten und sortierten sie in sechs verschiedene Aktivitätsmuster.

Sechs Arten der Depression

Tatsächlich gab es daraufhin zumindest bei drei der sechs Gruppen signifikante Ergebnisse.

  • Patienten mit einem Subtyp, der durch eine Überaktivität in den kognitiven Hirnregionen gekennzeichnet war, sprachen am besten auf das Antidepressivum Venlafaxin an.
  • Für eine zweite Gruppe wiederum, deren Gehirne im Ruhezustand höhere Aktivitätswerte in typischen Bereichen für Depression und Problemlösung zeigten, brachten therapeutische Gespräche eindeutig am meisten Linderung.
  • Bei den Menschen mit drittem Subtyp weist der Hirnschaltkreis, der die Aufmerksamkeit steuert, im Ruhezustand niedrigere Aktivitätswerte auf. Bei ihnen war zu beobachten, dass Gesprächstherapien deutlich weniger nützten als in allen anderen Gruppen.

Therapie nach individuellem Depressions-Typ

„Unseres Wissens ist es das erste Mal, dass gezeigt werden konnte, dass Depressionen durch verschiedene Störungen der Gehirnfunktion erklärt werden können“, sagt Williams. „Im Wesentlichen ist es eine Demonstration eines personalisierten medizinischen Ansatzes für die psychische Gesundheit, der auf objektiven Messungen der Gehirnfunktion basiert.“ Das MRT beweist also, dass psychische Erkrankungen individuell unterschiedlich sind.
 

Verfahren soll massentauglich werden

Eine Schwäche hat die neue Methode jedoch: Um den jeweiligen Biotyp zu bestimmen, sind MRT-Aufnahmen des Gehirns sowohl im Ruhezustand als auch während kognitiver Aufgaben nötig. Das bei jedem einzelnen Patienten zu machen ist aufwendig und teuer. Die Autoren sehen ihre Ergebnisse daher auch als „nur“ einen weiteren Schritt auf dem Weg zur besseren Diagnose und passenden Behandlungsmöglichkeiten.

Immerhin bekommen Williams und ihr Team für diesen vielversprechenden Ansatz demnächst 18,86 Millionen US-Dollar Forschungsgelder zur Verfügung gestellt. Die Wissenschaftler wollen damit ein Instrument entwickeln, das beim ersten Auftreten einer schweren Depression so früh wie möglich nach der Diagnose eingesetzt werden kann, um die spezifische Art der Krankheit zu bestimmen und somit personalisierte Vorhersagen treffen zu können.

Das Ganze soll dann noch mithilfe von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz weiterentwickelt werden. „Wir wollen individualisierte, hirnbasierte Bewertungen in großem Maßstab entwickeln, um die klinische Entscheidungsfindung zu verbessern und die Ergebnisse für Millionen von Menschen, die weltweit von Depressionen betroffen sind, zu optimieren“, so Williams.

Quellen:
Mitteldeutscher Rundfunk
Tozzi, L., Zhang, X., Pines, A. et al. Personalized brain circuit scores identify clinically distinct biotypes in depression and anxiety. Nat Med (2024). https://doi.org/10.1038/s41591-024-03057-9
1 Das Bild stammt aus der Studie (Tozzi, L., Zhang, X., Pines, A. et al. Personalized brain circuit scores identify clinically distinct biotypes in depression and anxiety. Nat Med (2024). https://doi.org/10.1038/s41591-024-03057-9). Der Artikel ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International License.

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